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Antifaschismus

Feiern mit einem unbelehrbaren Nazi?

Günther Kissel wurde 90
Am zweiten Weihnachtstag wurde Kissel 90 Jahre alt.
Für den 13. Januar ab 11 Uhr hat er groß eingeladen ins Romantik Hotel Gravenberg in Langenfeld, an der Stadtgrenze von Solingen.
Beigelegt zur Einladung war „die Rede eines 90jährigen, die nicht gehalten wurde“.
Die 39 Seiten lange Rede habe er zugeschickt, damit „jeder die Möglichkeit hat, vorab persönlich zu
entscheiden, ob er meine Einladung trotz dieser nicht gehaltenen Rede annimmt“. Die Rede hat einen biographischen und einen aktuellen Inhalt und – wie sollte es bei Kissel anders sein – offenbart sie seine faschistische, antisemitische und Holocaust leugnende Weltanschauung ungeschminkt. Er erwartet also von seinen Gästen, wenn sie ihm am 13. Januar „Alles Gute“ wünschen, dass sie die Entscheidung getroffen haben.
Ob sie wollen oder nicht, sie dokumentieren dann mit ihrem Erscheinen eine gewisse Akzeptanz seiner politischen Haltung . Den Rat seiner Tochter, „frei von Problemen“ und „fröhlich mit Deinen Verwandten und Freunden“ zu feiern, hat er bewußt nicht befolgt, weil er es zu seinem Lebensziel gemacht habe, „für ein differenziertes Bild der eigenen deutschen Geschichte zu kämpfen“. Seine Geburtstagsfeier sieht er als Teil dieses „Kampfes“.
Sein „differenziertes Bild“ deutscher Geschichte liest sich in der „nicht gehalten Rede“ folgendermaßen:
„Durch diese Entscheidung Adolf Hitlers wurde jedoch die Macht der amerikanischen Ostküste in Frage gestellt, bzw. gebrochen. Die Abwendung vom Goldstandard und die Einführung des Tauschhandels war ein Paukenschlag und könnte der eigentliche Auslöser des zweiten Weltkrieges gewesen sein.“ Die Formulierung „Macht der amerikanischen Ostküste“ ist nichts anderes als der versteckte Hinweis auf die angebliche Weltverschwörung des jüdischen Finanz- und Bankkapitals. Kissel benutzt diese in Nazi-Kreisen gebräuchliche Formulierung, weil er weiß, dass er im Orginalton strafrechtliche Konsequenzen zu befürchten hätte. Gemeint ist nämlich: Die Juden sind am 2ten Weltkrieg und in der Folge am Holocaust selbst schuld.
„Der § 130 Strafgesetzbuch ist vor einiger Zeit in der Auslegung noch verschärft worden. Er gibt die Möglichkeit, gewisse Meinungsäußerungen als Volksverhetzung zu verdammen und zu bestrafen. Eine Anzahl von Patrioten sitzt seit Jahren deshalb hinter Gittern in Untersuchungshaft“, erklärt Kissel seinen Lesern, quasi als Begründung, warum er vorsichtig formulieren muss. Danach folgt die übliche Litanei der Auschwitzleugnung, welche in der Feststellung gipfelt:
„Die politische Sonderbehandlung Israels durch die Bundesrepublik Deutschland basiert bekanntlich auf der Feststellung, das die Deutschen an den Juden einzigartige Verbrechen begangen haben. Das ist ein grausiger Vorwurf und man gibt sich deutscherseits politisch alle Mühe, dass dieser Vorwurf unser Volk dauerhaft belastet, anscheinend für alle Ewigkeit. Ja und was macht man, wenn dieser einzigartige Vorwurf bzgl. Auschwitz inzwischen von 4 Millionen auf ca. 500.000 herabgesetzt wird?“.
Das es Kissel nicht um die historische Wahrheit geht, sondern er sich bewußt und aktiv an den Desinformations-Kampagnen der organisierten Holocaust-Leugner beteiligt, wird an einem weiteren Beispiel in seiner „nicht gehaltenen Rede“ deutlich.
Er führt einen Artikel des Spiegelredakteurs Fritjof Meyer in der Zeitschrift „Osteuropa“ (5/2002) an, in dem dieser die Zahl der in Auschwitz ermordeten Juden ebenfalls auf 510.000 relativiert. Aus dem Umstand, dass diese Zeitung von der „Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde“ unter der Präsidentschaft der ehemaligen Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth herausgegeben wird, schlußfolgert Kissel: „Wenn ein ‚Normaldeutscher‘ oder gar ‚ich‘ die vorgenannten Feststellungen von sich geben würde, dann wird er üblicherweise wegen Volksverhetzung verklagt und verurteilt. Anscheinend kommt es heute nicht auf die Sachaussage an, sondern darauf, welche Person diese von sich gibt.“ Bestärkt sieht Kissel seine These darin, dass „einige national eingestellte Deutsche“ den Autor und Frau Prof. Dr. Süßmuth bei verschiedenen Staatsanwaltschaften angezeigt hätten, aber kein Verfahren gegen diese eröffnet wurde. In Wahrheit jedoch handelte es sich hierbei um eine von Horst Mahler und anderen Holocaust-Leugnern inszenierte Kampagne, in die Günther Kissel – nach Informationen der Zeitschrift „Lotta“ – als potentieller Finanzgeber eingebunden war.
Mahlers „Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreiten des Holocaust Verfolgten“ benutzte „diese Steilvorlage aus der Mitte der Gesellschaft“ (Lotta Nr. 15, 2004), um den Artikel von Fritjof Meyer an Prominente in ganz Deutschland zu verschicken Anschließend stellten die Volksverhetzer Selbstanzeige gegen sich wegen Volksverhetzung. Ziel dieser durchsichtigen Aktion war es, durch Ausnutzung von Schwächen und Inkonsequenz des Rechtsstaates, Straffreiheit für die Leugnung des Holocaust zu erstreiten und durch massenhafte Verbreitung, die Auschwitzlüge salonfähig zu machen. Die „Erkenntnisse“ des Meyer-Artikels sind im übrigen inzwischen auch anhand der von Meyer benutzten „neuen Archivfunde“ längst widerlegt.
Was Kissel sonst noch an ekelhaften Bekenntnissen eines 90jährigen in seinem Einladungsbrief absondert, sei nur noch in Kürze anhand seiner eigenen Zitate erwähnt:
Die deutsche Sprache müsse „gegen Verflachung, Verbürgerung und Aushöhlung verteidigt werden“.
Deshalb sei eine „Tabuisierung bestimmter Sprachbegriffe“ wie „Neger“ oder „Fremdarbeiter“ oder „Fremdlinge“ abzulehnen.
„Ein sterbendes Volk“ sei das der Deutschen. „Ein sterbendes Volk kann aber Mitglieder anderer Völker
aufnehmen und dann den Eindruck von einem großen Volk geringe Zeit aufrecht erhalten. Nur ändert dies nichts an dem eigentlichen Problem des sterbenden Volkes und der sterbenden Kultur.“
„Ist es denn nicht verständlich, dass Persien eine Atombombe bauen will, als Gegengewicht gegen einen kleinen Staat in seiner Nachbarschaft, der viele Atombomben besitzt.?“
Kissel, der in der „Führerreserve“ der Heeresgruppe B als Gebirgsjäger im Kaukasus und als Kompaniechef in der „Festung Breslau“ diente, über die Nazi- und Kriegszeit:
„Die meisten Deutschen waren damals von der Rechtmäßigkeit dieser Entscheidungen überzeugt, aber wir alle, insbesondere die Jugend, haben doch irgendwie instinktiv befürchtet, dass der Neid unserer früheren Gegner durch diese außenpolitische Erfolge Adolf Hitlers doch sehr geweckt würde.“
„Selbst das persönliche Opfer von Rudolf Hess, der als Friedensparlamentarier alleine den Flug nach England wagte, hat die Ausweitung des Krieges dann nicht verhindern können.“
„Anständiger wie wir gegenüber Frankreich konnte sich kein Sieger benehmen.“
„Unanständig und unmenschlich haben die Alliierten die Mitglieder unserer letzten Reichsregierung mit Großadmiral Dönitz an der Spitze nach der Kapitulation behandelt. Man zwang diese führenden Männer regelrecht, die Hosen herunterzulassen. Sie wurden am ganzen Körper durchsucht. Eine solch schmähliche Behandlung der Repräsentanten eines besiegten Landes dürfte es in der Weltgeschichte bislang nicht gegeben haben.“
Etwa dreihundert Meter vom Romantik-Hotel Gravenberg, in dem Kissel am 13. Januar seinen Geburtstag feiern will, befindet sich die Wenzelnbergschlucht, wo am 13. April 1945, drei Tage vor dem Einmarsch der Alliierten, noch 71 Gegner der Naziherrschaft von der Gestapo durch Genickschuß ermordet wurden.
Weder die Nähe zum Wenzelnberg-Ehrenmal, noch die Nähe zu Kissels faschistischer, rassistischer und Holocaust leugnender Weltanschauung, werden einige Honoratioren dieser Stadt sicherlich nicht davon abhalten, dem Ehrenobermeister der Solinger Bauinnung auch dieses Jahr wieder ihre Aufwartung zu machen.