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Antifaschismus Wuppertal

Zum 68.Jahrestag der Pogromnacht in Wuppertal

Gedenkdemonstration in Wuppertal
Gedenktafel am Evangelischen Vereinshaus gestohlen!
Der Koordinationskreis Antifaschismus Wuppertal rief am 10. November 2006
auf, zum 68. Jahrestag der Zerstörung der Synagogen in Wuppertal auf die Straße zu gehen. Wir wollten mit der
Demonstration an die Ereignisse der Pogromnacht erinnern, wir wollen an die jüdischen WuppertalerInnen
erinnern, die vom Nazimob beleidigt und angegriffen wurden, deren Geschäfte, Wohnungen und Synagogen zerstört wurden und die in die Konzentrationslager deportiert wurden. Die Pogrome waren der Auftakt für die Enteignung und Vertreibung, für die Deportationen
und für die Ermordung der Wuppertaler Juden.
Ungefähr 400 DemonstrantInnen waren erschienen, um an der Gedenkdemonstration teilzunehmen. Neben Beiträgen zu den aktuellen Naziübergriffen in Wuppertal gab es
Redebeiträge zum jüdischen Wuppertal, zur Geschichte
des Evangelischen Vereinshauses und zu den Ereignissen am 10. November 1938 in Wuppertal.
Erfreulicherweise hatte im Vorfeld die
Geschichtswerkstatt der City-Kirche in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Fachschule Strassburgerstrasse eine Gedenktafel am Evangelischen Vereinshaus
installiert.
Die Gedenktafel hat folgenden Text:
Wir erinnern und trauern um die Opfer der Wuppertaler Gestapo!
Hier im Dachgeschoss des Evangelischen Vereinshauses
befanden sich die staatspolizeilichen Dienstbüros der Folterer und Schreibtischtäter der Wuppertaler
Gestapo, die unweit von hier in der Von der Heydt Gasse politische Gefangene, Juden, ZwangsarbeiterInnen und andere gefangen hielten und quälten.
Das Evangelische Vereinshaus hat eine lange Geschichte in der völkischen, und nazistischen Bewegung in Wuppertal. Es war zeitweise die Geschäftsstelle der
DNVP, des antisemitischen „Deutschvölkischen Schutz und Trutzbundes“. 1922 wurde hier die Elberfelder Ortsgruppe der NSDAP gegründet, 1922 und 1926 trat im großen Saal Adolf Hitler auf. Schließlich residierte hier ab 1934 die „Glaubensgemeinschaft Deutsche
Christen“ Hier wurden ab 1941 nach den Deportationen der Wuppertaler Juden der Hausrat und die Möbel der
Ermordeten versteigert.
Nichts und Niemand ist Vergessen!
Wuppertaler AntifaschistInnen 9.11.2006
Leider wurde die Gedenktafel von Unbekannten gestohlen.
Wir hoffen auf schnelle Erneuerung!
Jüdisches Wuppertal –
die Herzogstrasse
Weiterhin wurde auf die Geschichte der Herzogstrasse hingewiesen. Sie war neben der Hofaue die jüdische
Einkaufsstrasse. Hier lebten und arbeiteten zahlreiche jüdische WuppertalerInnen. Neben dem Geburtshaus von Else Lasker Schüler hatte der jüdische Widerstandskämpfer Jukiel Gilberg in der Herzogstrasse
40 eine Schneiderei, er wurde im Zuge der Wuppertaler Gewerkschaftsprozesse verhaftet, zu Zuchthaushaft verurteilt und nach Auschwitz und Mauthausen
verschleppt. Er wurde von den Amerikanern im KZ-Außenlager Ebensee befreit.
Fanny Fleischhacker hatte in der Nr. 25 ein kleines Hutspezialgeschäft. Das Geschäft musste nach den
Boykottaktionen 1938 aufgeben werden. Sie wurde am 11.11.1941 nach Minsk deportiert und ermordet.
In der Herzogstrasse Nr. 16/18 betrieb Emil Goldschmidt ein Herrenbekleidungsgeschäft, das 1938
„arisiert“ wurde. Er wurde am 22.7.1942 nach Theresienstadt deportiert und kam dort ums Leben.
David Appel betrieb in der Herzogstr. 10-12 das renommierte Textil- Damenmodengeschäft Gebr. Appel,
dass ab 1933 boykottiert wurde und 1934 geschlossen werden musste. David Appel wurde am 21.7.1942
verhaftet und nach Theresienstadt deportiert. Er wurde am 8.Mai 1945 für tot erklärt.
Genauso wie in der Hofaue erinnert nichts mehr an die jüdischen BesitzerInenn der Geschäfte und Häuser. Die Firmen Klauser, Fach und Nettesheim halten es nicht für nötig, die jüdische Vorgeschichte ihrer Geschäfte und Häuser zu thematisieren.
Das werden wir in der nächsten Zeit ändern.
Ereignisse vom 9-11.November 1938 in Wuppertal
Wie überall im Deutschen Reich wurden zwischen dem 9.
und 11. November 1938 auch in Wuppertal neben der Zerstörung der Synagogen und Betsäle zahlreiche
jüdische Geschäfte und Privatwohnungen teilweise am
helligten Tag verwüstet und geplündert.
Die Täter brauchten nicht den Schutz der Nacht. Wenn die jüdischen Einrichtungen nicht restlos abbrannten,
kamen sie bis zu dreimal an den Tatort wieder.
Die Synagoge an der Genügsamkeitstraße brannte am
10.November um 4:00 Uhr, um 8 Uhr wurde die Barmer Synagoge angezündet. Um 18:00 Uhr kamen die
Brandstifter wieder in Genügsamkeitsstrasse und legten
erneut Feuer. Um 20:00 Uhr brannten die Friedhofskapellen am Weinberg und an der Hugostrasse.
Das Bettengeschäft Sigismund Alsberg in der Berliner Straße wurde dreimal angesteckt und Kissenbezüge und Betten geraubt. Die Herzog- und Königstraße in Elberfeld waren mit Waren und mit zertrümmerten
Gegenständen aus jüdischen Geschäften übersät, auch
die Textilhandlung Wolf und Heimann wurde geplündert.
In der Grünstraße waren ganze Wohnungseinrichtungen
aus dem Haus geworfen worden, in der Elberfelder Wortmannstraße wurde ein Auto in Brand gesetzt.
Im Hause Alsenstr. 3 verwüsteten die die Nazis eine Wohnung und rissen der jüdischen Bewohnerin die
Damenuhr vom Arm.
Nicht nur in ihren Wohnungen, auch auf offener Strasse wurden die Juden in Wuppertal misshandelt- unter den
Augen der Polizei.
Die Täter, unter ihnen der SS-Mann und Versteigerer Bruno Koepchen, fuhren mit der Kraftdroschke vor. In
der Herzogstraße warfen sie beim Schuhhaus Tack und anderen jüdischen Geschäften mit Flaschen die
Schaufensterscheiben ein, der Fahrer brachte sie nach kurzem Zwischenstopp in der Kreisleitung der NSDAP zur Synagoge in die Elberfelder Genügsamkeitstraße. „Die
Herren stiegen aus und begaben sich zur Synagoge. Da sie durch das Hauptportal nicht in die Synagoge hinein konnten, gingen sie von der Seite aus, durch den dort befindlichen Eingang in die Synagoge. Nach einiger Zeit sah ich dann, dass die Synagoge brannte.“
Die Zerstörungen mussten die Juden per „Sühneabgabe“
selber zahlen. Insgesamt 1 Milliarde Reichsmark mussten reichsweit für die „Judenvermögensabgabe“ zum
Ausgleich der Schäden aufgebracht werden. Die Finanzämter „gewährten“ Ratenzahlungen, die in fünf
Raten eingezogen wurden. Wer jetzt noch auswandern konnte, musste auch den Rest seines Vermögens den
deutschen Finanzämtern überlassen.
Nach der Pogromnacht wurden 125 jüdische Männer aus Wuppertal in die Konzentrationslager Dachau und
Sachsenhausen verschleppt.
Die Bilanz des Pogroms, das am 10. November offiziell für beendet erklärt wurde, war erschreckend: Über
tausend Synagogen waren in Deutschland abgebrannt, mindestens 8000 jüdische Geschäfte zerstört sowie zahllose Wohnungen verwüstet. . Hinzu kamen Millionenschäden an
zerstörten Geschäftseinrichtungen und Schaufensterscheiben. Zwischen 90 und 100 Juden waren erschlagen,
niedergestochen oder zu Tode geprügelt worden.
Nichts und niemand ist vergessen!