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Antimilitarismus & Krieg Wuppertal

bw-wegtreten: Blasmusik-Battle

bundeswehr-wegtreten vs. Bundeswehr-Musikkorps: Alljährlich findet in der Wuppertaler Stadthalle ein Benefizkonzert des Bundeswehr-Musikkorps statt. Heute jedoch ging der Kampfeinsatz des Musikkorps nicht unwidersprochen vonstatten – musikalisch „angetreten“ war im Foyer statt des Musikkorps zunächst ein Ghetto-Blaster, aus dem laut und deutlich hörbar nicht Wohlklang, sondern Marschmusik und Kriegsgetöse zu vernehmen war.
Alljährlich findet in der „Historischen Stadthalle“ zu Wuppertal ein Benefizkonzert des Bundeswehr-Musikkorps (mit Sitz in Siegburg) statt, veranstaltet von diversen Lions Clubs. Diesjährlich jedoch ging der Kampfeinsatz des Musikkorps an der Wuppertaler Heimatfront nicht unwidersprochen vonstatten, sondern wurde zum von einigen Anti-Militarist_Innen zum Anlass genommen, nun endlich mit dieser musikalischen Tradition in ihrer Stadt zu brechen. Während im großen Saal der Stadthalle sich das soldatische Musikantenstadl langsam formierte, mischten sich etwa 25 bw-wegtreter_Innen unter die abendgarderobierten Konzertbesucher_Innen, die mit dem Sektglas in der Hand und Konversation betreibend auf den Beginn des fragwürdigen militaristischen Ton-Vergnügens warteten – musikalisch „angetreten“ war im Foyer (welches eine beachtliche Akustik bereitstellt) statt des Musikkorps jedoch ein Ghetto-Blaster, aus dem laut und deutlich hörbar nicht Wohlklang, sondern Marschmusik und Kriegsgetöse zu vernehmen war, begleitet von einem bunten Transparente-Meer.
Eine ganze Weile lang standen die Konzert-Besucher_Innen den anwesenden Anti-Militarist_Innen im Bombenlärm und Kugelpfeifen recht ratlos und sichtbar verunsichert gegenüber, ohne die Gesprächsangebote der Protestler_Innen annehmen zu wollen. Erst nach etwa 10 Minuten sah sich einer der sichtlich aufgebrachten Veranstalter genötigt, sich in Richtung der Kriegsgeräusche-Quelle zu bewgen und die Umstehenden aufzufordern, sofort mit dem Lärmen aufzuhören, denn „Was Sie hier machen, das ist doch auch Gewalt!“ (wobei zu fragen ist, ob denn das „auch“ denn nun als erstes Einverständnis mit der Argumentation der Anti-Militarist_Innen zu werten ist). Und nachdem auch der zweite und dritte Veranstalter trotz kleinerer Handgreiflichkeiten und ebenso wenig einsichtiger Argumentation („Wissen Sie denn überhaupt, daß das hier für einen guten Zweck ist? Wir sammeln doch das Geld für die Kinder, und die ganzen alten Leutschen hier freuen sich doch auf das Konzert!“) keinen Zugriff auf den nämlichen Ghetto-Blaster (der sich gegen die konkurrierenden Militär-Musikanten gut durchsetzen konnte) und auch der Sicherheitsdienst nichts ausrichten konnte, wurde auch der Polizei Einlass in die historischen Hallen gewährt. Angesichts des Kräfteverhältnisses der Fangemeinden – 25 bw-wegtreter_Innen gegenüber etwa 800 Konzert-Besucher_Innen und diversen kleineren Teams in Grün und Zivil – entschlossen wir uns, das ganze Event vor der Tür ausklingen zu lassen. Zwar hat dort unser anti-militaristischer Ghetto-Blaster an Klangvolumen eingebüßt, gut postiert und unübersehbar waren wir trotzdem.
Fazit: Die von uns bereitgestellten Argumente wurden von den Besucher_Innen als Flugblätter dann doch angenommen (wir hatten eher zu wenig, Schande!), wenngleich das Gespräch nur vereinzelt gesucht wurde. Und trotz der noch zaghaften Zahl an bw-wegtreter_Innen fanden wir: Ein guter Auftakt dafür, die unsägliche Tradition von Lions Club und Bundeswehr-Musikkorps in Wuppertal nun endlich abzuschaffen. Äh. In Wuppertal und andernorts, versteht sich.
Flyer-Text:
„Mitreißende Klänge im Dienst der guten Sache“ –
Das Bundeswehr-Musikcorps im Kampfeinsatz an der Heimatfront
Spenden für wohltätige Zwecke sammeln – wie es sich das Bundeswehr-Musikcorps heute angeblich zur Aufgabe gemacht hat – das klingt super! Aber jetzt mal mal ehrlich – sind Sie als (potenzielle) Besucher_Innen WIRKLICH der Meinung, dass es bei den Werbeauftritten der verschiedenen Bundeswehr-Orchester ums Spendensammeln drehen würde?
Wir alle wissen: Allein die Kosten für das Ausrichten der Konzerte, ganz zu schweigen von den Kosten für Ausbildung, Unterhalt und Entsendung der musizierenden Streitkräfte, stehen in keinem Verhältnis zu den von Ihnen eingesammelten Spenden. Und wenn man das mit der „guten Sache“ dann trotzdem noch wörtlich nimmt – worin könnte diese Ihrer Meinung nach denn dann bestehen?
Der Zweck der unsäglichen Veranstaltungen des Bundeswehr-Militärmusikdienstes liegt wohl vor allem darin, die Akzeptanz der kämpfenden Truppen zu stärken, die mit der stetig steigenden Zahl an Auslandseinsätzen inzwischen sehr wohl wieder zu einer kriegsführenden Armee geworden ist. An der Heimatfront – im heutigen Militär-Einsatz in der Stadthalle – kämpft die Bundeswehr-Truppe deshalb um Sympathien und (demokratische?) Legitimation.
In einer Selbstdarstellung des Militärmusikdienstes der Bundeswehr (www.militaermusik.bundeswehr.de) heißt es dazu: „Die Militärmusik, beruhend auf jahrhundertealter Tradition, ist Ausdruck soldatischen Empfindens. Sie dient heute dazu, die Bundeswehr nach innen und außen zu repräsentieren. Als fester Bestandteil im kulturellen Leben unseres Volkes bildet sie ein wichtiges Bindeglied zwischen Truppe und Bevölkerung. “
Es geht heute also vor allem darum, daß Sie, werte Besucher_In, zu einem voll einsatzfähigen Glied der Heimatfront werden, das – passiv, von Marsch- und Militärmusik berieselt und von den Entertainment-Angeboten der Truppe beglückt – dem Aus- und Umbau der Bundeswehr zur Kriegsarmee stumm und blind und schweigend jede Unterstützung zubilligt. Damit aber (sei es durch aktive Zustimmung oder achselzuckendes Schweigen) tragen Sie letztlich für die von der Bundeswehr geführten Kriege eine Mitverantwortung: für verletzte Zivilist_Innen, vergewaltigte Frauen, getötete Kinder; für vergiftete Brunnen, ausgebrannte Hütten und Häuser und für zerstörte Städte – denn so sehen Kriege an anderen Orten der Welt tatsächlich aus, und Krieg ist nun einmal das Hauptgeschäft der Bundeswehr.
Wenn Sie, liebe Besucher_Innen, das heutige Konzert nun immer noch für eine ganz vergnügliche Abendunterhaltung im Namen eines guten Zwecks halten, sei dazu an dieser Stelle von uns deutlich gesagt: Krieg und Kriegsführung – sei es am Hindukusch, am Horn von Afrika oder an der Heimatfront – sind für uns ganz klar keine „gute Sache“, sondern immer und vor allem Tod und Zerstörung, Vertreibung und Vergewaltigung. In diesem und Kurt Tucholskys Sinne sind Soldat_Innen Mörder – ob mit dem Schießgewehr, am Bombenabwurfknopf, mit dem Schreibgriffel in der Hand, oder eben mit Pauken und Trompeten. Lassen Sie sich nicht zu Mittäter_Innen machen – verweigern Sie sich der Heimatfront!
Deshalb unser Vorschlag: Spenden Sie, wenn Sie wollen, den Preis der Eintrittskarte direkt an den Lions-Club, und geben Sie Ihre Eintrittskarte unter deutlichem Protest zurück! Falls Sie aber die „Vermittlung soldatischen Empfindens“ unbedingt live miterleben wollen: Stellen Sie sich doch der Kriegstreiberei an der Heimatfront aktiv entgegen – Sie können an den (un)passenden Stellen laut jubeln und applaudieren, Sie können Sprechchöre anstimmen (eine Reihe passender Slogans und Parolen geben wir Ihnen gern an die Hand), oder singen Sie lauthals Nicoles „Ein bißchen Frieden“!
Schluss jetzt mit der Kriegstreiberei – ganz gleich ob in Afghanistan, vor der Küste Somalias, beim NATO-Geburtstag in Strasbourg oder in der Stadthalle in Wuppertal!
mehr Infos unter: www.bundeswehr-wegtreten.org / www.imi-online.de / www.bundeswehrwegtorten.blogsport.de
V.i.S.d.P.: Frieda Pieß, Emma-Goldmann-Gasse 2, 42285 Wuppertal
Artikel mit Bildern: http://www.de.indymedia.org/2009/03/244670.shtml