Aktionstag zu Hartz IV, Ein-Euro-Jobs und Ausbeutung
Ein Bericht vom Wuppertaler Stadtrundgang zum Buß- und Bettag und Hartz IV
Am Mittwoch, den 16.11.2005 fand in Wuppertal, passend zum Buß- und Bettag, eine Demonstration mit anschließendem Stadtrundgang anlässlich Hartz IV, Ein-Euro-Jobs und Ausbeutung von Beschäftigten statt.
Der Buß- und Bettag ist deshalb so passend, da er für (evgl.) Christen für die Besinnung und Neuorientierung jedes/jeder Einzelnen steht. Für die Frage in wie weit der Mensch selbst in die Unordnung dieser Welt verstrickt und an den Ungerechtigkeiten dieser Gesellschaft beteiligt ist.
Der diesjährige Buß- und Bettag stand daher im Zeichen von Ein-Euro-Jobs und Hartz Geschichten.
Gegen 17 Uhr ging es in der Innenstadt an der Mina Knallenfalls, einer Statue vor den City Arkaden, los. Als erstes wurde ein Pavillion aufgebaut und Essen und Glühwein an PassantInnen gereicht. Wenig später ging es dann mit Redebeiträgen zum Buß- und Bettag, zu Zwangsumzügen und anderen Hartz Schweinereien weiter. Die Redebeiträge selbst kamen von einem mobilen Mina-Pedant welches eigens hierfür gefertigt wurde, um den Repressalien des Staatschutzes wegen „Reden auf unangemeldeten Versammlungen“ zu entgehen. Der Staatsschutz selbst war auch in nicht zu übersehender Anzahl vor Ort. Die Kriminalisierung jeglicher politischer Aktionen scheint hier langsam ein Trend zu werden, dem wir aber nicht tatenlos zusehen werden.
Nach den Redebeiträgen ging es dann mit einer Demo weiter zum Rathhaus, vorneweg mit dem aufgebauten Pavillion. Dies zog alle Blicke auf die Demo und amüsierte sowohl DemonstrantInnen wie auch PassantInnen, vorallem als es wegen den Weihnachtsmarktbuden ab und an sehr eng wurde. Auf dem Weg wurde dann noch ein Zwischenstopp bei einem Buß- und Bettagsgottesdienst gemacht, allerdings wollte von dort keinE KirchgängerIn mitkommen. Am Rathhaus gab es dann noch einen Redebeitrag zu den Sozialschnüfflern, die in Wuppertal neuerdings den „unkooperativen“ ALG-II EmpfängerInnen hinterher spionieren. Kurz bevor sich die Demo dann auflöste musste noch eine Bullenwanne die Gelegenheit nutzen mit Kampfmontur und Knüppeln den Absprung aus dem Wagen zu üben, um uns dann darauf hinzuweisen doch einen Weg für Kinderwägen freizumachen.
Nachdem die Demo dann in alle Richtungen verstreut war, begann der Stadtrundgang, bei dem verschiedenste Ausbeuter besucht wurden. Der erste Besuch galt der Wal Mart Filiale. Dort gab es Herzen, sowohl als Lebkuchen, als auch Luftballons, für die MitarbeiterInnen und einen Redebeitrag bezüglich verschiedensten (Ausbeutungs-)Praktiken die das Unternehmen an den Tag legt. Recht schnell fingen die Securities allerdings an rumzustressen und die Polizei zu rufen. Als wenig später alle das Gebäude verlassen hatten traf diese auch ein und begann regelrechte Hetzjagden auf die SpaziergängerInnen zu machen, wobei einige Personalien festgestellt wurden und eine Anzeige wegen Hausfriedensbruchs angekündigt wurde. Das wegen eines Redebeitrages solche Maßnahmen ergriffen werden ist in Wuppertal neu.
Einige Zeit später ging es dann zur nächsten Station, einer Lidl-Filiale in der Innenstadt. Auch hier gab es einen Redebeitrag zu den schlechten Arbeitsbedingungen und Ausbeutungsverhältnissen, und den MitarbeiterInnen wurden Blumen geschenkt. Diesmal schien die Polizei allerdings vorgewarnt gewesen zu sein und postierte kurz vor der Aktion eine Zivi-Wanne auf der gegenüberliegenden Strassenseite und hatte gleichzeitig Leute vor Ort (im Laden). Nach der Aktion kam es dann zu ähnlichen Hetzjagden wie nach dem ersten Besuch.
Aufgrund der massiven Polizeipräsenz ging es von da an dann unauffälliger zu anderen ausgewählten Orten weiter, an denen noch kleinere Aktionen stattfanden.
Wal Mart – Flugblatt
zu finden unter:
http://www.labournet.de/branchen/dienstleistung/eh/wal_busse.pdf
Flugblatt zu Zwangsumzügen
Die Wuppertaler ARGE und ihr Umgang mit angemessenem Wohnraum.
In Wuppertal werden BezieherInnen von ALGII oft rechtswidrig zur Senkung ihrer Miet- und Wohnungskosten aufgefordert. Über die bestehende Rechtslage erfolgt ebenfalls keine ausreichende Belehrung, sodass die Betroffenen oft hilflos der Willkür der ARGE ausgesetzt sind!
Seit der Einführung von den Hartz-Gesetzen, die die Arbeitslosen- und Sozialhilfe neu regeln, gelten bestimmte Parameter die die Angemessenheit einer Wohnung für eine Person festlegen. Das bedeutet, dass Menschen, die in einer zu großen oder zu teuren Wohnung leben aufgefordert werden, ihre vielleicht schon seit Jahren bewohnte Wohnung zu verlassen oder auf anderem Wege die Kosten zu senken, zum Beispiel Untervermietung (wobei hier die Frage aufgeworfen wird, in wieweit sich der Bedarfsgemeinschaftsstatus ändert). Innerhalb dieses Verfahrens gibt es für die Betroffenen durchaus noch Rechte, die in Anspruch genohmen werden dürfen und die die ARGE erfüllen muss. Wenn eine ALG II – Empfängerin zum Beispiel ihre Wohnung wechselt, darf diese auch teurer sein als die bisherige Wohnung, solange sich die Miete innerhalb der Grenzen für Mietzuschüße befindet. Die ARGE muss auf jeden Fall die neue Miete übernehmen. Umzugskosten müssen ebenfalls von der ARGE übernomen werden, wenn der Umzug aufgrund einer Aufforderung der ARGE erfolgt. Und was den Betroffenen auch gewährt werden soll, ist eine umfangreiche Beratung und Rechtsfolgebelehrung, die die ARGE laut Gesetz durchführen muss.
Die Wuppertaler ARGE tut sich jedoch bei der Verfolgung solcher “Vergehen” als besonders eifrig hervor und vergisst dabei leider oft, die Interessen und Rechte der Betroffenen zu erfüllen. Im bundesweiten Verglech geht keine ARGE so restriktiv mit den Unterkunftskosten um wie die hiesige. Nach einer Schätzung von Tacheles e.V. leben in Wuppertal etwa 5800 Menschen in nicht angemessenen Wohnungen. Von denen müssten theoretisch alle einen Bescheid zur Senkung der Kosten erhalten. Nach offiziellen Angaben der ARGE erhielten lediglich 450 Haushalte eine solche Aufforderung, inoffiell liegt die Zahl vermutlich deutlich höher. Wie regide und teilweile rechtswidrig die Praxis der Wuppertaler ARGE aussieht, sollen die folgenden Beispiele deutlich machen:
Einer Person wurde beschieden, weil ihre Miete 7,23 € teurer und die Wohnung um 5,35 qm größer war als der für angemessen gehaltene Wohnraum von 45qm und 222,75 € Kaltmiete. Der Rest muss von der Grundsicherung bezahlt werden.Frist: 3Monate
Einer Person wurde beschieden, weil ihre Wohnung 3qm zu groß und 23,25€ zu teuer war. Auch hier das gleiche wie oben. Frist: 4Monate
Eine Person geht der Aufforderung zum Umzug nach und sucht sich eine neue Wohnung. Diese wird von der ARGE auch genehmigt, doch verweigert diese die Übernahme der Umzugskosten, weil angeblich seit dem 01.05.05. die Kosten von den Mietern übernommen werden müssen. Tatsächlich hat sich aber bundesweit an diesem Stichtag nichts verändert und die ARGE wäre verpflichtet, die Kosten zu übernehmen, da zum einen die ARGE zum Umzug aufgefordert hat, und zum anderen die Wohnung auch von ihr genehmigt wurde. Also ist der Bescheid rechtswidrig.
Des weiteren werden die Bescheide mit Fristen von unter einem Monat bis zu 5 Monaten verschickt. Somit werden teilweise Fristen gesetzt, die unter der gesetzlichen Frist zur Kündigung einer Wohnung liegen.
Dabei sind diese Aufforderungen aus mehreren Gründen rechtswidrig. Zum einen existierte zu dem Zeitpunkt der Verschickung der Aufforderungen in Wuppertal keine neue Richtlinie, die auf die neuen Gesetzte abgestimmt ist. Das verstößt gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art.3 Abs.1 GG der besagt, dass die Verwaltung angehalten ist, in gleichartigen oder ähnlich gelagerten Fällen das Recht insbesondere bei unbestimmten Rechtsbegriffen nicht ohne sachlichen Grund unterschiedlich anzuwenden. Konkret bedeutet dies, da es sich bei den meisten Fällen um Überschreitungen von den angemessenen Unterkunftskosten handelt, dass beispielsweise die Fristen einheitlich und angemessen gesetzt werden müssen. Aus sachlichen Gründen lassen sich keine Fristen unter einem Monat zur Senkung der Unterkunftskosten erklären!
Zum anderen suggeriert die ARGE mit ihren Bescheiden mit Auforderungen zum Umzug, dass sie das Recht habe, dazu aufzuforden. Doch die Rechtslage ist in diesem Fall eindeutig: Wenn ALG II EmpfängerInnen nicht umziehen oder anderweitig die Kosten senken, bleibt der ARGE als Sanktion nur die Minderung der Mietzahlung auf das Mindestniveau, wobei auch hier, wie bei vielen anderen Sanktionen, keine Verpflichtung besteht, diese zu verhängen! Sie kann gar nicht zu einem Umzug auffordern oder gar einen Zwangsumzug androhen! Die ARGE gibt damit vor Rechte zu haben, die sie de facto nicht besitzt. Dadurch werden die LeistungsbezieherInnen falsch infomiert und eingeschüchtert. Ihnen wird auch keine ausreichende, wie vom Gesetztgeber vorgesehene Beratung und Rechtsfolgebelehrung seitens der ARGE angeboten. Dass kann unter Umständen zu erheblichen finaziellen Einbußen führen, wenn zum Beispiel nicht darüber aufgeklärt wird, dass die Umzugskosten nur dann übernommen werden, wenn die ARGE die neue Wohnung vorher genehmigt. Ansonsten verfällt das Recht auf Erstattung.
Neben den bereits genannten rechtswidrigen Zuständen gibt es noch datenrechtlich bedenkliche Anforderungen von Daten der Betroffenen, die nicht unmittelbar für die Feststellung des Bedarfs notwendig sind. Zum Beispiel spielt für die Genehmigung einer Wohnung keine Rolle, ob diese noch eine Gästetoilette hat oder nicht. Gefragt wird trotzdem danach. Die ARGE greift im großen Umfang in die Privatsspäre der Menschen ein, unterstützt durch die Kontrolleure der Arbeitsagentur.
Es lässt sich festhalten, dass im bundesweiten Vergleich die Wuppertaler ARGE am restriktivsten mit den Kosten der Unterkunft (KdU) umgeht. In keiner anderen Kommune werden Bescheide wegen Kleinigkeiten verswchickt und auch teilweise sogar rechtswidrig. Toleranzen und Ermessensspielräume, die dieses neue “Sozial” gesetzt zulässt, werden von der ARGE gar nicht oder nur zum Nachteil der Betroffenen ausgenutzt. Dadurch entstehen unnötige Härten für Menschen, die sowieso schon dank der Poltik und der Medienberichterstattung an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden sollen und sich für ihre Situation pausenlos rechtfertigen müssen.
Menschen die Erwerbslos sind, haben genauso Anspruch auf eine menschenwürdige Behandlung. Art. 1 GG besagt nicht umsonst, dass die Würde des Menschen unantastbar ist. Schließlich wird auch nicht überprüft, was die ARGE MitarbeiterInnen mit ihrem Gehalt machen, obwohl es sich dabei auch um öffentliche Gelder handelt. Genau wie bei den ALG – Geldern.
Flugblatt zu Lidl
Der Heilige Prekarius ist heute
in Lidl Supermärkten in Wuppertal zu Gast!
Freuet Euch, aber freuet euch nicht zu früh!!
Ihr sollt nicht wähnen, dass ich gekommen sei, Frieden auf die Erde zu
bringen. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert.
(Ich bin der Trompeter von Jericho und der heilige Prekarius schickt mich
zu schauen, ob ich auch hier Kraft meiner Trompete Mauern zum Einstürzen
bringen muss.)
Liebe Beschäftigte, fürchtet euch nicht!
Wir sind geschickt vom Heiligen Prekarius, der heute die Stadt Wuppertal
besucht. Wir suchen die Geschäftsführung und den Vorarbeiter oder die Vorarbeiterin dieses
Lidl-Supermarktes. Wo hat er sich versteckt? Die Dreifaltigkeit ist abgesandt worden, um der hiesigen Geschäftsleitung ein klitzekleines Ultimatum zu stellen.
Wir haben schlimme Dinge von Lidl gehört!
Unter dem Motto „LIDL ist billig!“ wächst der Einzelhandelsriese in ganz
Europa und fährt dabei prächtige Gewinne ein. Doch diese Billig-Strategie
geht auf Kosten von Mensch und Umwelt:
LIDL- MitarbeiterInnen werden
* zu Überstunden gezwungen,
* durch unangekündigte Testkäufe gestresst,
* regelmäßig wegen „Diebstahlverdachts“ durchsucht
* und bei Kritik oder Organisierung schnell entlassen.
Billig auf Kosten der Beschäftigten
Bis heute: gibt es nur in 8 von 2.600 Filialen Betriebsräte. Wenn wie in München sich die Beschäftigten trauen, einen Betriebsrat zu wählen, werden die AktivistInnen fristlos entlassen.
In Calw wurde sogar die Schliessung der Filiale durchgesetzt. „Grund“: Die Filiale sei nicht mehr zeitgemäss. Das bedeutet das Aus für die 15-köpfige Belegschaft mit Betriebsrat.
Der Heilige Prekarius ist sehr zornig .
er möchte wissen, wer dafür verantwortlich ist, wer schikaniert die Beschäftigten, wer drangsaliert und bedroht die VerkäuferInnen. Entlastet euer Gewissen und eure Herzen. Wie heißt der Ungläubige, der da wagt die Menschenwürde mit Füssen zu treten, der wagt die Betriebsratswahl zu verhindern, der da so keck Taschenkontrollen durchführt?
Der Heilige Prekarius ist sehr neugierig
Wie sieht er aus, wo ist sein Haus, welcher Name steht an seinem Klingelschilde, welches Auto steuert er nach Haus. Der Heilige Prekarius möchte alles wissen. Wenn ihr Klage führen wollt, aus dem Verborgenen und im Gebet, dann saget und schreibet uns, was euch
widerfahren ist.
Der Heilige Prekaris liest gerne e-Mails:
Schreibt anonym an Mina-knallenfalls@web.de
oder schreibt bei http://www.verdi-blog.de/lidl/
Der Heilige Prekarius ist sehr ungeduldig
Er sagt zur Geschäftsleitung, ich gebe euch 4 Monate Zeit und bis dahin
müssen sich Dinge zum Besseren entwickeln.
Der Heilige Prekarius ist sehr gnädig.
Wenn bis zum 2. Advent in diesem Lidl-Markt ein Betriebsrat gewählt ist,
die Überstunden freiwillig bezahlt werden, die Testkäufer nie wieder auftauchen
und das Betriebsklima zu aller Zufriedenheit gediehen ist, dann sagen
wir euch die Absolution zu. Dann ist die Geschäftsleitung frei von Sünde, und der
Heilige Prekarius wird an eurer Weihnachtsfeier teilnehmen.
Der Heilige Prekarius kann aber auch sehr böse sein
Dann helfen dann auch keine Gebete mehr, sondern nur noch Wunder wie es im
Evangelium des Matthäus geschrieben steht:
Heilet Kranke, weckt Tote auf, reiniget Aussätzige, treibet Dämonen aus!
Umsonst habt ihr es empfangen, umsonst gebet es!
Solidarische Grüße an die Lidl-Belegschaften in München und Calv
Es grüßt euch der Heilige Prekarius und seine konsum- und kapitalismuskritische Himmelsschar
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