Wir sind erstaunt, dass der kritischen Öffentlichkeit die „Selbstkritik“ von Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft im Fall der Brandstiftung Normannenstraße ausreicht.
Der WDR hat in zwei Formaten ausführlich berichtet:
„Die Wuppertaler Polizei räumt im WDR-Gespräch jetzt auch Fehler in einem weiteren Fall von Brandstiftung ein, bei dem ebenfalls Vieles für Daniel S. als Täter spricht.
Anfang 2022 brennt es in einem Wuppertaler Mehrfamilienhaus, in dem die Lebensgefährtin von Daniel S. zuvor gewohnt hatte. Opfer gibt es nicht.
Die Feuerwehr stuft die Brandursache als technischen Defekt ein. Im laufenden Prozess kommt ein Brandgutachter aber zum klaren Ergebnis: Es war Brandstiftung. […] Guido Liedke, Leiter der Wuppertaler Kriminalpolizei, sagte dem WDR dazu: „Die polizeilichen Ermittlungen entsprachen nicht dem polizeilichen Standard.“ Man habe sich auf die Aussage der Feuerwehr verlassen, den Brandort nicht aufgesucht und auch keinen Sachverständigen zugezogen. „Das war aus heutiger Sicht nicht optimal.“
(Quelle. Ermittlungspannen bei Brandanschlag: Strafverfolger nehmen
Stellung
Stand: 17.09.2025, 06:00 Uhr
https://www1.wdr.de/nachrichten/rheinland/ermittlungspannen-solinger-brandanschlag-100.html)
WDR-Fernsehbericht vom 17.9.2025:
„Opferanwältin Seda Başay-Yıldız behauptet sogar, hätte die Polizei hier schon gut ermittelt, könnte die in Solingen ums Leben gekommene Familie vielleicht noch leben. Der Staatsanwalt [Heribert Kaune-Gebhardt] widerspricht: Zum damaligen Zeitpunkt wusste man eben noch nicht, dass er sich als Brandstifter betätigt, auf Grund seiner inneren Motivationslagen eben auf Grund von Drucksituationen zu Brandstiftungen zu tendieren. Er war damals völlig unbekannt zum damaligen Zeitpunkt.“
(Quelle WDR exklusiv: Ermittler:innen äußern sich zu Fehlern beim
Prozess um den Solinger Brandanschlag |
https://www.ardmediathek.de/video/lokalzeit-bergisches-land/wdr-lokalzeit-bergisches-land-oder-17-09-2025
)
Dass die Wuppertaler Polizei nicht „mit herausragendem kriminalistischen Geschick“ (so seinerzeit der Polizeiprädident Röhrl auf der Pressekonferenz am 10.4.2025) gearbeitet hat, weiß heute jedes Kind.
Aber das polizeiliche Eingeständnis, dass die Ermittlungen zur Normannenstraße „aus heutiger Sicht nicht optimal“ waren und sonst die Verantwortung auf die Feuerwehr schieben, reicht uns nicht aus.
Wir erwarten von einer demokratischen Polizei mehr. Migrantische Leben müssen genauso zählen, wie alle anderen. Wir fordern Konsequenzen, nicht nur personelle, sondern vor allem bei den Abläufen der Ermittlungen.
Wie kann es sein, dass Feuerwehr und Polizei in Wuppertal und Solingen, nach den fürchterlichen Erfahrungen mit dem Solinger Brandanschlag im Jahre 1993, nach den zahllosen rassistischen Mordattacken, vom NSU bis zu Hanau, bei Brandstiftungen in migrantisch geprägten Vierteln, in Häusern, die z.T. von Migrant*innen bewohnt werden, nicht genau hinschauen.
Der oberste Grundsatz müsste eigentlich sein: Wenn es in einem Haus brennt, dass in einem migrantisch geprägten Viertel liegt und auch von einzelnen Migrant*innen bewohnt wird, muss polizeiliche Arbeit umfassend sein. Automatisch müssten alle Ermittlungsakten und Anzeigen mit Bezug auf das Haus und seine Hausbewohner*innen abgecheckt werden. Und wenn nichts vorliegt, mussen halt alle Nachbarn und Hausbewohner*innen befragt werden.
Wir erneuern hier den Vorwurf, dass die Polizei bei der Aufklärung der Brandstiftung in der Normannenstraße nicht sachgerecht gearbeitet hat.
Und wir sagen noch mal klar, der fürchterliche Brandanschlag in der Grünewalder Straße in Solingen mit den 4 Toten, hätte verhindert werden können, wenn die Polizei ihre Arbeit gemacht hätte. Auch wenn Staatssanwalt Heribert Kaune-Gebhardt offensichtlich anderer Meinung ist.
Wenn die Presseberichte stimmen, gab es vor der Brandstiftung in der Normannenstraße Vorfälle mit dem späteren Brandstifter Daniel S., die mit großer Wahrscheinlichlichkeit polizeibekannt und damit aktenkundig waren:
Prozessbericht von Adalet Solingen über den 11. Juni 2025
(https://adaletsolingen.org/2025/06/11/11-juni-2025-sitzung-16/)
„Über die Polizeiakten zum Täter Daniel S. konnte die Nebenklagevertreterin Seda Başay-Yıldız herausfinden, dass sich Daniel S. und sein Nachbar gegenseitig angezeigt hatten. […]
Der Nachbar schildert, dass die gesamte Nachbarschaft Konflikte mit dem Täter Daniel S. gehabt habe, da in der Wohnung oft gefeiert und laut Techno gehört wurde, wobei auch häufig klirrende Flaschen zu hören gewesen seien. Daher sei von verschiedenen Nachbar:innen regelmäßig die Polizei gerufen worden – auch von ihm selbst. Auf vorherige Bitten, die Musik leiser zu machen, habe Daniel S. sehr aggressiv reagiert, sodass ein Gespräch nicht möglich war. Der Nachbar berichtet weiterhin, dass Daniel S. es wohl besonders auf ihn abgesehen habe. So habe er eines Morgens Geräusche hinter der Wohnungstür gehört. Als er diese öffnete, stand Daniel S. mit einem Handy bzw. Tablet direkt vor der Tür. Als der Nachbar Daniel S. darauf ansprach, was dieser vor seiner Tür wolle, habe Daniel S. ihn prompt mit Pfefferspray attackiert, woraufhin der Nachbar ihn angezeigt hatte. Darüber hinaus sei Daniel S. auch in anderen Fällen aggressiv gewesen: er habe etwa den Nachbarn im Treppenhaus gestoßen oder bei einem gleichzeitigen Betreten des Hauses die Eingangstür von innen abgeschlossen, damit der Nachbar diese erneut aufschließen muss.“
Wir gehen davon, bzw. wir hoffen, dass die der Polizei angezeigten Auseinandersetzungen mit Daniel S. und seiner Freundin, die vor der Brandstiftung stattfanden, auch aktenkundig bei Polizei und Staatsanwaltschaft waren und auch in den entsprechenden Datenbanksystemen abrufbar waren.
Das ist aber bis heute nicht aufgeklärt.
Wir, und hoffentlich auch der Polizeibeirat in Wuppertal, die demokratischen Parteien im Stadtrat und im NRW-Landtag, die demokratischen Abgeordneten und die kritische Öffentlichkeit wollen daher wissen, was direkt nach der Brandstiftung in der Normannenstraße in den Polizeiakten über die „Vorfälle“ mit Daniel S. nachzulesen war.
Und welche Beamte die Verantwortung tragen, diese Informationen nicht abzurufen.
Und noch wichtiger: Es müsste selbstverständlich sein, und das wiederholen wir in aller Deutlichkeit: bei solchen Brandstiftungen mit migrantischen Opfern müssen in Zukunft automatisch die Datenbanken der Polizei nach möglichen Vorfällen ausgewertet werden. Das sind wir den betroffenen Menschen in Solingen und Wuppertal schuldig.
Für Kancho, Katya, Galia und Emily.
Ermordet bei einem rassistischen Brandanschlag am 25. März 2024 in Solingen.
Für die Bewohner*innen der Normannenstraße 32, deren Haus am 5. Januar 2022 angezündet wurde, die aber zum Glück von der Feuerwehr gerettet werden konnten!
Kein Platz für Nazis Wuppertal, 23. September 2025
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