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Autonome Politik

[NRW] Bericht zur 4. Vollversammlung für autonome Politik

Am 30. Januar 2011
fand die mittlerweile vierte Vollversammlung für autonome Politik in NRW
diesmal im Autonomen Zentrum in Köln statt. Schwerpunkt der
Vollversammlung war der Themenkomplex „Soziale Kämpfe“.
Exemplarisch wurden einige Teilbereiche in diversen Arbeitsgruppen
diskutiert und auch weitergehende Vernetzungen initiiert. Leider kam
es nicht zu einer zusammenführenden Diskussion der verschiedenen
Teilbereichskämpfe. Die nächste AVV NRW findet am Sonntag den
27.03.2011 um 12 Uhr im AZ Mülheim statt.

 

Mit der mittlerweile
vierten gut besuchten Autonomen Vollversammlung in NRW setzt sich die
im August 2010 in Wuppertal begonnene Vernetzung in NRW erfolgreich
fort, auch wenn in Sachen Inhalte und Ablauf der Treffen noch
experimentiert wird.

Mit einer Verspätung
begann die Vollversammlung mit einer Vorstellungsrunde, der zu
entnehmen war, dass wieder mehrere Städte NRWs vertreten waren und
auch wieder einige neue Menschen. Zu Beginn des Treffens gab es neben
einigen organisatorischen Dingen ein paar Terminankündigungen für
die nächsten Monate. Insbesondere wurde angekündigt, dass derzeit
Planungen für einen Kongress für autonome Politik (ähnlich dem autonomen Kongress 2009 in Hamburg) vermutlich im Juni 2011 laufen.

Die FAU kündigte eine
neue Kampagne gegen Leiharbeit für dieses Frühjahr an und lud zur
Beteiligung ein. Infos unter: http://www.leiharbeit-abschaffen.de/.

Die Kölner Vorbereitungsgruppe kündigte eine Kongress für Mehr Kollektive! vom 18.-20. Februar an.

Eine Gruppe plant derzeit
ein zweites Macker-Massaker mit zahlreichen Workshops rund um
Männlichkeit(en), Mackertum & (Anti-)Sexismus im AZ Mühlheim
für den 2.-5. Juni 2011.

Das Autonome Zentrum Köln
lud herzlich zu einer Nachttanzdemo am 15. April
und einem Wochenende mit viel Politik, Kunst und Kultur vom 15.-17.
April nach Köln
anläßlich des dann hoffentlich 1-jährigen
Bestehens des besetzten AZ ein.

Es wurde darauf
hingewiesen, dass auf dem Blog für Autonome Politik NRW
(http://autonomepolitiknrw.blogsport.eu
) die Möglichkeit besteht Termine öffentlich bekannt zu geben und
sich so gegenseitig zu informieren.

 

Diskussionen in den
Arbeitsgruppen

Die Diskussion zum
Schwerpunktthema Soziale Kämpfe wurde in vier verschiedenen
Arbeitsgruppen zu unterschiedlichen Teilbereichskämpfen geführt.

 

1.Arbeitsgruppe: Recht
auf Stadt

Die Arbeitsgruppe zum
Thema Recht auf Stadt hat sich gesplittet in zwei Teile.  Die erste Gruppe hat sich
mit dem Thema Wohnen beschäftigt und über die Möglichkeiten
Wohnprojekte zu gründen, die Chancen von Besetzungen, die
Einrichtung von Leerstandsmeldern Gedanken gemacht. Kritisch hat
mensch sich mit der Frage beschäftigt, inwieweit Wohnprojekte
Einfluss auf die Aussenwelt nehmen oder in Isolation geraten, wobei
betont wurde, dass das Wohnprojekte als Selbstzweck stets legitim
sind. Auch wurde die Idee aufgegriffen den „Mehr
Kollektive!“-Kongress
auch in anderen Städten in NRW zu
exportieren.

Die zweite Gruppe hat
sich mit Stadtgestaltung im weiteren Sinne beschäftigt und sich
Fragen zur möglichen Einflussnahme auf Gentrifizierungsprozesse oder
auch zur Verhinderung konkreter Bauprojekte gestellt. Themen waren
unter anderem die Vernetzung unterschiedlicher Projekte zur
gemeinsamen „Übernahme“ von Stadtteilen mit anderen
marginalisierten Gruppen. Aus der Arbeitsgruppe ist der Ansatz einer
NRW-Vernetzung zu dem Thema hervorgegangen. Ein nächstes Treffen
dafür wäre der 17.April 2011 im Autonomen Zentrum Köln.

 

2. Arbeitsgruppe:
HartzIV, Prekarisierung und Leiharbeit

1) Leiharbeit

Seit zwei Jahren läuft
die Kampagne Leiharbeit Abschaffen (www.leiharbeit-abschaffen.de)
branchenübergreifend mit Schwerpunkt Dienstleistungssektor.
Verschiedene Aktionsformen (Besuch Leiharbeitsfirmen /-messen)

Kontakt zu anderen
entsteht häufig über Beratung vor Ort und über Plattformen wie
www.chefduzen.de

Einige Details: Zunächst
1972 im Arbeitnehmerüberlssungsgesetz geregelt, dass nicht länger
als ein halbes Jahr in der gleichen Firma (um Verdrängung von
„regulärer“ Arbeit zu begrenzen). Danach schrittweise
aufgeweicht: seit 2004 kann mensch als LeiharbeiterIn bis zu zwei
Jahre im selben Betrieb beschäftigt werden. Trotz Grundsatzes des
„equal pay“ (Gleiche Bezahlung) haben sich die Entlohnung und die
Arbeitsbedingungen für LeiharbeiterInnen kontinuierlich
verschlechtert.

Auseinandersetzungen um
Arbeitsbedingungen werden darüber ausgehebelt/erschwert, dass
aufbegehrende LeiharbeiterInnen einfach in eine andere Firma
verliehen werden. Gewerkschaften konzentrieren sich fast
ausschließlich auf Stammbelegschaften. Teilweise schließen sie
sogar Tarifverträge ab, die schlechtere Konditionen festschreiben
und den „equal pay“ aktiv unterlaufen.

 

a) Gegenwehr am Beispiel
der Flugzeugreinigung *Klüh* in Düsseldorf

Ähnlich wie bei
Schlecker werden MitarbeiterInnen bei formaler Betriebsschließung in
einer Leiharbeitsfirma neubeschäftigt. Vorteil für die Firma:
billiger, flexibler ohne Know-How zu verlieren (siehe Informationen
auf labournet:

http://www.labournet.de/branchen/dienstleistung/rg/index.html).

 

b) Geld einfordern

Diejenigen
LeiharbeiterInnen, die (egal wie kurz) in den letzten 3 Jahren bei
einem Sklavenhändler beschäftigt waren, der im Christlichen
Gwerkschaftsverband CGZP organisiert war, können Kohle zurückfordern
(Betroffen sind 280.000 Sklaven / Ex-Sklaven) Hier ist Beratung
notwendig.

 

2) Wo liegen
Gemeinsamkeiten mit dem Kampf gegen Entrechtung am Jobcenter ?

– bei beiden: Kämpfe
gegen Schikane und Entwürdigung

– über 3 Mio
AufstockerInnen (Leute die trotz Beschäftigung oder Selbständige
Arbeit unter HartzIV verdienen und daher Anspruch auf
Zusatzleistungen haben)

– bei beiden ist die
Armutsdrohung von HartzIV bzw. die Kürzung auf Null im Rahmen von
HartzIV

– in beiden Fällen
eignet sich eine Anlaufstelle mit Beratungsangebot um einen
Erfahrungsaustausch zu offensive Selbsthilfe bei LeiharbeiterInnen
ungleich schwerer, da die „Verleihfirma“ kein gemeinsamer Ort der
Zusammenkunft ist.

 

Aktionsformen:

-offensive, solidarische
Selbsthilfe im Rahmen von Selbstorganisierung

– die Idee der
„Begleitung“ von Erwerblosen auf dem Amt lässt sich nicht 1:1
übertragen

– Druck auf exponierte
Beschäftigte im Jobcenter bzw in der Leiharbeitsfirma

– Leiharbeitsmessen in
den Jobcentern

Gemeinsame Erfahrung: Wir
nehmen viele bereits existierende Auseinandersetzungen nicht wahr !!!
Dabei ist es viel einfacher, mit Leuten, die sich bereits wehren,
zusammenzukommen, als irgendwo Widerständigkeit zu „säen“.

 

Um über gemeinsame
Aktionen (LeiharbeiterInnen und Erwerbslose) z.B. auch die Idee von
Workers+Nonworkers Center weiter zu diskutieren wurde ein
Folgetreffen vereinbart.

 

 

3. Arbeitsgruppe:
Anti-Knast Arbeit

Die Arbeitsgruppe hat
sich zunächst mit der Frage beschäftigt, warum uns meistens der
Zugang zum Thema Knast fehlt. Solidarität gibt es oft nicht mit der
Tat, sondern bloß mit dem Zustand im Knast.

Dabei ist Knast ein
Instrument im Klassenkampf, ein Repressionsinstrument. Die
Berührungsängste mit Inhaftierten ignorieren ihre soziale Rebellion
und die bestehenden Parallelen zum Repressionssystem Hartz 4 und
deren Schnittpunkte.

Wunsch der Arbeitsgruppe
ist es, dass das Thema Knast bei anderen Aktionsformen und Kämpfen
häufiger mitgedacht und auch thematisiert wird, dass zunächst eine
Öffnung für das Thema beginnt und die Ignoranz überwunden wird und
dass auch andere Konfliktlösungsvorschläge thematisiert und
diskutiert werden.

Die Organisation von
Anti-Knast-Tagen im Sommer wurde angedacht, aber noch nichts
konkretes vereinbart.

 

4. Arbeitsgruppe:
Transnationale Solidarität (am Beispiel Ägypten/Tunesien)

Als erste und evtl.
größte Schwierigkeit transnationale Solidarität auszudrücken,
wurden massive Informationsdefizite diskutiert, die sich vor allem in
der selektiven Wahrnehmung bis verfälschten Darstellung der
inländischen/westlichen Medienberichterstattung und dem schwierigen
Zugang zu anderen Quellen (u.a. wegen Sprachbarrieren) begründen.
Doch auch so kann mensch einen anderen gesellschaftlichen Diskurs
unterstellen unter anderen ökonomischen, politischen und kulturellen
Bedingungen. Ein erster Schritt hin zu mehr transnationaler
Solidarität wären daher Informationsveranstaltungen.

Als Ansätze für
Solidaritätsaktionen hier wurden drei inhaltliche Ebenen
identifiziert: 1) Die globalen Zusammenhänge im Kapitalismus und
deren Auswirkungen vor Ort (Armut, Arbeitslosigkeit, Elend als
Hauptmotive etc.) 2) Die verfälschte mediale Darstellung hierzulande
3) Die Nähe der inländischen Repressionsorgane und anderer
(wirtschaftlicher) Akteure zu den jeweilig attackierten
Regimen/Autokraten.

Ein Zögern in der
Auseinandersetzung mit den aktuellen Protesten wurde auch in
bestehenden „Berührungsängsten“ mit dem arabischen Raum
diagnostiziert.

 

Abschlussplenum

Für die nächste
Autonome Vollversammlung NRW gab es unterschiedliche
Gestaltungswünsche. Insbesondere wurde deutlich, dass die Aufteilung
in so unterschiedliche Arbeitsgruppen (zu so unterschiedlichen
Sozialen Kämpfen) ungünstig für eine gemeinsame Diskussion im
großen Plenum ist und sich eine größere thematische Zentrierung
gewünscht.

Um mehr Zeit, sowohl für
gemeinsame Diskussion als auch Arbeitsgruppen zu haben, wurde
entschieden, dass die nächste AVV schon um 12 Uhr und pünktlich
beginnen soll (bis ca. 18/19Uhr).

Inhaltlich wurde kein
Thema für das nächste mal festgelegt. Stattdessen sind alle
aufgerufen Vorschläge an den (neuen) Vorbereitungskreis zu senden.
Dieser kann nach einer Vorauswahl einen Vorschlag machen (max. 3
Themen). Es gab den Wunsch insbesondere aktuell anstehende Ereignisse
und Aktionen aufzugreifen.

Die nächste
Vollversammlung für Autonome Politik in NRW findet am Sonntag den
27.03.2011 um 12 Uhr im AZ Mülheim statt. Um Verschickung einer
Einladung 3-4 Wochen im Voraus wird gebeten, damit Gruppen genug Zeit
zur Vorbereitung haben.

Zur Lektüre für eine
weitere Auseinandersetzung mit autonomer Politik wurde der Text
„Hoffnung, Militanz, Perspektive“ aus der Weihnachtsausgabe der
interim (nr 721) empfohlen.

 

 

http://autonomepolitiknrw.blogsport.eu/