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Recht auf Stadt Soziale Kämpfe Wuppertal

Rede zum Spatenstich

Heute hat der Ministerpräsident Rüttgers den Startschuss für den Umbau des Döppersberg in Wuppertal gegeben. Das millionenschwere Projekt findet aber keine ungeteilte Zustimmung in Zeiten von massiven Sozialabbau. Die Reden von Rüttgers und von lokalen Politikern wurden durch ein Pfeiffkonzert und ziemlich lustige Zwischenrufe gestört. Unter den GegendemonstrantInnen waren selbstverständlich auch der Freundeskreis Mina Knallenfalls http://www.4woche.blogsport.de/ , der bewaffnet mit Spitzhacken und Schaufeln und angeheitert durch zwei Flaschen Rüttgers Sekt einen eigenen Spatenstich durchführte. Hier dokumentieren wir die Rede…
Wuppertal 30. Juni 2019
Liebe WuppertalerInnen
Wir sind sehr erfreut heute den Spatenstich für den neuen Döppersberg vornehmen zu dürfen. Darauf haben wir WuppertalerInnen 90 Jahre gewartet. Vor zehn Jahren hat ein Volksentscheid kurz vor der Kommunalwahl den skandalös unsozialen Umbau des Döppersberg gestoppt. In einer wunderbaren Zukunftswerkstatt entwickelte die Bevölkerung mit ihrem gesammelten Wissen die Vision eines sozialen und ökologischen Döppersberg . Voller Begeisterung stehen wir heute hier, diese Stadtplanung von unten mit dem nächsten Bauabschnitt zu beginnen. Der neue Döppersberg wird ein wahres Juwel und ist schon jetzt ein Leuchtturm für Selbstermächtigung und Selbstorganisierung. Sehen Sie selbst:
Vor uns erstreckt sich die neue „Husch-Husch-Arena“ für nichtkommerzielle rotzfreche Asphaltkultur mit dem neuen Husch-Husch-Denkmal. Es soll an die Widerständigkeit der Wuppertaler Armen und Widerspenstigen erinnern, die sich schon immer dem Zugriff der kapitalistischen Normalität entzogen haben. Wir erinnern insbesondere an Husch-Husch alias Peter Held, dem wir das Denkmal namentlich widmen. Er war sog. Stadtstreicher, er wurde von den Polizeibehörden und den Nazis verfolgt und ins Gefängnis gesperrt. Er starb nach dem Krieg in der Irrenanstalt Galkhausen.
Zur Linken finden Sie das neue Wuppertal-Institut. Dort wird seit 10 Jahren an einer sozial gerechten und ökologischen Stadtökonomie gearbeitet.
In der großen Krise 2009 entwickelte sich massenhaft das Bedürfnis nach einer sozialgerechten und ökologischen Stadtentwicklung. Seit dieser Zeit ist der öffentliche Nahverkehr umsonst. Der Wuppertaler Arbeitsmarkt wurde total umgekrempelt: Die erwerbslosen WuppertalerInnen waren es satt, in Ein Euro Jobs von den sog. Wohlfahrtsverbänden ausgebeutet zu werden, Verdi, die FAU und die IG-Metall setzten Mindestlöhne von 10 Euro und eine Wochenarbeitszeit von 30 Stunden durch, Leiharbeitsfirmen wurden geschlossen und in Zusammenarbeit mit dem Wuppertal-Institut wurde der Umbau der Automobilzulieferer-Industrie vorangetrieben, seit dieser Zeit sind u.a. die Solar-Busse und die Schwebebahnen made in Wuppertal weltweit äußerst beliebt.
Auch die Arge macht den WuppertalerInnen keine Angst mehr. Im November 2009 wurde Hartz IV abgeschafft und schrittweise ein Existenzgeld von 800 Euro (ohne Miete) ohne Arbeitszwang eingeführt. Seit dieser Zeit florieren selbstorganisierte Stadtteilprojekte. Die Mitarbeiter der ARGE arbeiten seitdem erfolgreich in der Steuerfahndung.
Im ehemaligen KÖBO-Haus an der Platte gibt es seit 2010 in der ehemaligen Polizeiwache ein großes Medi-Zentrum für die freie Gesundheitsversorgung aller. Hier arbeiten seit dem großen Ärzte-Krankenpfleger-PhysiotherapeutInnen-Streik von 2009 alle Angehörigen der Gesundheitsberufe gleichberechtigt, halbtags und mit einer angemessenen Vergütung. Selbstverständlich werden alle gesellschaftlich bedingten Süchte behandelt, die ärztlich kontrollierte Abgabe von Heroin gehört genauso dazu wie die therapeutische Behandlung von Workaholics.
In der ehemaligen Bahnhofsdirektion ist übrigens neben der Gedenkstätte für die Wuppertaler deportierten Juden die neue Friedrich Engels Gesamt (hoch) Schule eingezogen. Der Kampf für die Zerschlagung des viergliedrigen Schulsystems war sehr hart. Trotz finnischer Entwicklungshilfe zog sich der Kampf gegen das deutsche Gymnasium bis 2011 hin. Das ehemalige Dörpfeld-Gymnasium, die heutige 13. Spartakus-Gesamtschule, fiel erst nach vierjähriger Belagerung. Burschenschaftler und ehemalige Schüler hatten sich bis zuletzt an die Arno Breker –Statue angekettet und kämpften letztlich erfolglos um ihre Privilegien.
Nach dem Bildungsstreik 2009 wurde das viergliedrige Schulsystem schrittweise abgeschafft und durch eine Schule für alle ersetzt. Sonderschulen und Gymnasien wurden verboten. Seit dieser Zeit gibt es auch einen kostenlosen Mittagstisch für alle SchülerInnen.
Die Universität, die hier am Döppersberg einen licht durchflutenden Hörsaal errichtet hat, wurde nach mehrmonatiger Besetzung zur Friedrich Engels Gesamt (hoch) schule, dort studieren jetzt ohne Zugangsbeschränkungen alle Altersgruppen ohne Studiengebühren und ohne Zeitdruck, denn Bachelor und Master wurden sofort abgeschafft.
Der scheußliche Tunnel zur Rechten wird genauso wie die Wupper wieder zum Eldorado des Wassersports. Nach seiner Flutung können im Bootshaus in der ehemaligen BGS-Wache Gondeln und Elektroboote ausgeliehen werden. Der Döpps-Kanal mit seinem Wildwasser wurde bis zum Mina Knallenfalls-Museum (dem ehemaligen Uhrhaus Abeler) in der Poststrasse ausgebaut. Der „Otto Böhne“ Tauchclub bietet stadtarchälogische Tauchkurse an.
Spaß bei Seite…
Wir wollen diesen Döppersberg-Umbau nicht! Wir wollen diese Verschleuderung von Millionen Euro nicht, weil gleichzeitig Sozialprojekten, das Wasser abgegraben wird. Statt der Kürzungen im Sozialbereich fordern wir eine soziale Infrastruktur und kostenfreie Gesundheitsversorgung für alle! Mit Beschäftigten, die von ihrer sinnvollen Arbeit gut leben können und nicht in Euro Jobs und in anderen prekären Arbeitsverhältnissen ausgebeutet werden. Und wir brauchen in Wuppertal keine neuen Bürotürme und Einkaufszentren. Die gibt es nämlich schon und stehen seit Jahren leer.
Uns gehört die Stadt“, diese alte Parole aller sozialen Kämpfe gilt es wieder zu beleben. Gegenwehr und Aufbau neuer solidarischer Strukturen gehören zusammen. „Wir bitten niemandem um etwas, vielmehr erschaffen wir hier und jetzt unsere kreative Aufsässigkeit, indem wir so weit wie möglich die Momente und Räume ausweiten, in denen wir sagen: Nein, wir beugen uns nicht den Anforderungen des Kapitals, wir werden etwas anderes machen, wir werden die Selbsthilfe fördern, die Kooperation, die Erschaffung gegen das Kapital. Es ist nicht leicht, es ist nicht offensichtlich, aber dies ist die Richtung, in die wir uns bewegen müssen, die wir erkunden müssen. Mit Wut, aber mit einer Wut, die andere Perspektiven eröffnet, die andere Dinge erschafft, eine Wut der Würde. (aus dem Grußwort von John Holloway)
Auf diese Wut vieler WuppertalerInnen setzen wir. Selbstorganisierung und Selbstermächtigung sind auf lange Sicht die einzige Perspektive den Zumutungen des kapitalistischen Normalzustandes zu entfliehen und was Neues aufzubauen!
Fangen wir damit beim Döppersberg an!
Freundeskreis Mina Knallenfalls
P.S. Nicht betteln und bitten, sondern Kampf um ein würdiges Leben!