Offener Bürgerantrag an die Bezirksvertretung Wuppertal-Elberfeld
Für ein würdiges Umgehen mit den Opfern des Nationalsozialismus in Wuppertal!
Für eine Rita und Yzchok Gerszt-Treppe!
Im Vorfeld der Gedenkfeier für die Opfer des Wuppertaler Konzentrationslagers Kemna wenden wir uns öffentlich an die Bezirksvertretung Elberfeld.
Vom 19.-25. Juni 2008 wird die ehemalige Wuppertalerin, die Holocaust-Überlebende Stephanie Gerszt – Furman mit ihrer Tochter auf Einladung des „Vereins zur Erforschung der Sozialen Bewegungen im Wuppertal“ zum ersten Mal nach dem Zweiten Weltkrieg Deutschland besuchen. Sie wird am 21. Juni 2008 an der Gedenkfeier für die Opfer des KZ Kemna teilnehmen. Die US-Amerikanerin Stephanie Gerszt ist die Tochter der jüdischen Wuppertaler Widerstandskämpfer Yzchok and Rita Gerszt, die im Zuge der Wuppertaler Gewerkschaftsprozesse verfolgt und später in Auschwitz bzw. Bernburg von den Nazis ermordet wurden. Die damals 5 jährige Stephanie Gerszt konnte bei der Verhaftung ihrer Mutter durch die Gestapo in Brüssel in letzter Minute fliehen und überlebte die NS-Zeit versteckt in belgischen Waisenhäusern. 1947 wurde die Waise von ihrem Großonkel in die USA geholt.
Es ist uns eine große Ehre und Verantwortung, vom 19. Juni bis zum 25. Juni 2008 die Stephanie Gerzst-Furman in Wuppertal begrüßen zu dürfen. Stephanie Gerzst-Furman wird auf Einladung unseres Vereins zum ersten Mal wieder Deutschland besuchen und unser Geschichtsverein wird versuchen, ihr die vergessenen Orte des jüdischen Lebens und der Wuppertaler Arbeiterbewegung zu zeigen.
Im Vorfeld des Besuchs haben wir leider erfolglos versucht, eine Ehrung und Würdigung der ermordeten Widerstandskämpfer anzuregen. Ausgerechnet im Kemna-Erinnerungsjahr ist eine Ehrung der beiden jüdischen Widerstandskämpfer aus der Wuppertaler Arbeiterbewegung in der Bezirksvertretung Elberfeld gescheitert. Eine Benennung einer noch namenlosen Elberfelder Treppe nach Yzchok and Rita Gerszt, die direkt an der Treppe in der Reiterstr. 3 bis 1936 gewohnt hatten, wurde mit folgender Begründung verwehrt:
„Der Bezirksbürgermeister teilt mit, dass nach Rücksprache mit dem zuständigen Sachbearbeiter dringend davon abgeraten werde, diese Benennung
zu beschließen. So sei diese Familie nur eine von ca. 1200 ermordeten Familien in Wuppertal. Sich hiervon eine auszusuchen sei nicht ratsam.“
(Bezirksvertretung Elberfeld 2.4.2008
Wir halten diese Begründung für skandalös und im höchsten Maße für unverständlich. Vor dem Hintergrund der Kemna-Gedenkfeier fragen wir uns, welcher Mitarbeiter der Stadt Wuppertal eigentlich dringend davon abrät, einzelne Opfer des Naziterrors, stellvertretend für so viele, durch eine Straßenbenennung zu ehren? Hat der Bezirksbürgermeister wirklich Angst davor, dass Angehörige der über 1200 ermordeten jüdischen Familien ein Gedenkzeichen oder eine Straßenumbenennung in Wuppertal einfordern? Diese peinliche Variante von Schuldabwehr sollte uns WuppertalerInnen auf den Plan rufen, endlich für würdige Erinnerungszeichen für die Wuppertaler Opfer des Nationalsozialismus zu sorgen Im Vergleich zu anderen vergleichbaren Großstädten gibt es erheblichen Nachholbedarf, was die aktive Erinnerung an die Opfer der Nationalsozialisten angeht.
Zum 75. Jahrestag der Eröffnung des KZ Kemna sei besonders daran erinnert, das bis heute eine Gedenktafel an dem Fabrikgebäude fehlt, in dem eines der ersten Konzentrationslager in Nazi-Deutschland eingerichtet war. Die Älteren werden sich sicher erinnern, es hat 50 Jahre gedauert, bis in Wuppertal ein Erinnerungszeichen für das unvorstellbare Leiden der Kemna- Opfer politisch durchsetzbar wurde. (Nur an dem Denkmal im Deweertschen Garten durfte der Name Kemna eingraviert werden.)
Die Überlebenden des KZ Kemna und mit ihnen, Jugendverbände und Gewerkschaften, hatten Jahrzehnte vergeblich für einen würdigen Erinnerungsort gestritten. Obwohl das Gebäude des ehemaligen KZ gut erhalten war, der historische Ort der Folter und Demütigung nicht zerstört war, und sich aus den Akten ergab, das ein Nebengebäude sogar durch Häftlingsarbeit gebaut wurde, gab es keine Chance, an dem Ort selbst eine würdige Gedenkstätte und ein Dokumentationszentrum für den Wuppertaler Widerstand aufzubauen. Man musste 1983 auf eine gegenüberliegende Böschung ausweichen und das in einem Schülerwettbewerb entstandene Mahnmal musste aus Spendengeldern finanziert werden. Die Privatbesitzer der Fabrik hatten sich sogar geweigert, eine Gedenktafel zuzulassen und manche WiderstandskämpferInnen wurden von den „Hausherrn“ einfach weggejagt.
Als ob es in diesem Land keinen Denkmalschutz gibt, konnte der historische Ort vom Besitzer entkernt und baulich verändert werden. Die Spuren des KZ sollten verschwinden, die Wuppertaler Öffentlichkeit sollte sich kein Bild machen können.
Auch das alte Gestapo- und Polizeigefängnis an der Bachstrasse, dem einzig erhalten gebliebenen historisch authentischen Ort für die frühen NS-Jahre in Wuppertal, ist ohne Gedenkzeichen und wird dem Verfall preisgeben und soll abgerissen werden.
Bis auf die Straßenbenennungen nach Karl Ibach, Oskar Hoffmann, Otto Böhne und Friedrich Senger gibt es keine weiteren Erinnerungszeichen und Straßennamen für die die Wuppertaler NS-Opfer aus der Arbeiterbewegung. Jüdische WiderstandskämpferInnen wurden noch gar nicht geehrt.
Wir möchten Sie daher bitten, uns bei der Durchsetzung der Straßenbenennung
zu unterstützen.
Wir fordern die Ehrung der Wuppertaler Widerstandskämpfer Yzchok and Rita Gerszt durch die Benennung einer Treppe in der Elberfelder Nordstadt. Wir schließen uns damit an den Antrag der Bündnis 90 /Die Grünen Fraktion an.
„Die Bezirksvertretung möge beschließen:
Die Treppe zwischen der Plateniusstrasse und der Reiterstrasse wird benannt und erhält den Namen „Rita und Yzchok Gerszt-Treppe“
Unterstützungsunterschriften bitte an info@wuppertaler-widerstand.de
ErstunterzeichernerInnen:
Verein zur Erforschung der sozialen Bewegungen im Wuppertal, Prof. Heinz Sünker, ASTA der Bergischen Universität Wuppertal, Spurensuche NS-Geschichte in Wuppertal e.V.
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