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Antirassismus & Migration

Aufruf zum No Border Camp Köln/Düsseldorf

Antirassistisch Campen und Kämpfen
Ein Aktionscamp mit Aktionen, Workshops, Diskussionen, Vernetzung

Vom 13. bis 22. Juli 2012 findet ein No Border Camp in Köln statt, das durch ein offenes Netzwerk antirassistisch bewegter Gruppen und Aktivist_innen organisiert wird. Kommt zum Camp! Bringt Workshops, Aktionen, Ideen mit! Klinkt euch in die dezentrale Vorbereitung ein! Das Camp ist das, was wir daraus machen!
WARUM EIN NO BORDER CAMP?
Europas Grenzen nehmen viele Formen an. Sie umspannen die Europäische Union, sie zeigen sich außerhalb des Schengenraumes, in Nachbarstaaten und „Transitländern”. Als innere Grenzverläufe ziehen sie sich mitten durch Gesellschaften. Ebenso sind sie Ausbeutungs- und/oder Dominanzverhältnisse, die zudem geschlechtlich strukturiert sind. Während Nicht-EU-Staaten wie die Ukraine oder Tunesien verpflichtet werden, Migrant_innen und Flüchtende bereits außerhalb des Schengenraumes abzufangen, üben staatliche Stellen innerhalb der EU strukturelle Gewalt aus: Rassistische Polizeikontrollen, prekäre Arbeit von Illegalisierten, Unterbringung in Flüchtlingslagern, Residenzpflicht und Abschiebungen überall aus Europa – dies und vieles weitere ist Ausdruck von Rassismus gegenüber denjenigen, von denen geltend gemacht wird, dass sie “anders” seien und spiegelt somit den tief verankerten rassistischen Grundkonsens wieder.
Doch diese Grenzen werden fortwährend überschritten: etwa wenn Geflüchtete in Lagern an Europas Rändern revoltieren, wenn Migrant_innen trotz prekärer Lebenslagen bleiben oder wenn sich gemeinsame Netzwerke gegen zerstörerische Rassismen bilden. Zudem zeigen sich Brüche im europäischen Migrationsregime. Auch wenn das Jahr 2011 das bisher tödlichste Jahr für Bootsflüchtende in der Mittelmeerregion war, bewirkten die nordafrikanischen Revolutionen vom Frühjahr 2011 einen zeitweiligen Zusammenbruch des vorverlagerten EU-Grenzregimes. So wie auch innerhalb Europas im Zuge der von Deutschland maßgeblich vorangetriebenen Sparprogramme politische Gegensätze aufgebrochen sind, was sich insbesondere in den südeuropäischen Protesten gegen Krisenangriffe und Verarmungspolitik zeigt.
WAS WILL DAS NO BORDER CAMP KÖLN/DÜSSELDORF?
Mit dem Camp wollen wir als Teilnehmende einen Ort schaffen, an dem Forderungen gestellt, gehört und unterstützt werden können, Wissen geteilt wird und insbesondere die Selbstorganisierung von Geflüchteten / Migrant_innen / PoCs (…)¹ Raum findet. Während des Camps sollen Strategien entwickelt werden, um die uns häufig trennenden Grenzverläufe zu bekämpfen, um zusammen gegen Rassismus aktiv zu werden! Wir wollen in gemeinsamen Aktionen Sichtbarkeit herstellen und das Gefühl von Ohnmacht überwinden!
Aufgrund von strukturellem Rassismus ist der Vorbereitungskreis derzeit überwiegend weiß² positioniert. Gemeinsam sollen aber Strukturen geschaffen werden, die die Teilnahme an Vorbereitung und Camp für alle ermöglichen sollen. Mit dem No Border Camp soll politischer Druck auf die Verantwortlichen und Profiteur_innen der Abschiebemaschinerie erzeugt werden. Aktionen im Umfeld des Camps können das Grenzregime temporär außer Kraft setzen! Widerstand und Selbstorganisierung haben Abschiebungen schon wirksam verhindert! Am Samstag, den 21. Juli, ist daher ein Aktionstag gegen die Abschiebungen vom Düsseldorfer Flughafen geplant, an dem auch Nutznießer_innen wie die Fluggesellschaft Air Berlin keine Ruhe haben werden!
Lebensrealitäten von Geflüchteten und migrierten Menschen
Ebenfalls will sich das Camp mit den Lebensrealitäten von Geflüchteten auseinandersetzen und die vielfältigen Kämpfe um Selbstbestimmung stärken! Die zwangsweise Einpferchung in sogenannten „Gemeinschaftsunterkünften“, häufig fernab der Städte, ist Teil eines rassistischen Ausgrenzungssystems. Es macht Menschen physisch und psychisch krank. Direkt Betroffene wehren sich immer wieder gegen Lagerunterbringung als ein System von Entwürdigung und Isolation. Diese auf Abschiebung zielende Politik der Lager setzt sich bei weiteren Instrumenten fort, etwa bei der Residenzpflicht oder den sogenannten Botschaftsanhörungen zur Beschaffung von “Reisepapieren”, wie sie auch in der Zentralen Ausländerbehörde in Köln stattfinden.
An vielen Orten fanden und finden Aktionen der direkt Betroffenen statt: Konferenzen oder Kampagnen gegen die Residenzpflicht, gleichermaßen wird gegen die Lagerunterbringung und das Gutscheinsystem protestiert und gemeinsam rassistische Polizeigewalt thematisiert. So finden z.B. im Mai diesen Jahres in Berlin Aktionstage gegen die Abschiebeanhörungen statt, in Thüringen wird es ein Break Isolation Camp gegen Lagerunterbringung geben und auch in vielen anderen Orten gibt es gemeinsame Mobilisierungen.
Weitere Orte in Köln kennzeichnen Bedingungen, mit denen sich migrantische Leute/ PoCs/ Schwarze (…) und die weiterhin als “Andere” betrachteten nachfolgenden Generationen auseinandersetzen müssen: In Köln-Mülheim verübte der neonazistische NSU 2004 einen Nagelbombenanschlag auf die of Color-Bevölkerung, und auch der in die Neonazi-Mordserie verstrickte Verfassungsschutz hat seinen Hauptsitz in Köln. Ebenfalls in Mülheim, Kalk und in anderen Stadtteilen Kölns sind bulgarische und rumänische Migrant_innen zurzeit öffentlichen Anfeindungen und polizeilichen Razzien ausgesetzt. Und auch das Ausländerzentralregister AZR befindet sich in Köln: Eine der umfangreichsten Datensammlungen bundesweit, die der rassistischen Erfassung von Menschen ohne deutschen Pass dient und auf die zahlreiche „Partnerbehörden“ Zugriff haben.
Schwerpunkt Antiziganismus
In der BRD und in Europa sind strukturelle Diskriminierung, soziale Stigmatisierung und Alltagsrassismus gegen Roma historische Kontinuitäten. Im Nationalsozialismus wurden Roma verfolgt, diffamiert und ermordet. Eine vollständige Übernahme der Verantwortung seitens der BRD als Nachfolgestaat steht jedoch aus. Stattdessen wird vielen Roma und Sinti weiterhin ein Aufenthaltsrecht verwehrt, werden sie weiter stigmatisiert und mit Abschiebung konfrontiert.
Der Antiziganismus, die stereotype Wahrnehmung und mehrheitsgesellschaftliche Ablehnung von Roma und Sinti, äußert sich nicht nur in Aufmärschen und Pogromen gegen Roma, wie sie jüngst in einigen osteuropäischen Ländern stattgefunden haben. Dies ist nur der gewaltvolle Höhepunkt. Auch hierzulande werden Roma mit rassistischer medialer Hetze und tagtäglicher Ausgrenzung konfrontiert.
Wenn Roma, insbesondere aus Rumänien und Bulgarien, aufgrund des erstarkten Rassismus und ihrer extremen Verarmung in westeuropäische Länder migrieren, werden sie hier ebenfalls beharrlich diskriminiert und in populistisch-rassistischen Kampagnen unter Pauschalverdacht gestellt. So wird gegen Roma-Familien in Leverkusen gehetzt, sprechen Medien von “Mafia” und führt die Polizei Razzien und verstärkte rassistische Kontrollen in U-Bahnen durch.
Lokalpolitisch brechen sich hier Ressentiments ungehindert Bahn – häufig mit Unterstützung der Medien. Die soziale Lage (Konsequenz von Verfolgung, Vertreibung und Armut) wird den Betroffenen quasi als „Eigenheit“ angelastet, gefolgt vom Ruf nach repressivem Durchgreifen. So wurden vorwiegend aus Bulgarien migrierte Sexarbeiter_innen als vermeintliche Ursache für die in einer antiziganistischen Kampagne gezeichnete Bedrohungslage in Dortmund ausgemacht. Die Arbeit der mehrfach stigmatisierten Sexarbeiter_innen (als Sexarbeiter_innen und weiblich sozialisierte Personen) wurde mit Gewalt und Kriminalität gleichgesetzt, um ihre ohnehin prekäre Arbeitssituation zu illegalisieren.
Zum anderen äußert sich die Ausgrenzung von Roma in regelmäßigen und immer häufigeren Sammelabschiebungen, mit denen selbst Familien, die seit über 20 Jahren hier leben, auf der Grundlage sogenannter Rückübernahmeabkommen nach Serbien, Mazedonien und den Kosovo abgeschoben werden. Die Abschiebepraktiken und Vorgehensweisen gegen Roma in der BRD traumatisieren die Betroffenen und zwingen sie, in ex-jugoslawischen Staaten unter menschenunwürdigen Bedingungen am Rand der Gesellschaft zu leben. Stillschweigend wird europaweit hingenommen, dass Roma sich lediglich in eingezäunten Lagern , d.h. “in ihren Vierteln” aufhalten und “frei bewegen” können, während weiße überlegen, wie sie auch noch den Mond besiedeln könnten.
Die Kampagne „alle bleiben!“, die für ein Bleiberecht der Roma kämpft, hat die letzten Sammelabschiebungen vom Flughafen Düsseldorf in die Perspektivlosigkeit und den gesellschaftlichen Ausschluss im Kosovo bzw. in Serbien mit Protestaktionen begleitet und setzt sich durch die Unterstützung der von Abschiebung Bedrohten dafür ein, dass die Flieger möglichst leer starten müssen. Das No Border Camp will diese Kämpfe gegen Abschiebung und um ein besseres Leben aufgreifen, eine weitere Plattform bieten und den Widerstand von Roma-Aktivist_innen sicht- und hörbarer machen. Solidarität mit und Unterstützung von Roma-Aktivist_innen! Alle Abschiebungen stoppen!
Von Lagern bis Abschiebungen, von Sarrazin bis NSU – rassistische Verhältnisse angreifen!
Was haben der NSU, die rechte Organisation Pro Deutschland oder die Sarrazin-Debatte mit der Abschiebepraxis deutscher Behörden und dem Alltag von Geflüchteten in Lagern zu tun? Rassismus bezeichnet ein umfassendes gesellschaftliches und institutionelles Verhältnis, das nicht den „Rändern der Gesellschaft“ zugewiesen oder zu „Einzelfällen“ verharmlost werden kann.
Rassismus findet täglich statt, tagtäglich werden Menschen zu „Anderen“ gemacht, ins gesellschaftliche Außen verwiesen, mit pauschalisierenden Zuschreibungen belegt. Auch durch diesen alltäglichen Rassismus blieb die Mordserie der Neonazi-Mörder_innen des NSU über Jahre hinweg der breiten Öffentlichkeit unbekannt.
Stattdessen wurde den Getöteten und deren Familien von den Ermittler_innen die Verantwortung zugeschoben, mit der Ansage, sie seien in kriminelle Milieus verstrickt. Diese Taktik der „Schuldumkehr“ hat Tradition. Der Brandanschlag auf eine Unterkunft für Geflüchtete in Lübeck wurde 1996 dem Geflüchtetem Safwan Eid zur Last gelegt; der Asylbewerber Oury Jalloh, der 2005 gefesselt in einer Dessauer Polizeizelle verbrannte, soll seinen Tod selbst zu verantworten haben, da er sich angeblich selbst angezündet hat. Menschen, die rassistisch diskriminiert werden, gelten in dieser Logik als „Ursache“ für Rassismen – Rassismus wird so denen zugeschrieben, die davon negativ betroffen sind, und nicht den dadurch Privilegierten, der als weiß-deutsch konstruierten Mehrheitsgesellschaft. Auch werden muslimische Menschen (oder solche, die dazu gemacht werden)als muslimisch mit Terrorismus und Fundamentalismus assoziiert sowie rassistische und stereotype Zuschreibungen vorgenommen. Beim antimuslimischen Rassismus funktioniert die Sexualisierung der als „muslimisch“ definierten Frau durch den Drang, alles „entschleiern zu müssen“, im Zusammenspiel mit der Aberkennung von Selbstbestimmung und Emanzipation.
Dieser gesellschaftlich tief verwurzelte Rassismus erlebte 2010 in der Sarrazin-Debatte einen weiteren Höhepunkt, in der sich der Biologismus des Sozialdemokraten Thilo Sarrazin mit einem kulturalisierenden Rassismus verband. Ob nun mit der kolonialistischen Kategorie der „Rasse“ argumentiert oder der Begriff durch den der „Kultur“ ersetzt wird: in beiden Fällen werden Menschen zwangsläufige Eigenschaften zugewiesen, d.h. die Menschen werden entmündigt und zu „Repräsentant_innen irgendeiner Gruppe“ gemacht. Und nicht nur in der Sarrazin-Debatte wurden Migrant_innen nach „Nützlichkeitskriterien“ sortiert und damit letztlich (globale) Reproduktionszusammenhänge verkehrt. Hier schließt sich der Kreis der Normalisierung von Rassismus. Wenn wir schweigen, tragen wir diesen Grundkonsens mit: etwa wenn Roma per Sammelabschiebung in den Winter geflogen werden, wenn Geflüchtete diskriminierenden Sonderregelungen wie der Residenzpflicht unterliegen oder PoCs ständig „Wo kommst du wirklich her?“ gefragt werden.
Aktionsschwerpunkt Abschiebungen
Das diesjährige No Border Camp richtet einen aktionistischen Fokus auf den Flughafen Düsseldorf als Scharnier der europäischen Abschiebemaschinerie. Koordiniert werden die Abschiebungen mit Sammelcharterflügen meist von FRONTEX, der europäischen Grenzschutzagentur, die nicht nur an Europas Grenzen Krieg gegen Flüchtende und Migrant_innen führt. Die Agentur für die „Zusammenarbeit an den Außengrenzen“ bekämpft Flüchtende und Migrant_innen weit außerhalb der Europäischen Union, beispielsweise vor der westafrikanischen Küste, lässt also Schutzsuchende bereits auf den Fluchtrouten zu „Illegalen“ werden. Mit über 10 Millionen Euro finanziert FRONTEX die sogenannten „Return Operations“, bei denen Charterflugzeuge die Flughäfen mehrerer EU-Staaten ansteuern, um die Abzuschiebenden „einzusammeln“ und unter Ausschluss der Öffentlichkeit und unter Anwendung von Gewalt außer Landes zu schaffen. Diese Flüge finden europaweit statt – bekannt sind Sammelabschiebungen in unterschiedliche Länder, unter anderem aus Schweden, England, Belgien und den Niederlanden. An vielen Abflugorten finden jedoch auch Proteste und Blockaden gegen diese von FRONTEX koordinierten und finanzierten Charterflüge statt. Die europaweit meisten Sammelabschiebungen richten sich gegen Geflüchtete und Migrant_innen aus Nigeria, offensichtlich auch als Abschreckungsmaßnahme gegen die Migration aus einem der bevölkerungsreichsten Länder Afrikas. Selbstorganisierte Geflüchtete wehren sich in diesem Zusammenhang schon seit langem gegen die von Bundespolizei und nigerianischer Botschaft in Kollaboration organisierten „Anhörungen“, bei denen Geflüchtete vorgeführt und willkürlich als Staatsangehörige Nigerias „identifiziert“ werden, um sie mit den dann ausgestellten Papieren abschieben zu können. Diese Anhörungen und Abschiebungen nach Nigeria werden während der Campwoche ebenfalls ein Thema sein.
Für Abschiebungen nach Ex-Jugoslawien stellt die größte Fluglinie in Düsseldorf, Air Berlin, Flugzeuge zur Verfügung und profitiert damit vom schmutzigen Geschäft mit der Ausgrenzung. Doch der Widerstand zeigt auch Erfolge: Für eine Sammelabschiebung nach Serbien Anfang Februar 2012 etwa waren 70-75 Plätze gebucht – lediglich 16 Personen befanden sich jedoch letztendlich im Flieger. Demonstrationen und Blockaden am Flughafen stellen eine empfindliche Störung des ‚business as usual‘ dar – hier wird das Camp mit Aktionen in Düsseldorf anknüpfen!
ZIELE DES CAMPS
Und über die Grenzen hinaus
Ziel der Campwoche ist es, den Zusammenhang zwischen Alltagsrassismus und institutionellem Rassismus aufzuzeigen sowie den Bogen zu anderen Feldern oder Diskriminierungsformen zu schlagen. Rassismus soll als gesamtgesellschaftliches Machtverhältnis kritisiert werden und mit der Präsenz des Camps, mit öffentlichen Aktionen und kritischer Medienarbeit soll in Diskurse eingegriffen werden, die Rassismus relativieren und als Problem einzelner Fanatiker_innen verharmlosen.
Hierzu gehört auch, Rassismus ausdrücklich in den Kontext neokolonialer Dominanz- und kapitalistischer Ausbeutungsverhältnisse zu stellen – im Anschluss an den von selbstorganisierten Geflüchteten und Migrant_innen schon vor langem geprägten Slogan: „Wir sind hier, weil ihr unsere Länder zerstört!“. Um die damit verknüpften Themen, Fragen und Herausforderungen soll es im Laufe des Camps immer wieder gehen, geplant ist unter anderem eine Großaktion gegen den seit 2007 explosionsartig angewachsenen Ausverkauf fruchtbarer Ackerböden an Banken, Investmentfonds und Konzerne. Denn das sogenannte „Landgrabbing“ gleicht mittlerweile einer riesigen Enteignungswelle, die vornehmlich im Süden des Globus für mehrere Hundert Millionen Kleinbauern und -bäuerinnen, Fischer_innen und Viehhirt_innen den Verlust ihrer Existenzgrundlagen bedeuten könnte – und somit auch Landflucht bzw. Migration.
Und es soll die besondere Ausbeutung von Migrant_innen und ihre Arbeitskonflikte etwa am Flughafen zur Sprache gebracht werden. Hier ergibt sich eine Verbindung zu anderen Widerständen gegen zunehmend prekäre Bedingungen: Nicht nur in Griechenland haben Massenproteste und Streiks stattgefunden. Die erheblichen Folgen der sogenannten Krise verschärfen auch die ohnehin katastrophalen Bedingungen, unter denen Geflüchtete/ Migrant_innen/ und viele viele PoCs ihr Leben fristen müssen. Das Camp kann hier ein Bündelungspunkt sein, um vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen zu intervenieren, in denen z.B. Proteste gegen alltägliche Verarmungsprozesse und Migrationen als Bewegungen gegen ein global ausdifferenziertes Gefälle einander begegnen. Mit dem No Border Camp soll weiterhin ein Raum geöffnet werden, der es Geflüchteten und migrierten Menschen und allen, die sich mit diesen Kämpfen solidarisieren, ermöglicht, gemeinsame Visionen, Analysen und Praktiken zu entwickeln und mit einer weiten Klammer unterschiedliche Kämpfe zu vernetzen.
Das Camp wird zudem die Chance bieten, rassismuskritische, antikapitalistische, antifaschistische und queer-feministische bzw. antipatriarchale Perspektiven zusammenzubringen und so dem Zusammenwirken verschiedener Dominierungsformen ein Zusammenwirken verschiedener Widerstandsperspektiven und -praktiken entgegenzusetzen und schließlich Rassismus in all seinen Erscheinungsformen gemeinsam zu bekämpfen.
white awareness und Empowerment
Rassismus geht alle an, denn wer von Rassismus nicht negativ betroffen ist, wird durch ihn privilegiert. Rassismus findet in neokolonialen Kontexten weißer Vorherrschaft und weißer Dominanzkultur statt, er setzt weiße als Norm und ist damit keineswegs schlicht persönliche Einstellung, Vorurteil oder Ressentiment. Es ist offensichtlich, dass Rassismus Menschen entsprechend ihrer sozialen Positionierung – als weiße, PoCs/ migrierte Leute (…), als Menschen mit oder ohne Fluchterfahrung, als Illegalisierte, als Männer oder Frauen etc. – in sehr unterschiedlicher Weise betrifft. So müssen auch rassismuskritische Menschen, die aus einer weißen Perspektive sprechen, ihre eigene Privilegierung reflektieren und ihre weiße scheinbare „Normalität“ aktiv durchbrechen. Rassismus wird nicht allein durch guten Willen abgeschafft! Die Privilegierung der mehrheitlich weiß konstruierten Gesellschaft muss daher – soll Rassismus bekämpft werden – benannt und bekämpft werden.
Auf dem Camp soll ein Rahmen geboten werden, sich in geschützteren Räumen mit anderen PoCs/ migrantischen Leuten/ slawischen Leuten/ Sinti/ muslimischen Leuten/ Roma (…) auszutauschen und zu vernetzten. Wir wollen raus aus der Isolation und gemeinsam Strategien ausprobieren um wieder zu uns und zu unseren Kräften zu finden. Hierbei legen wir Wert auf herrschaftkritische Perspektiven und wollen zusammen die Diversität unserer Erfahrungen bündeln, um sie in starke Energien gegen Rassismus und gegen jegliche andere Formen von Herrschaft zu wenden.
WEITERE INFOS
Aktuelle Informationen unter: http://noborder.antira.info
Als Widerstand gegen das europäische Grenzregime finden seit den 1990er Jahren No Border Camps innerhalb und außerhalb der Europäischen Union statt und tragen transnationalen Protest sowohl in unmittelbare Grenzregionen als auch ins Zentrum der EU. No Border Camps bündeln öffentliche Aufmerksamkeit und rassismuskritische Kämpfe an den Brennpunkten der Migrationskontrolle. Sie eröffnen einen provisorischen, autonomen Raum zur Vernetzung von lokalen antirassistischen Kämpfen, zum Erfahrungsaustausch zwischen Aktivist_innen, für Reflexion und Diskussion. No Border Camps stellen den Versuch dar, durch gemeinsames Handeln der Vision „freedom to move – freedom to stay“ ein Stück näher zu kommen


¹ PoC – Person of Color / People of Color – Bescheibt einen gemeinsamen Rassismus-Erfahrungshorizont und stellt eine Möglichkeit der empowernden Selbstbezeichung dar. PoCs/ migrantische Leute/ Geflüchtete/ jüdische Leute (…) sind alles Selbstpositionierungen die als politische Kampfbegriffe (deswegen immer groß geschrieben – ähnlich wie Schwarz) besondere Wirkmacht haben. Wir wollen einer Gleichmacherei und Neuaufkommen von Fremdzuweisungen entgegentreten und versuchen somit immer auch andere mögliche Positionen mitzuschreiben. PoC ist mensch wenn mensch diesen Begriff für sich annimmt und füllt.
² weiß – Die Bezeichnung weiß und PoC/ Schwarz/ migrantische Leute (…) ist nicht in einem biologistischem Sinne gedacht , sondern weist auf die soziale Konstruktion entlang willkürlicher rassistisch konstruierter Merkmale hin. Bei weiß handelt es sich um eine dominante, sozial gelernte Position, die nie ablegbar ist und immer Wirkmacht hat (so wie sie unter nicht-rassistischen Verhältnissen ihre Bedeutung verlieren würde). Um die globalen Machtverhältnisse zu verdeutlichen und mindestens sprachlich umzukehren bzw. auf dessen konstruierten Charakter einzugehen, wird weiß immer klein und kursiv geschrieben.