Eine Gruppe von Anwohner:innen der Gathe hat einen offenen Brief wegen den aktuellen Bauvorhaben der DITIB an der Gathe und zur Einladung des Historikers Mehmet Işık durch die DITIB Wuppertal verfasst, den wir hier dokumentieren:
Offener Brief zu dem Bauvorhaben der DITIB in Wuppertal und der Einladung von Mehmet Işık
Die DITIB Wuppertal plant auf einem 6000 m² großen Areal an der Gathe den Bau eines sog. Gemeindezentrums mit dem sie einen wesentlichen und unmittelbaren Einfluss auf die Entwicklung des Quartiers haben würde. Für uns ist nicht allein die Tatsache, dass die Wuppertaler Politik scheinbar gewillt ist, der deutschen Niederlassung des türkischen Diyanet einen dermaßen großen Einfluss auf die Entwicklung unserer Straße zu ermöglichen, skandalös. Immerhin ist es die Religionsbehörde eines Staates, welcher die Opposition im eigenen Land unterdrückt, in den Nachbarländern Kriege führt, Zivilisten tötet und ethnische Säuberungen durchführt.
Auch der Wuppertaler Ableger der Behörde schreckt nicht davor zurück Personen ein Forum zu bieten, welche Ideologien verbreiten, die den Nährboden bilden für die autokratische Entwicklung der Türkei und ihrer militärischen Obsession.
DITIB Wuppertal lädt umstrittenen Historiker ein
Für den 6. Januar diesen Jahres bewarb die DITIB Wuppertal eine Veranstaltung mit dem umstrittenen Historiker Mehmet Işık in ihren Räumlichkeiten in der Gathe 31. 1
Işık veröffentlichte auf seinem Youtubekanal mehrere Videos zu aktuellen und historischen Themen in denen er unter anderem den Genozid an den Armeniern stark relativiert.
So werden Morde und Vertreibung der armenischen Bevölkerung in Kahramanmaras 1920 als eine Reaktion der türkischen Einwohner auf Attacken durch Armenier dargestellt. Dabei seien weder Frauen noch Kinder angegriffen worden und ein Großteil der armenischen Bevölkerung hätte noch Jahre friedlich mit der türkischen Bevölkerung zusammengelebt.
Auch die Massaker der türkischen Armee in Izmir werden dadurch gerechtfertigt die Griechen hätten unter dem Schutz der Engländer begonnen türkische Kinder zu ermorden, Frauen zu vergewaltigen, Häuser nieder zu brennen, Trinkwasserbrunnen zu vergiften und Obstplantagen zu zerstören.2
Neben seiner Arbeit als Historiker betätigt sich Mehmet Işık als Schriftsteller.
So veröffentlichte er eine Buchreihe mit dem Titel Teskilat-I Mahsusa.
Die gleichnamige Geheimorganisation wurde vom osmanischen Kriegsminister Enver Pascha ins Leben gerufen und führte ab 1911 Attentate gegen Feinde des osmanischen Reiches durch.
Teskilat-I Mahsusa wird eine Beteiligung am Völkermord an den Armeniern vorgeworfen. Ihre Mitglieder sollen für zahlreiche Morde, Misshandlungen und Vergewaltigungen verantwortlich sein.
Dafür rekrutierte die Gruppe, ähnlich der russischen Söldnertruppe Wagner, ihre Mitstreiter aus Gefängnissen und versprach ihnen im Gegenzug einen Straferlass.3
1915 wurden Armenier in Erzincan von Kämpfern der Teskilat-I Mahsusa paarweise aneinandergebunden und in den Fluss Karasu geworfen. Über 20000 Menschen sollen hier getötet worden sein.4 Auch bei Massakern gegen Assyrer und Pontosgriechen soll die Organisation eine Rolle gespielt haben.5
In seinen Büchern vermischt Işık historische und fiktive Ereignisse. Schon die Vorstellungstexte strotzen nur so vor religiösem und nationalistischem Pathos. Die Geheimorganisation wird darin glorifiziert und es werden mit „Zionisten“ und „Evangelisten“, welche die Welt in Brand gesetzt hätten, Feindbilder in verschwörungsideologischer Manier konstruiert.6
Wir finden es unverantwortlich, dass die Ditib Wuppertal Mehmet Işık ihre Räumlichkeiten zur Verfügung stellte. Umso schockierender empfinden wir den Umstand, dass sie bei der Bewerbung der Veranstaltung auch explizit Jugendliche anzusprechen versuchte.
Aktuell wird wieder Wahlkampf geführt in der Türkei und die regierende AKP versucht durch Spaltung und Hetze von der wirtschaftlich miserablen Lage abzulenken. Die in Deutschland lebenden Wahlberechtigten sind für die AKP von großer Bedeutung, weshalb sie ihren Einfluss auf diese stetig auszuweiten versucht. AKP Politiker halten hierzulande polarisierende und volksverhetzende Reden. Wie erst kürzlich in Neuss geschehen, als der AKP Abgeordnete Mustafa Acikgöz vor Anhängern der faschistischen Grauen Wölfe die Vernichtung von Kurden und Mitgliedern der Gülenbewegung forderte. Acikgöz besuchte ebenfalls eine DITIB Moschee in Aachen.7
Vor 5 Jahren zur Eröffnung der Zentralmoschee in Köln waren sogar der türkische Präsident Erdogan und Diyanet-Chef Ali Erbas angereist. Letzterer löste aufgrund homophober Reden einen medialen Aufschrei in der Bundesrepublik aus.8 Die DITIB, und mit ihr der Landesverband NRW mit seinem Vorsitzenden Ersin Özcan, hatte sich zu den Entgleisungen ihres Chefs nicht geäußert.
Ersin Özcan ist ebenfallsVorsitzender der DITIB Gemeinde in Wuppertal.
Wenn die Wuppertaler Politik es der DITIB erlaubt ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen ist dies kein Beitrag zur sozialen Erneuerung der Gathe und eine Steigerung kultureller Vielfalt der Stadt.
Ganz im Gegenteil. Der Verdrängung einzelner Anwohner:Innen und solch wichtiger Initiativen wie dem Autonomen Zentrum folgt ein verstärkter Einfluss der türkischen Politik auf das Leben in unserer Straße und unserer Nachbarschaft und dies mit potentiell schwerwiegenden Folgen für diejenigen welche von Propagandisten der AKP als Dissidenten, Verräter oder sogar Feinde betrachtet werden.
Wir fordern deshalb die Wuppertaler Parteien dazu auf gegen das Bauvorhaben zu stimmen!
Weiterhin appellieren wir an alle demokratischen Initiativen und Akteur:innen Verantwortung für die Entwicklung an der Gathe zu übernehmen, sich gegen die Pläne der DITIB zu positionieren und diesen offenen Brief zu unterschreiben!
Kein Großprojekt der DITIB an der Gathe!
Das Autonome Zentrum bleibt an der Gathe!
Nachbar:Innen Gathe
1 https://de-de.facebook.com/photo/?fbid=209612981459061&set=ecnf.100072310815607
2 https://www.youtube.com/@trhcyzrmehmet
3 Akçam, Taner (2007). A Shameful Act. London: Macmillan.
4 Annette Schaefgen: Von der treuen millet zum Sündenbock oder Die Legende vom armenischen Dolchstoß. Der
Völkermord an den Armeniern im Ersten Weltkrieg. In: Wolfgang Benz (Hrsg.): Vorurteil und Genozid.
Ideologische Prämissen des Völkermords Böhlau. Wien 2010, S. 50
5 Isabel V. Hull, Absolute Destruction: Military Culture and the Practices of War in Imperial Germany, Cornell
University Press, 2006, IBN 9780801472930
6 https://www.buecher.de/shop/buecher/teskilat-i-mahsusa-operasyon/isik-mehmet/products_products/detail/
prod_id/46598613/
7 https://www.fr.de/politik/tuerkei-volksverhetzung-rede-in-moschee-von-grauen-woelfen-erdogan-pkk-news-
92031199.html
8 https://www.welt.de/politik/deutschland/article207588303/Hetze-gegen-Unzucht-Homophobe-Predigt-in-der-
Tuerkei-und-Ditib-schweigt.html