Seitdem im Sommer 2017 unter eklatanter Missachtung der Pressegesetze die unabhängige Medienplattform Indymedia Linksunten verboten wurde hielt sich der Widerstand gegen die staatliche Zensur in Grenzen. Lasst uns zum Tag (((i))) diese Grenzen sprengen und den Zensoren, ihren Handlangern und nicht zuletzt den MacherInnen selbst zeigen dass die Solidarität lebendig ist. Das Konzept Indymedia verteidigen! Am 25.01 alle nach Leipzig. 17:00 Uhr Simsonplatz!
Das Konzept Indymedia – ein enormes Erfolgsmodell
Als Indymedia 1999 im Zuge der Anti-Globalisierungsproteste gegen die WTO-Konferenz in Seattle aus der Taufe gehoben wurde, war der Begriff Internet 2.0 als Beschreibung eines User 2 User Systems zur Veröffentlichung ohne technische Vorkenntnisse gerade erst im entstehen. Heute mag dies geradezu banal erscheinen, doch damals war dies durchaus revolutionär und Indymedia seiner Zeit damit um 3-4 Jahre vorraus. In dieser Zeit erkannten Andere das Potential dieses Konzepts für die kapitalistische Verwertung und gründeten Firmen die sich heute zu den mächtigsten und einflussreichsten globalen Konzernen entwickelt haben. Das Konzept begründete gar einen neuen Wirtschaftszweig: den Plattform-Kapitalismus (auch irreführend sharing economy genannt). Facebook, Google & Co. sind heute Datenauswertungs- und Verkaufsfirmen die ihre eigenen Plattformen lediglich zur Datengewinnung betreiben und dabei nicht selten mehr über ihre NutzerInnen wissen als diese über sich selbst.
Während der Aufstieg dieser Monopolkonzerne an die Weltspitze in atemberaubenden Tempo verlief, breitete sich Indymedia zunächst über die gesamte Welt aus um dann, parallel zum Aufstieg von Facebook & Twitter, langsam aber stetig an Nutzung und Verbreitung zu verlieren. Dabei ist Indymedia diesen Konzernen in mancher Hinsicht immer noch überlegen. War es damals revolutionär Content überhaupt zu veröffentlichen, ist es heute revolutionär Content zu veröffentlichen ohne dass sich andere daran bereichern und die Nutzerdaten absaugen. Während die kommerziellen Plattformen in einer Flut von Fake News und reaktionärer Hetze versinken, geht es auf Indymedia geradezu zivilisiert zu. Und dass alles basierend auf ehrenamtlicher Arbeit ohne Moderationszentren in Niedriglohnländern.
Ein linkes Erfolgsmodell = Ein Dorn im Auge der Herrschenden
Den Herrschenden war dieser Erfolg von Anfang an unheimlich. Während seit einiger Zeit die kommerziellen Plattformen und viele Regierungen ihren Frieden geschlossen haben, sind Sie doch fast noch ein besseres Mittel zur Manipulation der öffentlichen Meinung als die klassischen Massenmedien, so unverändert ist der staatliche Hass gegenüber Indymedia. Server wurden beschlagnahmt, DDos Attacken gebucht, Spitzel installiert, Artikelschreibende ermordet – kein Instrument war den Herrschenden zu schmutzig um Indymedia anzugreifen und zu diskreditieren. In der BRD ereichte die Repression gegenüber Indymedia mit dem Linksunten Verbot 2017 und Razzien gegen angebliche BetreiberInnen ihren vorläufigen Höhepunkt. Im Zuge dessen kam ans Licht der Öffentlichkeit, dass Indymedia Linksunten quasi seit seiner Gründung Geheimdienstlich überwacht wurde und mehrere Spitzel des VS (u.A. Reinhold Kapteina) im Umfeld platziert wurden.
All dies sollte uns nicht überraschen, sondern eher ein Ansporn sein das Konzept Indymedia zu verteidigen und weiterzudenken. Denn das jahrelange abarbeiten der Repressionsbehörden kann auch als eine Anerkennung der Leistungen von Indymedia verstanden werden. Vermutlich hat kein linksradikales Medienprojekt jemals eine solche Reichweite wie Indymedia entfaltet.
Wenn es irgendwo mal wieder geknallt hat, JournalistInnen wussten meist direkt wo sie Zitate für ihre Artikel finden. Es ist kein Geheimnis dass der Staatsschutz regelmäßig von Indymedia abgeschrieben hat um seine Rechtsextremismus Berichte zu füllen. AfD Mitglieder und Mandatsträger haben sich mehr als einmal eingeschissen wenn mal wieder ein Schwung Mitgliedsdaten und Analysen veröffentlicht wurde. Anpolitisierte Menschen die mehr über die radikale Linke, ihre Theorien, Praxis und Jargon verstehen wollten fanden (und finden) hier ein ersten Anlaufpunkt um sich zu informieren und weitere Anlaufpunkte sowohl Online wie Offline zu finden. Leaks aus Polizeidienststellen und anderen Behörden standen und stehen neben informativen Auslandsberichterstattungen. Selbst der letzte Dorfjournalist wusste wo es die Hintergründe gibt wenn der örtliche Suffnazi mal wieder eins auf die Mütze bekommen hat. Eine Plattform mit der Linke erfolgreich ihre Agitation in die Redaktionsstuben und Köpfe der jüngeren Generation verbreiteten, in der die Lügen und Verfehlungen der Herrschenden ständig ins Licht der Öffentlichkeit gezerrt werden und nicht zuletzt ihre Freunde von Rechtsaußen enttarnt und verhöhnt wurden, konnten Sie unmöglich weiter akzeptieren.
Neue Wege der Repression
Beachtlich dabei ist, dass trotz der erheblichen Repressionsbemühungen und obwohl Indymedia Linksunten als öffentliche zugängliche Clearnet-Seite vergleichsweise exponiert war, ihre traditionellen Wege der Zensur und Repression scheiterten. Wie die Schlapphüte in der Verbotsbegründung selbst einräumen mussten gelang es ihnen in keinem einzigen Fall (!) Artikelschreibende zu identifizieren. Eine Löschung von Artikeln haben Sie wohl aufgrund schlechter Erfolgsaussichten nichteinmal versucht. Die Strafverfahren gegen die angeblichen BetreiberInnen kamen aufgrund mangelnder Beweise garnicht erst zur Anklage. Ein Lehrstück wie kluge Techniknutzung selbst in Zeiten vermeintlich totaler Kontrolle Freiräume öffnen kann.
Ihre Notlösung über das Vereinsrecht ist ein anschauliches Beispiel wie Sie sich ihre eigenen Regeln nach belieben zurechtbiegen um gegen kritische Stimmen vorzugehen, sich aber gleichzeitig als Demokratisch und Tolerant inszenieren. Das Linksunten Verbot und der Entzug der Gemeinnützigkeit von Attac und VVN-BdA könnte nur der Auftakt zu einer in der jüngeren Vergangenheit beispiellosen Repressionswelle über das Vereinsrecht sein, sollte dieses Vorgehen im Linksunten Prozess legalisiert werden. Konservative Scharfmacher haben mit de.indymedia und der Roten Hilfe e.V. schon die nächsten Ziele markiert. Letztendlich könnte jeder autonomer Zusammenschluss als Verein definiert und leichtfertig verboten werden, insbesondere wenn die AfD mal in Regierungsverantwortung kommen sollte und über eine von ihr gelenkte VS-Behörde die juristische Begleitmusik definiert.
Vom Versagen einer „linken Bewegung“
Die Solidarität mit Indymedia Linksunten bisher ist ein veritables Desaster. Sowohl gemessen an der Bedeutung von Linksunten als auch im historischen Vergleich. In den 90er Jahren gingen noch 7.000 für die Radikal auf die Straße, trotz der erheblich geringeren Reichweite dieser Zeitschrift. Bei Indymedia reichte es gerade mal für ein paar Hundert in Berlin und Freiburg sowie eine Handvoll direkter Aktionen. Die Gründe dafür sind vielfältig. So war der August 2017 nach dem G20-Gipfel ein nach solchen Events übliches Bewegungsloch. Das Narrativ, dass das Linksunten Verbot nunmal ein „Preis“ sei für die G20 Aktionen, war bis weit in die radikale Linke hinein akzeptiert. Hinzu kommt, dass auch linke Kreise durch die kommerziellen Plattformen auf eine vermeintliche „Kostenloskultur“ konditioniert sind. Dass Internetseiten zu managen und hosten eine Arbeit ist die viel Zeit und Geld kostet, wenn man nicht Content bzw. Daten auswertet und verkauft, wird dabei allzu gerne übersehen. Manche verstehen den Sinn und Nutzen einer unkommerziellen Veröffentlichungs-Plattform gleich garnicht und posten ihren Kram ohnehin nurnoch bei Facebook & Twitter. All das wird gefördert durch eine latente Technikfeindlichkeit in weiten Teilen der Linken. Das Größte Problem aber ist dass die Linke sich in zunehmenden Maße vom Internet als Ebene der Auseinandersetzung zurückzieht. In Teilen des Internets haben rechte Kreise bereits Hegemonie erreicht. Die Repression gegenüber Indymedia verschärft dieses Problem weiter. Die Konsequenzen davon werden auch zunehmend in der realen Welt sichtbar, wenn z.B. die AfD bei der Wahl in Thüringen bei den tendenziell internetaffineren Wählern unter 45 Jahren stärkste Kraft ist. Es unterstreicht dass es der Linken immer noch an strategischer Weitsicht und dem Willen ihre Inhalte über die eigenen Dunstkreise hinaus zu verbreiten mangelt.
Das Versagen korrigieren – das Konzept Indymedia verteidigen
Nun steht endlich der Prozess zum Verbot an sich an. Allein schon die Tatsache dass der Prozess erst knapp 2,5 Jahre nach dem Verbot stattfindet und in der Zwischenzeit einfach mal angenommen wird das Verbot wäre wirksam spricht den Gerechtigkeitsversprechungen der bürgerlichen Justiz hohn. Wir sollten uns nichts vormachen: Bei der Verteidigung von Presse und Medienfreiheit sind Staat und Justiz keine Partner. Umso wichtiger ist es mit der Demonstration am 25.01 ein kraftvolles Signal auf der Straße zu setzen dass wir uns ihr dreistes Vorgehen nicht einfach so gefallen lassen. Wenn das Linksunten Verbot höchstrichterlich abgesegnet wird, ist auch de.indymedia und andere linke Zusammenschlüsse in ernster Gefahr. Lasst uns daher den Druck auf die RichterInnen erhöhen und den Herrschenden klar machen dass ihnen eine Bestätigung des Verbots auf die Füße fallen wird.
Das Konzept Indymedia verteidigen! Am 25.01 alle nach Leipzig. 17:00 Uhr Simsonplatz!
P.S.: Der Tag ist auch eine hervorragende Gelegenheit sich in Leipzig schonmal umzusehen für ein weiteres wichtiges Datum. Im September wollen sich die EU Spitzen und die chinesische Regierung zu einem fröhlichen Stelldichein in Leipzig treffen. Das chinesische Regime steht dabei wie kein zweites für Internetzensur und Massenüberwachung. Spucken wir ihnen in die Suppe!
von https://de.indymedia.org/node/59194
Weitere Infos unter https://linksunten.soligruppe.org
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