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Weltfrauen*tag 2016 | Unser Feminismus ist antirassistisch – Reclaim feminism | Am 12. März nach Köln!

Bundesweite Demo 12. März | 13 Uhr | Roncalliplatz Köln
Bundesweite Demo zum Weltfrauen*tag 2016 in Köln | Unser Feminismus ist antirassistisch – Reclaim feminism
WORÜBER GESCHWIEGEN WIRD
Das Jahr 2016 hat in vielen Städten Deutschlands mit Übergriffen auf Frauen* begonnen – auch in Köln. Sexualisierte Gewalt gegen Frauen* ist in der Silvesternacht sichtbar geworden – unübersehbar in die öffentliche Debatte gezerrt.
Wieso plötzlich das mediale Interesse? Es ging dabei nicht vorrangig um die Benennung sexualisierter Gewalt, sondern um die vermeintliche Herkunft der Täter – und das unverhohlen rassistisch: Im Verlauf wurde schnell nicht mehr über Sexismus gesprochen, sondern über die Verschärfung des Asylrechts, Abschottung und Abschiebung.
Ein gängiges Fazit: Nicht der Sexismus in diesem Land sei das Problem, sondern die zu uns Geflüchteten. Jedoch: Sexismus ist nicht nach Deutschland eingewandert, Sexismus ist hausgemacht. Er findet statt – schon immer, ständig und überall. Sexismus findet sich strukturell in unterschiedlich hoher Entlohnung oder unterschiedlicher Belastungen, bspw. durch Kinderbetreuung wieder. Er findet sich ebenso in sexistischer Werbung und in den Seminaren von sogenannten „Pick-upArtists“, in den Männer lernen, wie sie Frauen* gegen ihren Willen verfügbar machen. Nicht gesprochen wird über sexualisierte Gewalt, die in den eigenen vier Wänden stattfindet. So werden 90% Prozent der Frauen* von Männern aus ihrem nahem Umfeld, Verwandten, Bekannten und (Ex-)Partnern vergewaltigt.
WORÜBER WIR SPRECHEN SOLLTEN
Statt sich in rassistischen Debatten über Täterschaft zu ergehen, sollte über die Funktion und Bedeutung von sexualisierter Gewalt und strukturellem Sexismus gesprochen werden – und das weltweit. Es sollte um den Rassismus und die andauernde Gewalt gegen Geflüchtetegehen, denn weiter gibt es täglich Anschläge gegen Unterkünfte.
Es muss über die Kriege gesprochen werden, an denen die BRD beteiligt ist. Über ihren brutalen Charakter, die Militarisierung nach Außen und Innen und ihre Fortsetzung in den Geschlechterverhältnissen. Diese Kriege vertreiben Menschen, zerstören ihre Lebensgrundlage und zwingen sie zur Flucht. Dafür trägt die menschenverachtende Politik der EU die Verantwortung – voran die BRD. Viele Frauen sind auf der Flucht und auf dem lebensgefährlichen Weg in Richtung Sicherheit in höchstem Maße sexualisierter Gewalt ausgesetzt. Viele Frauen müssen zurückbleiben und werden durch die Beschlüsse der deutschen Bundesregierung, wie im Asylpaket II, in lebensgefährlichen Kriegsgebieten oder an Europas Außengrenzen der Gewalt überlassen. Denn die Asylrechtsverschärfung, die die Regierung als Reaktion auf die sexualisierte Gewalt verkaufen will, trifft in Wirklichkeit Frauen und Kinder weltweit am härtesten.
Innerhalb Deutschlands sind wir schon seit Jahren mit einem Backlash (also einem Rückschritt bei den feministischen Errungenschaften) konfrontiert. Dabei stellen Entwicklungen wie ungleiche Lohnbezahlung, Herdprämie, die Proteste der sogenannter Lebenschützer*innen, homo- und transphobe Mobilisierungen gegen sexuelle Bildung und Antidiskriminierungsarbeit an Schulen sowie die Akzeptanz sexualisierten Gewalt nur eine kleine Auswahl dar. Aktuell werden diese in rassistischen und antifeministischen öffentlichen Debatten deutlich. Rechtspopulistische Parteien und neonazistische Gruppierungen erfahren einen Aufschwung, werden hoffähig gemacht und benutzt, um eine rassistische Politik durchzusetzen.
WAS WIR FEIERN
Wir feiern kämpferische Frauen* und Frauen* in Kämpfen, die zeigen, dass eine solidarische, befreite Zukunft möglich ist. So beispielsweise die Frauen, die in der Revolution im syrischen Rojava aktiv sind.
Wir feiern alle, die in Frauenhäusern arbeiten oder Geflüchtete unterstützen.
Wir feiern all die mutigen Frauen, Lesben, Trans* und Inter*personen, die sich einer hierarchischen Geschlechterordnung widersetzen.
Wir feiern all Jene die Zäune überwunden haben und die Festung Europa kurzzeitig ins wanken gebracht haben – jetzt erst recht!
Organisieren wir uns global, ohne Grenzen!
Wir wollen eine herrschaftsfreie Gesellschaft ohne Ausbeutung, ohne Ausgrenzung, ohne densexistischen und rassistischen Normalzustand. Wir wollen Solidarität und Respekt untereinander.
Es lebe die Verschiedenheit!
Im Rahmen des internationalen Frauenkampftages wollen wir unseren Protest sowohl gegen Sexismus als auch Rassismus entschieden, laut und kämpferisch auf die Kölner Straßen tragen: Unser Feminismus ist antirassistisch – erst recht nach den Übergriffen der Silvesternacht.
Wir sehen uns bei der bundesweiten Demo am 12.3.2016 in Köln!
reclaimfeminism.org


Aufruf zum Frauen*kampftag am 12. März in Köln der Interventionistischen Linken:
Gemeinsam kämpfen! Feministisch! Antirassistisch! Solidarisch!

Überall in Deutschland, ob auf dem Dorf, in der Kleinstadt oder in den Metropolen, geschehen täglich sexistische Übergriffe oder Belästigungen gegenüber Frauen*. Sexismus ist Alltag und das nicht erst seit der Silvesternacht auf der Kölner Domplatte.
Unsere Solidarität gilt deshalb all jenen Frauen*, die sexualisierter Gewalt und Übergriffen ausgesetzt waren und sind. Wie es Feminist*innen auf der ganzen Welt schon seit vielen Jahren tun, muss sexualisierte Gewalt und Sexismus überall bekämpft werden – egal, von wem sie ausgeht.
Antifeminismus und Rassismus schließen eine unheilvolle Allianz
Es ist bizarr aber wenig verwunderlich, dass Pegida, AfD, Antifeminist*innen und allerlei Personen, die sich noch nie für Frauen*rechte interessiert haben, nun plötzlich als Beschützer*innen von „deutschen, weißen Frauen“ auftreten. Die Körper der angegriffenen Frauen* werden instrumentalisiert, um eine rassistische Stimmungsmache gegen Geflüchtete und insbesondere muslimische Migranten zu betreiben.
Ob in der Erklärung selbsternannter männlicher „Bürgerwehren“, in denen Neonazis und Hooligans gemeinsam mit „besorgten Bürgern“ auf die Straße gehen, oder auf den Covern von großen Tageszeitungen: Hier geht es niemals darum, Frauen*rechte zu verteidigen oder die Anliegen von Feminist*innen zu unterstützen, sondern immer um die rassistische Abgrenzung gegenüber den „Anderen“. Einen ideologischen Kitt stellt dabei der antimuslimische Rassismus dar, der einerseits sexualisierte Gewalt externalisiert und zugleich rechten Brandstiftern in die Arme spielt.
Der Fokus dieser Feindmarkierung liegt auf dem „jungen, männlichen, muslimischen Einwanderer“, zielt jedoch auf alle Migrant*innen ab.
Auf der Agenda stehen momentan weitere Asylrechtsverschärfungen, die Erfindung sicherer Herkunftsstaaten und weitere Gesetzesverschärfungen.
Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit sexualisierter Gewalt und den Rechten von Frauen*, insbesondere derer, die Rassismuserfahrungen machen, sind dabei egal.
Stattdessen werden von allen Seiten Ratschläge erteilt, wie sich Frauen* zu verhalten haben. Angefangen mit der Armlänge Abstand ist das Ausdruck eines vollkommenen Verkennens der Lage: Für uns geht es nicht darum, dass Frauen* anders auftreten, sich anders verhalten oder gar anders kleiden sollten!
Auf so einen Scheiß haben wir schon lange keinen Bock mehr!!!
Unsere Solidarität ist grenzenlos. Wir lassen uns nicht instrumentalisieren für rassistische Stimmungsmache.
Das Problem heißt Sexismus!

Die sexistischen Verhältnisse gilt es immer und überall anzugreifen. Um es nochmal deutlich zu sagen: Wir werden die sexuellen Übergriffe in Köln, Hamburg und wo sie auch sonst stattfinden, nicht entschuldigen. Sie machen uns wütend, traurig und fassungslos!
Diejenigen, die sie ausüben, sind und bleiben Arschlöcher – aber eben nicht weil sie die falsche Nationalität oder den falschen Aufenthaltstitel haben, sondern weil sie Sexisten sind, die die Rechte von Frauen* nicht akzeptieren!
Wir wollen gemeinsam mit FLTI*s und Nicht-FLTI*s, egal welcher Nationalität, Aufenthaltstitel, Lebens- und Arbeitsbedingungen, Liebens- und Lebensweisen, für Frauen*-Rechte streiten. Unsere Kämpfe sind solidarisch und aufeinander bezogen.
Frauen* auf der ganzen Welt sind in ihrem Alltag von Sexismus betroffen. Hier und überall ist das die Folge von gesellschaftlichen Machtverhältnissen und Patriarchat. Deswegen ist sexualisierte Gewalt keine Gefahr, die bloß von Außen in die hiesige Gesellschaft dringt – im Gegenteil: es sind zumeist die nächsten Angehörigen, die zu Tätern werden.
Wir greifen diesen Sexismus an, in dem wir einen lauten, entschlossenen und antirassistischen Feminismus auf die Straße tragen werden.
Solidarität statt Spaltung!
Eine feministische Perspektive auf die aktuelle gesellschaftliche Gemengelage ist auch noch aus anderen Gründen zentral: Im Zuge des neoliberalen Umbaus wurden insbesondere soziale Infrastrukturen eingespart – sei es in den Bereichen Bildung, Erziehung oder Gesundheit. Die Folgen dieser Kürzungspolitik haben auch immer eine geschlechtsspezifische Komponente, sind es doch überwiegend Frauen* welche die aufgerissenen Lücken in der sozialen Infrastruktur durch unbezahlte Arbeit oder in prekären Arbeitsverhältnissen füllen müssen. Darüber hinaus wird ausgerechnet bei den wenigen Institutionen, die seit Jahren mit den Betroffenen von (sexualisierter) Gewalt arbeiten, massiv gekürzt: Frauenhäuser und entsprechende feministische Initiativen. Sparpolitiken setzen also nicht nur die Armen mit den Ärmsten in Konkurrenz und spielen rassistischen Argumentationen in die Hände, sondern verschlechtern auch die Lage für Frauen* und Mädchen* grundlegend.
Unsere Antwort muss daher heißen: Solidarität statt Spaltung! Verbinden wir die Kämpfe gegen die neoliberale Zurichtung im Bereich der sozialen Reproduktion mit den Kämpfen um Migration und Asyl. Ziel muss eine emanzipatorische Antwort sein, eine Antwort auf die Frage, wie ein gutes Leben für Alle ermöglicht werden kann.
I can`t imagine a feminism that is not anti-racist
(Angela Davis)
Wir werden am Frauen*kampftag 2016 ein kämpferisches Zeichen an dem Ort setzen, der medial so aufgeladen ist und an dem es gilt, eine starke linke, feministische Position sichtbar zu machen. Wir lassen uns nicht instrumentalisieren. Unsere Kämpfe denken wir zusammen und auf der Straße streiten wir gemeinsam! Wir wollen als breite soziale Allianz aus queer-feministischen Gruppen, migrantischen Verbänden, Menschen mit und ohne Aufenthaltsstatus streiten.
Gemeinsam gegen Sexismus und sexualisierte Gewalt. Heute und morgen. In Köln und überall.
Weil Sexismus das Problem ist.
Weil Feminismus ohne Antirassismus nicht geht.
Weil wir einen antirassistischen Feminismus jetzt mehr denn je brauchen.
Interventionistische Linke [iL*], Februar 2016


Aufruf des Antifa AK Köln zur bundesweiten Frauen*kampftag Demo in Köln am 12. März 2016:
In die Offensive gegen Nation, Kapital und Patriarchat!

Bundesweite Demo: Samstag, 12.03.2016, 13 Uhr Dom, Köln
Kommt zum linksradikalen und queerfeministischen Block auf der Demonstration (Kurzaufruf der IL Köln und uns hier).
„Anarchie im Schatten des Doms“, so betitelte der Kölner Stadtanzeiger nach den zahlreichen Übergriffen in der Silvesternacht einen seiner Kommentare. Der Rechtsstaat sei in schlimmster Form verhöhnt worden- die drastische Schilderung der Ereignisse lässt Rückschlüsse zu, dass dies scheinbar das Schlimmste ist, was der Autor sich vorstellen kann. Wie in fast allen anderen Artikeln sind auch hier die Wörter Sexismus und Patriarchat abwesend- eine verräterische Abwesenheit, die Hinweise auf den unheilvollen Charakter der geführten Debatte gibt.
Denn unter einer handfesten Bedrohung des Staates macht es der Autor scheinbar nicht. Dass es Frauen* sind, die von sexualisierter Gewalt bedroht waren und sind, ist nicht das gravierendste. Gewalt gegen Frauen* reicht scheinbar an sich nicht aus- es muss immer gleich der Staat sein, der gefährdet ist. Frauen*, die von Gewalterfahrungen betroffen sind, werden so, ohne ihr ausdrückliches Wollen, als untergeordnete Bestandteile in den bürgerlichen Rechtsstaat eingegegliedert, als Besitz der Gemeinschaft gehandelt. Passend dazu werden die, von außen, kommenden Horden herbeihalluziniert, die diesen Staatsbestand bedrohen. Die alltäglichen sexuellen Übergriffe, welche von „deutschen“ Männern, meist im Nahumfeld, begangen werden, sind so nicht nur unsichtbar gemacht- sie werden in die Undenkbarkeit verschoben und noch der letzte Sexist darf sich als Beschützer von Frauen* aufspielen.
Und das geschieht reichlich: Während die, die sexuelle Gewalt gegen Frauen* normalerweise ignorieren und verharmlosen, nun dankbar die Gelegenheit wahrnehmen, ihren Kulturalismus unter „progressiven“ Vorzeichen voll auszuleben, halten sie Feminist*innen, den eigentlichen Erkämpferinnen und Verteidigerinnen von Frauen*rechten vor, sie sollten sich in der Frage von Zuwanderung, Islam und co. endlich „mal positionieren“. Angekleidet mit dem warmen Mantel der moralischen Überlegenheit können sich „einheimische“ Sexisten nun bei jedem Stein, den sie Frauen* in den Weg legen, auf die „wirklich“ schlimmen Fremden berufen- die meist als Muslime gedacht werden. Gegen Feminist*innen, die die Kultur der allgegenwärtigen Gewalt gegen Frauen* kritisieren und lautstark für deren Abschaffung kämpfen, protestiert es sich nochmal so gut mit dem Verweis, dass Frauen* in anderen Regionen der Welt noch viel weiter davon entfernt sind, sich ihren Subjektstatus vollständig erkämpft zu haben als in Europa. Implizit schwingt in diesem Vergleich immer eine Drohung mit. Es ist die Drohung der Macht, das Erkämpfte rückgängig zu machen und Frauen* hinter den bereits, von ihnen, erkämpften Fortschritt zurückzuwerfen. Einher mit diesem Wunsch geht die perverse Faszination für die als rückständig gedachte Kultur der Muslime. Die detaillierte Auseinandersetzung mit der sexualisierten Unterdrückung in all ihren Details verweist auf die Projektion der Wunschvorstellung nach Unterdrückung, die durch den Kampf der Frauen* um ihren Subjektstatus nicht mehr ungehindert befriedigt werden kann, auf die Vorstellung vom Islam. Diesem wird zugeschrieben, was sich als Wunsch selber nicht eingestanden werden kann. Um diesen Widerspruch aufzubrechen wird dem Islam gleich die Alleinvertreung partriachaler Unterdrückung auferlegt, womit er sich zur Zielscheibe hasserfüllter Bestrafung wandelt.
Der Konflikt, der nach Silvester geführt wurde, war kein Kampf für Frauen*rechte- es verständigten sich nur unterschiedliche Herrschaftssphären in der westlichen Gesellschaften über Frauen*, die sie als ihren Besitz betrachten. Für die bürgerliche Mitte geht es um Rechtsstaat und das Gewaltmonopol des Staates. Die Ausgeschlossenen, die Frauen* angreifen, die diesem angehören, greifen diesen selbst an. Die extreme Rechte, die mit brüllenden Ausbrüchen verbaler und nonverbaler Gewalt reagierte, schickte sich an, eine „Kultur“,zu schützen, in der Frauen* als Gebärmaschinen gelten. Während auf dem Tahir Platz, der mehrfach für einen Vergleich mit dem Bahnhofsvorplatz herhalten musste, Aktivist*innen Gruppen zur Intervention in Übergriffe und Versorgung der Betroffenen organisierten, drängte der deutsche Tatendrang zur Bürgerwehr. In zahlreichen Städten bildeten sich Zusammenhänge aus Hooligans,Rockern,Türstehern und organisierten Neo-Nazis. Aus diesen Reihen kam es, wie zu Erwarten, nicht zur Unterstützung von Frauen* sondern in erster Linie zu rassistischen Angriffen. Als parlamentarische Variante und Grundlage der Identifikation von nicht-weißen als potentielle Täter und der darauffolgende Flaschenwurf erwies sich schnell die Erfindung des Nordafrikaners und die Forderung der Abschiebung. Dass das meiste, was gemeinhin als „sexuelle Belästigung“ gilt überhaupt nicht unter Strafe steht entlarvte schnell , wie wenig es vielen, die nach schärferer Repression gegen Geflüchtete riefen um den Schutz von Frauen* und Mädchen vor Gewalt ging. Auf Emanzipation zielt hier, außer den verzweifelten Versuchen linker Feminist*innen sich in der Debatt Gehör zu verschaffen gar nichts- Lediglich die Unterdrücker streiten sich über ihre Projektion.
Die erste Reaktion der Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker war entsprechend. Es war ein absurdes Beschuldigen der Betroffenen, welches eine ermüdende Standardreaktion darstellt, wenn eigentlich Gewalt gegen Frauen* thematisiert werden sollte. Die Bürgermeisterin riet Frauen* in einer Pressemitteilung tatsächlich dazu, immer eine Armlänge Abstand zu fremden Männern zu halten. Eine Aussage, die aufgrund der Gewaltbereitschaft übergriffiger Sexisten weitaus mehr als eine Armlänge Abstand zur Realität aufweist.
Der Charakter dieser Debatte zeigt- hier kam nicht der Diskurs zum Ereignis, sondern das Ereignis zum (rassistischen) Diskurs. Die Ereignisse wurden deshalb explosionsartig so hochgekocht, weil bereits überall rassistische Denkweisen vorhanden waren, die ein solches Ereignis nur erwarteten. Der kulturalistischen Halluzination vom, von außen, anstürmenden Sexisten setzen wir die Analyse entgegen, das Patriarchat, Kapital und Nation zusammengehören- und das überall auf der Welt.
…and the rest is HIStory
Die kapitalistische Produktionsweise kann nicht ohne die Bestimmung und Entwertung des weiblichen Körpers gedacht werden. Die Entmachtung von Frauen* ist das Ergebnis des in den Jahrhunderten nach dem Ende des Feudalismus in Europa tobenden und letzlich verlorenen Klassenkampfes. Die Geschichte der Verdrängung von Frauen* aus allen Bereichen des Lebens in den reproduktiven Sektor, ist nicht bloß Frauen*- sondern Klassengeschichte.
Um Frauen* den Platz zuzuweisen, an dem das Kapital sie benötigte- in der Reproduktionsrolle- ging die Bourgeoisie in den entstehenden Nationalstaaten unter Komplizenschaft der entstehenden Arbeiterschaft zum unverhohlenen Angriff über. Frauen*rechte und -macht, die zuvor in der Selbstversorgungswirtschaft des Feudalismus existierten, wurden abgeschafft, um eine Reproduktionsrolle für die benötigte proletarische Arbeitskraft zu bilden. Dies wurde durch den sich zeitgleich herausbildenden religiösen Protestantismus zur göttlichen Fügung der menschlichen Gesellschaft verklärt. Der heutige Stand der kapitalistischen Verhältnisse ist, wie auch die Stellung von Frauen* im Produktionsprozess, keine menschliche Natur sondern gesellschaftliche Einrichtung. Die Herausbildung der bestehenden kapitalistischen Machtverhältnisse war also nicht nur eine Machtergreifung der Bourgeoisie über das Proletariatat, sondern auch eine von Männern über Frauen* und Europäern über Kolonialisierte. Denn auch wenn beispielsweie die Hexenverfolgung ein Krieg der Herrschenden gegen prekarisierte Frauen* war, waren es die proletarischen Männer, die die Vernichtung geschehen ließen, die formelle Verdrängung der Frauen* aus dem Handwerk ging einher mit dem Wunsch der Männer nach dem Ausmerzen der Konkurrenz und der Angriff auf die Rechte von Frauen* konnte seinen Terror erst durch das Ausnutzen der formellen Schutzlosigkeit der Frauen* durch gewalttätige Arbeiter entfalten.
Wie es um Frauen*rechte in einer Gesellschaft bestellt ist, ist keine Frage der Kultur, es ist eine politische Frage. Es ist eine Frage von Produktionsverhältnissen und von Kämpfen der Selbstermächtigung gegen diese. Auch die westlichen Gesellschaften, welche für sich die Aufklärung in Beschlag nehmen, produzieren patriarchale Gewalt. Die Debatte um einen Kampf der Kulturen weisen wir zurück- Wir fordern eine Debatte um Frauen*manzipation von gewalttätiger Männlichkeit. Die moderne Form des Patriarchats ist nicht zu denken ohne den Kapitalismus- ebenso wie der Kapitalismus ohne das Patriarchat nicht funktionieren kann. Denn die Care- und Reproduktionsrolle, welche zur Regeneration der Arbeitskraft zwingend benötigt wurde, fiel durch die bereits bestehende patriarchale Prägung der Gesellschaft historisch Frauen* zu- und klebt an ihnen bis heute. Diese Rolle entmächtigt Frauen*- insbesondere heute sind Frauen*, wenn sie arbeiten wollen, der doppelten Vergesellschaftung durch Kinderbetreuung und Arbeit ausgesetzt. Eine wirkliche Gleichberechtigung ist nicht ohne die Aufhebung des Kapitalverhältnisses zu haben- eine Infragestellung der kapitalistischen Verhältnisse ist wiederum nicht denkbar ohne den feministischen, antipatriarchalen Kampf. Silvia Federici bezeichnete das, was uns als Verhältnis gegenübersteht, als „Lohnpatriarchat“- dieses gilt es abzuschaffen.
Was nun?
Eine radikale Linke, die antritt, um sich mit feministischen Kämpfen zu solidarisieren, steht zunächst vor einem offensichtlichen, gewaltigen Defizit. Die radikale Linke muss sich mit der Vorstellung abfinden, dass sie die Spitze von feministischen Kämpfen längst verlassen hat- oft hapert es schon an der bloßen Beteiligung. Die großen antisexistischen Kämpfe der letzten Jahre wurden stets ohne Unterstützung des größten Teils der radikalen Linken geführt. Die stark von Männern dominierte Restlinke muss sich also zunächst in den Dialog- in die gemeinsamen Kämpfe- in die Verständigung zurückbegeben. Zu oft wurden Kapital und Patriarchat nicht zusammen gedacht, sondern das eine Haupt- und das andere als Nebenwiderspruch gedacht. Wie ein feministischer Antikapitalismus- ein antikapitalistischer Feminismus gestaltet werden könnte, ist jedoch eine Frage, die nur zusammen mit Feminist*innen die antipatriarchale Kämpfe bereits führen, geklärt werden kann. Ohne dies zusammenzuführen, ist eine kommunistische Bewegung nicht denkbar. Ein möglicher erster Schritt hierzu kann es sein, am 12. März die Stimme gegen Gewalt gegen Frauen*, gegen das Patriarchat und seine Strukturen zu erheben.
Zusammen denken, was zusammen gehört – Zusammen bekämpfen, was Teil der Unterdrückung ist!
Für einen feministischen Antikapitalismus – für einen antikapitalistischen Feminismus!