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(Anti-)Repression 1. Mai Wuppertal

Bündnis gegen Polizeigewalt

PM vom 03.05.2009
Bündnis gegen Polizeigewalt auf der 1. Mai – Demo in Wuppertal
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Pressemitteilung vom 03.05.2009
Das Bündnis gegen Polizeigewalt verurteilt den provokativen und unverhältnismäßigen Polizeieinsatz auf der autonomen 1. Mai – Demo in Wuppertal. Das Bündnis wirft der Polizei massive Verstöße gegen das Versammlungsrecht, Straftaten und Wortbruch vor und erklärt die zuvor vereinbarte Vermittlung für gescheitert. Das Bündnis und seine Beobachter resümieren und stellen Fragen.
Polizeiliches Vorgehen in Wuppertal zeichnet sich durch eine harte Linie aus. Letztes Jahr endete die 1.Mai-Demonstration mit einem massiven Polizeieinsatz und Massenfestnahmen von 199 Personen. Am 17. März 2009 gab es gegen das Autonome Zentrum unter dem Vorwand des Jugendschutzes eine Razzia mit über 200 eingesetzten Kräften aus Polizei, Ordnungsamt und Zoll. Es war daher für diese 1.Mai-Demonstration wieder mit
einem harten Vorgehen der Polizei zu rechnen.
Daher hatte sich ein Bündnis gegen Polizeigewalt aus über 10 sozialen und politischen Organisationen gegründet, mit dem Ziel, dass es dieses Jahr zu einem Demonstrationszug in Wuppertal kommen kann. Im Vorfeld der Demonstration gab es unter der Vermittlung
des Bürgermeisters Lorenz Bahr ein Gespräch zwischen dem Bündnis und der Polizeieinsatzführung, in welchem letztere einen zurückhaltenden und deeskalierenden Kurs sowie jederzeit die Möglichkeit zur direkten Kommunikation zwischen Polizeiführung und
Vermittlern zugesagt hatte.
Das Bündnis stellt im Rückblick fest:
 Die Demonstration war de facto ein Gefangenentransport in Form eines Wanderkessels.
Die Demonstration wurde von allen vier Seiten, teilweise in Dreierreihen,
von behelmten und zum Teil mit Schildern ausgestatteten Polizisten umschlossen.
Im Einsatz waren zudem Hunde ohne Maulkörbe. Die Demonstranten wurden von
Polizeiketten fortwährend bedrängt und immer wieder geschlagen. Der Abstand der ersten Polizeikette zur Demonstrationsspitze betrug in der Regel weniger als einen Meter. Die Seitenstraßen entlang der Demonstrationsroute wurden mit quergestellten Polizeiwagen abgesperrt.
 Vielfach wurden Personen von der Polizei gehindert, zur Demonstration zu gelangen oder diese zu verlassen.
 Die gesamte Demonstration wurde polizeilicherseits ständig von auf Autos stationierten und mobil getragenen Videokameras gefilmt.
 Es wurde beobachtet, dass vereinzelte Beamte Schlaghandschuhe trugen. Diese mit Sand gefüllten Handschuhe können schwerste Verletzungen verursachen und deren Einsatz mittlerweile verboten ist.
 Den Demonstranten wurde unbegründet der Zugang zur Innenstadt verwehrt, vielmehr hat die Polizeiführung den Demonstrationsweg durch das Setzen von Fakten und Absperren der entsprechenden Straßen die Demonstrationsroute alternativlos vorgegeben.
 Durch Polizeiketten waren die Transparente der Demonstrierenden für Anwohner und am Straßenrand stehenden Personen nicht sichtbar. Später wurden den Demonstranten alle Transparente entrissen. Hiermit die politische Aussage der Demonstration unkenntlich gemacht.
 Im Vorfeld wurde den Vermittlern jederzeit Kontakt zur Einsatzleitung zugesagt; nachdem das polizeiliche Verhalten zunehmend auf Eskalierung setze, wurde diese Absprache von Seiten der Polizeiführung gebrochen und ein direktes Gespräch mit den Vermittlern abgelehnt.
 Mehrfach wurden Personen und Journalisten mit Kameras am Rande der Demonstration von Polizeikräften bedroht. Einem jungen Mann, der die Demonstration und den Polizeieinsatz fotografieren wollte, wurde durch einen Beamten gegen die Schläfe geschlagen. Zwei Journalisten wurde mit Platzverweis gedroht, sollten sie weiterhin darauf bestehen, dass ihre Strafanzeige gegen einen Polizeibeamten wegen einer von ihnen dokumentierten Körperverletzung aufgenommen wird, da
sie damit “die polizeilichen Maßnahmen behindern” würden. Einer der beschuldigten Beamten bedrohte den Journalisten direkt. indem er ihm zurief: ”Dich kriegen wir noch.“
 Es wurden Beamte in Zivil eingesetzt, die als vermummte Autonome verkleidet waren.Neben schwarzen Kapuzenpullis trugen diese ebenfalls die o.g. Schlaghandschuhe.Die Beamten bestätigten gegenüber einer Beobachterin ihre Zugehörigkeit zur Polizei, in ihrem Zivilauto lagen Polizeiuniformen.
 Schließlich gab es auf Seiten der Demonstranten eine Reihe von Verletzten infolge der Polizeigewalt – u.a. ein angebrochenes Nasenbein; zwei weitere Personen mussten mit Verdacht auf Rippenbruch bzw. Schlüsselbeinbruch im Krankenhaus behandelt werden.
Aus Sicht des Bündnisses wird festgestellt: Der Polizeieinsatz war provokativ und unverhältnismäßig.
Es gab keinerlei nachvollziehbaren Grund für diesen eskalierten Einsatz.
Die Polizeiführung hat mit diesem Einsatz gravierend das Grundrecht auf Versammlungs und Demonstrationsfreiheit verletzt. Aus Sicht des Bündnisses war die gesamte Versammlung ein Gefangenentransport, aber keine Demonstration.
Es stellen sich für das Bündnis nun folgende Fragen:
1. Wer ist für diesen Polizeieinsatz verantwortlich?
2. Wer ist für den Einsatz der verkleideten und vermummten Zivilpolizisten verantwortlich,was war deren Einsatzziel und wieso dürfen diese im Dienst verbotene Waffen (Quarzhandschuhe) tragen?
3. Welche Konsequenzen werden aus der völlig verfehlten Einsatzstrategie und den polizeilichen Übergriffen gezogen?
Dieser Wuppertaler Polizeieinsatz hat eine neue Qualität der Grundrechtseinschränkung gegen Demonstrationen.
Letztes Jahr endete der Einsatz in Massenfestnahmen von 199 Personen. Dieses Jahr ist es der Besonnenheit der Demonstranten und auch der breiteren Öffentlichkeit zu danken,dass es nicht zu ähnlichen Exzessen kam. Dieses Jahr wurden “nur” 11 Personen festgenommen, obwohl beim Einsatz die Parole ausgegeben wurde “Wir brauchen mehr Festnahmen.“
Aus Sicht des Bündnisses ist es notwendig, in und außerhalb Wuppertals eine breitere öffentliche Diskussion über diesen Polizeieinsatz zu führen.
Abschließendmuss das Bündnis feststellen: es wäre vielmehr angezeigt gewesen, einen Teil der Polizisten tatsächlich zum Schutz von Demonstrations- und Versammlungsfreiheit einzusetzen, so zum Beispiel bei der Dortmunder DGB – Demo, um rechtsextreme Übergriffe zu verhindern und deren Versammlung zu schützen, anstatt in Wuppertal die Versammlungsfreiheit massiv einzuschränken.
Das Bündnis ist zu erreichen über: c/o Tacheles e.V., Rudolfstr. 125, 42285 Wuppertal, EMail:
info@tacheles-sozialhilfe.de