Kategorien
Antirassismus & Migration

Antirassistische Demonstration am 14. April in Düsseldorf

Abschiebungen stoppen! Den rassistischen und antiziganistischen Normalzustand brechen!
Deutschland und die anderen Staaten der Europäischen Union sind keineswegs der Hort von Demokratie und Menschenrechten, wie dies in allerlei Sonntagsreden von Politiker_innen aller Parteien gerne propagiert wird.
Deutschland schiebt ab und zwar in Länder, in denen die Abschiebehäftlinge bittere Armut, Gewalt, Obdachlosigkeit und oft genug auch politische oder rassistische Verfolgung, Folter oder Todesstrafe erwarten. Beispiel gefällig?
– In den letzten Jahren schob Deutschland mehrere Tausend Sinti und Roma in den Kosovo ab. Dort leben sie zumeist in Slums, haben oftmals keinen Zugang zu medizinischer Versorgung und werden von der Mehrheitsbevölkerung vielfach rassistisch diskriminiert. Die Siedlungen der Roma liegen teilweise direkt auf Müllkippen oder mit Chemikalien verseuchtem Boden und können von den Bewohner_innen nicht gefahrlos verlassen werden.(1) Dieses Vorgehen ist aus zwei Gründen besonders perfide: Erstens wegen der nationalsozialistischen Vergangenheit: Deutschland ermordete während des NS 500000 Sinti und Roma systematisch in den Vernichtungslagern. Zweitens wegen der unrühmlichen Rolle, die die NATO-Staaten in den Balkan-Kriegen spielte: Im Kosovokrieg 1999 wurde von der NATO die rechtsautoritäre UCK an die Macht gebombt. Dies hatte zur Folge, dass sich die Situation der dort lebenden Roma massiv verschlechterte. Anschließend unterzeichnete die neue kosovarische Regierung auf Druck Deutschlands ein „Rückführungsabkommen“, dass sie zur Wiederaufnahme ehemaliger Flüchtlinge (va. Roma) verpflichtete.
– Ebenfalls ein Rückführungsabkommen schloss die Bundesregierung mit Syrien. Ungeachtet der Tatsache, dass die Bundesregierung die Gewalt des syrischen Regimes gegen die Bevölkerung offiziell verurteilt, wurden allein 2011 160 Abschiebungen nach Syrien angemeldet und mindestens 10 durchgeführt. Mehrere Fälle sind bekannt, in denen die dorthin Abgeschobenen direkt in Folterknästen verschwanden.(2)
– Seit 1997 haben die deutschen Behörden für 3.043 iranische Flüchtlinge die Abschiebung in den Iran und für 19 Flüchtlinge die Abschiebung in einen “sicheren Drittstaat“ angeordnet. In mehreren Fällen wurden abgeschobene Iraner_innen gesteinigt oder auf andere Weise hingerichtet.(3)
Damit steht die Praxis der Rückführungen eindeutig im Gegensatz zu Art. 19 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, welcher besagt, dass kein Mensch in ein Land ausgewiesen werden darf, in dem er eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu befürchten hat.
Dass wir gerade in Düsseldorf dagegen demonstrieren wollen, ist kein Zufall: Der Düsseldorfer Flughafen ist deutschlandweit der zweitgrößte Abschiebeflughafen (nach Frankfurt am Main). Von hier aus gehen regelmäßig Charterflüge insbesondere mit Roma nach Serbien oder in den Kosovo.
Abschiebungen stellen jedoch nur einen kleinen Teil des Unrechts dar, das an (potentiellen) Migrantinnen und Migranten begangen wird: Denn nur der kleinste Teil von ihnen schafft es die „Festung Europa“ überhaupt zu betreten. Die meisten von ihnen werden bereits an den EU-Außengrenzen abgehalten. Zur Umsetzung dieser menschenverachtenden Praxis hat die EU sogar eine eigene Grenzschutzagentur, genannt Frontex, erschaffen. Seit 1980 starben über vorsichtigen Schätzungen zu Folge über 7000 Flüchtlinge an den EU-Außengrenzen. Die Dunkelziffer dürfte erheblich höher sein, manche Schätzungen gehen von bis zu 14000 Toten aus! Die meisten von ihnen ertranken beim Versuch, von Nordafrika aus das Mittelmeer zu überqueren. EU-Grenzschützer_innen schicken die Boote regelmäßig unter Androhung von Gewalt aufs offene Meer zurück. Diese Todesopfer sind also keine tragischen Unfälle, sondern müssen als systematischer Massenmord bezeichnet werden!(4)
Leider kann die unmenschliche Abschiebe- und Grenzschutzpraxis Deutschlands und der EU nicht als das Werk einiger Berufsrassist_innen in Ausländer-und Grenzschutzbehörden abgetan werden. Bei einem nicht unerheblichen Teil der “ganz normalen deutschen” Bevölkerung stößt diese Politik nämlich auf Zustimmung; rassistische Vorurteile, insbesondere gegen Sinti-und Roma sind immer noch weit verbreitet. In einer Studie gaben etwa 40% der Befragten an sie stimmten eher oder voll und ganz der Aussage zu: “Ich hätte ein Problem damit, wenn sich Sinti und Roma in meiner Gegend aufhalten”. (5)
Rassismus, insbesondere Vorurteile gegen Sinti- und Roma, sind eng mit Leistungszwang und Arbeitswahn verbunden. Entweder wird behauptet Migrantinnen und Migranten würden nicht arbeiten oder es wird ihnen gerade vorgehalten, dass sie „Deutschen“ die Arbeitsplätze weg nehmen. Nicht nur werden Menschen damit pauschal bestimmte Eigenschaften zugeschrieben, die meist angeblich mit ihrer „Natur“, also ihren Genen, zu tun haben, ihnen wird gleichzeitig abgesprochen etwas anderes sein zu dürfen, als förderlich für den Wirtschaftsstandpunkt Deutschland.
Wir fordern:
– medizinische und sonstige Versorgung für alle Flüchtlinge
– Unterbringung der Flüchtlinge in eigenen Wohnungen statt Zusammenpferchung in Flüchtlingsheimen
– die Auflösung der Abschiebe- und Grenzschutzagentur Frontex
– einen sofortigen und dauerhaften Stopp aller Abschiebungen
– eine Öffnung der Grenzen Europas. Jeder Mensch hat das Recht sich frei zu bewegen.
– eine Auseinandersetzung mit dem Rassismus der deutschen Bevölkerung
Infos: http://allebleiben.blogsport.eu/
_________________________________________________
(1): Alle bleiben: 9 Argumente für ein Bleiberecht der Kosovo-Roma. http://www.alle-bleiben.info/texte/9%20Argumente_lang.pdf
(2): Pro Asyl: Presseerklärung, 25.05.2011 zum Rückführungsabkommen mit Syrien . www.proasyl.de/en/press/
(3): Pro Asyl: „Iran: Verfolgung durch den Gottesstaat“. www.proasyl.de/lit/iran/iran7.htm
(4): Auszüge aus Erhebungen von Fortress Europe für den Zeitraum von 1988 bis 2007
(5): Heitmeyer, Wilhelm (2012): Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit (GMF) in einem entsicherten Jahrzehnt. In: Heitmeyer, Wilhelm (Hg.): Deutsche Zustände. Folge 10. Berlin: Suhrkamp Verlag