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Antifaschismus Wuppertal

Opfer und Täter

Rückgabe gefordert: Das Wuppertaler Von-der-Heydt-Museum besitzt drei Raubkunstbilder aus jüdischen Sammlungen
Als vor vier Jahren das Hamburger Kunstmagazin Art über Raubkunst aus jüdischem Besitz in deutschen Museen berichtete, verwahrte sich das Wuppertaler Von-der-Heydt-Museum energisch dagegen, in diesen Zusammenhang gestellt zu werden. Ihr Haus sei sauber, erklärte Museumsdirektorin Sabine Fehlemann damals. Man sei nicht Täter, sondern vielmehr Opfer: Bis heute vermisse das Museum Werke, die sich seit Kriegsende in Russland und Frankreich befänden. Sorgfältig untersucht wurde der Wuppertaler Museumsbestand offenbar nie. Jetzt kam heraus, dass der Stadt gleich drei Anträge auf Herausgabe wertvoller Werke vorliegen, die deren rechtmäßigen Eigentümern in der Nazi-Zeit abgepresst worden sind. Oberbürgermeister Hans Kremendahl und Kulturdezernentin Marlis Drevermann werden dem Kulturausschuss der Stadt am heutigen Montag empfehlen, die Rückgabe aller drei Bilder zu beschließen.
Die Erbin des erst in Köln, später dann in Berlin lebenden Fabrikanten Max Meirowsky, die in Genf ansässige „Bona-Terra“-Stiftung zur Aus- und Fortbildung junger Juden in der Landwirtschaft, fordert die 1863 entstandene „Felsige Flusslandschaft“ des Frankfurter Malers Otto Scholderer zurück. Der Jude Meirowsky, zu dessen Sammlung Hauptwerke von van Gogh, Renoir, Monet, Courbet, Manet, Gauguin und Pissarro zählten, hatte das Scholderer-Bild und neun weitere Gemälde zunächst der Berliner Nationalgalerie angeboten – „wegen Raummangel“, wie er am 24. September 1936 an den Direktor schrieb. Als sich das Museum gegen einen Ankauf entschied, musste Meirowsky, um in die Schweiz ausreisen zu können, seine Sammlung am 18. November 1938 im Berliner Auktionshaus Lange versteigern lassen. Obwohl auf das Doppelte geschätzt, ging die Sammlung schon für 1000 Reichsmark an die Kölner Galeristin Aenne Abels. Wenige Monate später erwarb dort das Wuppertaler Museum das Bild. „Dass dieser Erwerb guten Glaubens geschah“, so die Beschlussvorlage für den städtischen Kulturausschuss, „kann aufgrund der zeitlichen Abfolge als ausgeschlossen betrachtet werden“.
Die Pastellzeichnung „Erinnerung vom Dampfboot auf der Donau“ von Adolf von Menzel musste, ebenfalls zusammen mit großen Teilen seiner Kollektion, der Berliner Oberregierungs- und Baurat Alfred Sommerguth am 7. Februar 1939 bei Lange in Berlin versteigern lassen. Über die Schweiz und Kuba konnte er ein Jahr später mit seiner Frau Gertrud in die USA fliehen. Unklar ist hier, ob Museumsmäzen Eduard von der Heydt das für 8000 Reichsmark versteigerte Bild selbst auf der so genannten „Judenauktion“ erwarb. Er schenkte es 1956 dem Wuppertaler Museum.
Das dritte Bild, „Tatar mit Pferd“, stammt vom 1837 in Elberfeld geborenen Maler Hans von Marées. Die ehemaligen Besitzer, der Frankfurter Elfenbeinhändler Ernst Flersheim und seine Frau Gertrud, kamen 1944 im Konzentrationslager Bergen-Belsen ums Leben. Um ihre Flucht nach Amsterdam, die am Ende vergebens war, finanzieren zu können, hatten beide im Mai 1937 neben Gemälden von Hofer, Modersohn, Slevogt, Uhde, Trübner und Weisgerber für 850 Reichsmark auch das Marées-Werk bei Helbing in Frankfurt versteigern lassen. Käufer war zunächst der Hamburger Tabakindustrielle Phillip Reemtsma; 1946 erwarb das Wuppertaler Museum das Bild in einer Mannheimer Galerie.
Museumsdirektorin Sabine Fehlemann habe den drei Sammlererben eine Rückgabe der Bilder verweigert, heißt es im Kunst- und Museumsverein. Das wird im Wuppertaler Rathaus weder bestätigt noch dementiert. Die städtische Beschlussvorlage entzieht dem Museum allerdings eindeutig die Kompetenz für diese und eventuell folgende Rückgabeforderungen, indem sie festschreibt: „Künftige Rückgabeansprüche werden nach den Maßstäben dieser Vorlage als Geschäft der laufenden Verwaltung abgewickelt.“ Zudem soll nun systematische Provenienzforschung betrieben werden.
Tatsächlich stünde Wuppertal, wenn es eine Rückgabe verweigern würde, in Deutschland reichlich isoliert da. Museen in Berlin, München, Köln, Emden oder Karlsruhe haben in den vergangenen Jahren schon bei erheblich weniger deutlicher Sachlage nicht nach dem Gesetzbuch, sondern nach moralischen Kriterien entschieden und einst entzogene Werke an die Nachfahren jüdischer Sammler restituiert. Erst im März erstattete die Bundesrepublik Deutschland den Erben Sommerguth ein Bild von Franz von Lenbach zurück, das sich seit dem Krieg als Leihgabe des Bundes im Landesmuseum Darmstadt befand. Drei weitere aus den USA an sie restituierte Gemälde von Menzel versteigert Ende November das Berliner Auktionshaus Villa Grisebach.
STEFAN KOLDEHOFF