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(Anti-)Repression Antimilitarismus & Krieg

Solidarität mit den drei gefangenen Kriegsgegnern!

Solidaritätserklärung des Dissent-Netzwerkes
Solidarität mit den Anti-G8 Aktivistinnen die von §129a betroffen sind.
Die Taktfrequenz von 129a-Ermittlungen und Kriminalisierung politischer und sozialer Initiativen hat in diesem Jahr massiv zugenommen. Im Zuge der Anti-G8-Mobilisierung gab es am 9. Mai in mehreren Städten Hausdurchsuchungen gegen die angeblichen Köpfe der „militanten Kampagne gegen den G8-Gipfel“, hunderte Menschen gerieten durch ihr politisches Engagement ins Visier der Ermittlungsbehörden.
10 000 skandierten in vielen Städten anschließend „Wie sind alle 129a!“ und zeigten damit nicht nur ihre Solidarität, sondern stellten sich entschlossen gegen diesen Angriff des Staates.
Die Repression gegen G8-Gegner_innen hat sich während des Gipfels auf allen Ebenen verstärkt: Polizeiübergriffe und Präventivhaft waren an der Tagesordnung. Jetzt droht die Staatsanwaltschaft mit über 1000 Strafverfahren gegen Demonstrant_innen. Am Morgen des 16.8.2007 fand eine Hausdurchsuchung bei einem Bonner Atomkraftgegner statt, der Inhaber und technischer Administrator der Internetadresse www.antiatombonn.de ist. Der absurde Vorwurf: Aufforderung zu Straftaten wegen der Dokumentation des Aktionskonzeptes von der Initiative Block G8.
Am 31. Juli wurden Axel, Oliver und Florian verhaftet. Ihnen wird vorgeworfen, Bundeswehrfahrzeuge angezündet zu haben. Am gleichen Tag wurde auch Andrej festgenommen und die Wohnungen und Arbeitsplätze von drei weiteren Beschuldigten durchsucht. Das Konstrukt der Bundesanwaltschaft sieht in Andrej und den drei weiteren Beschuldigten die intellektuellen Köpfe der „militanten gruppe“ und hat sie deshalb seit September 2006 umfassend überwacht. Einer der drei in Brandenburg Festgenommenen hat sich zweimal mit Andrej getroffen. Deshalb wird ihnen jetzt nicht nur versuchte Brandstiftung vorgeworfen, sondern sie sollen Mitglieder der „militanten gruppe“ sein. Andrej wurde am 22. August von der Haft verschont, der Haftbefehl ist nicht aufgehoben.
In diesem Haftbefehl ist auch aufgeführt, Andrej sei an dem „inszenierten Widerstand gegen den Weltwirtschaftsgipfel 2007 in Heiligendamm aktiv“ gewesen. Das ist richtig. Hunderte Menschen haben im Dissentnetwerk zwei Jahre lang mit Andrej die Proteste gegen den G8-Gipfel vorbereitet; Camps, Demos und Infrastruktur aufgebaut. Wir verstehen dieses repressive Vorgehen deshalb auch als Angriff auf unsere politischen Strukturen und werden dem offensiv entgegen treten.
An dem „Aktionstag gegen Krieg, Militarisierung und Folter“ während des Gipfels in Heiligendamm waren auch maßgeblich Aktivist_innen aus dem Dissent-Netzwerk beteiligt. Unsere Solidarität wendet sich auch gegen den staatlichen Versuch, den Widerstand der drei Antimilitaristen mit dem Schreckgespenst des Terrorismus zu stigmatisieren. Der Versuch von Kriegsgegnern – ohne jede Gefährdung von Menschenleben – Bundeswehrfahrzeuge zu zerstören, ist Widerstand gegen die Kriegspolitik der Bundesregierung und kein Terrorismus.
Das Dissent-Netzwerk solidarisiert sich mit allen betroffenen Aktivist_innen.
Wir fordern die Einstellung der 129a-Verfahren!
Freiheit für Axel, Florian und Oliver!
Abschaffung der §§ 129 a-z!
www.dissentnetwork.org
Solidarität mit den drei gefangenen Kriegsgegnern!
Gegen sieben Aktivisten aus Berlin und Leipzig wird derzeit wegen des Verdachts auf Bildung einer terroristischen Vereinigung ermittelt. Seit dem 31. Juli sitzen in diesem Zusammenhang Axel H., Florian L. und Oliver R. in Berlin Moabit in Untersuchungshaft. Laut Bundesanwaltschaft sollen die drei versucht haben, auf einem Gelände der MAN-AG in Brandenburg Bundeswehrfahrzeuge anzuzünden.
Die Ankläger bezeichnen sie als Terroristen. Die Art der Verhaftung sollte dies unterstreichen: Eine Sondereinheit der Polizei stoppte die drei in ihrem Wagen, schlug die Scheiben ein und zerrte sie durch die zerbrochenen Scheiben nach draußen. Den Verhafteten wurden Säcke über die Köpfe gestülpt und Plastikoveralls angezogen. Das Ziel dieser gewalttätigen Prozedur war es, die Gefangenen zu demütigen und zu desorientieren, um Aussagen zu erpressen. Die Methode gehört zum Standardrepertoire des US-Militärs bei der Konstruktion von Feinden, ihrer Verschleppung in Geheimgefängnisse, der Folter, wie wir es aus Guantanamo-Bay und Abu Ghuraib kennen. Wie weit die deutsche KSK an diesen Einsätzen beteiligt ist, wird bisher von Parlament und Regierung geheim gehalten.
Diese brutalen Polizeimethoden aus den Handbüchern der psychologischen Kriegsführung sind ein Ausdruck der Militarisierung der Innenpolitik und stehen im Zusammenhang weitergehender Abschaffung von Bürgerrechten seit dem 11. September 2001 und dem sogenannten Krieg gegen den Terror. Die drei Beschuldigten wurden am nächsten Tag mediengerecht per Hubschrauber zur Bundesanwaltschaft nach Karlsruhe geflogen. Diese Inszenierungen sind wohl kalkuliert und sollen sie als Terroristen in der Öffentlichkeit stigmatisieren.
Die Initiativen Bundeswehr-Wegtreten setzen sich ebenfalls für die Nicht-Nutzung von Kriegsmaterial ein und kämpfen für die Abschaffung der Bundeswehr. Unsere Solidarität wendet sich gegen den staatlichen Versuch, diesen Widerstand mit dem isolierenden und kriminalisierenden Schreckgespenst des Terrorismus zu stigmatisieren. Terrorismus kennt bei der Wahl der Angriffsziele keinen Unterschied zwischen unbeteiligten Zivilisten und feindlichen Kombattanten. Die Bombardierung eines ganzen Dorfes, weil dort feindliche Kämpfer vermutet werden, unterscheidet sich in nichts von der Zündung dynamitgefüllter LKWs auf Marktplätzen oder Selbstmordattentaten. Es ist Terror gegen die Zivilbevölkerung, es ist die verheerende Folge der patriarchalen Kriegslogik – es sind zwei Seiten derselben Medaille.
Der Versuch von Kriegsgegnern – ohne jede Gefährdung von Menschenleben – Bundeswehrfahrzeuge zu zerstören ist dagegen ein Akt des Widerstandes gegen die Kriegspolitik der Bundesregierung. Die Beteiligung der Bundeswehr an den modernen Kriegen der Gegenwart dient der Sicherung von Handelswegen und dem Zugriff auf Menschen und Ressourcen, heißt es in den „Verteidigungspolitischen Richtlinien“. Oder im Klartext: Die Militarisierung der Außenpolitik unter dem Deckmantel der Humanität dient ausschließlich der Aufrechterhaltung einer ungerechten Weltwirtschaftsordnung, deren Ziel der größtmögliche Profit ist. Die Folgen sind bekannt: Millionen Hunger-Tote in Afrika, Asien und Lateinamerika, Tausende von Toten an den Grenzen der Wohlstandsinseln Europas und Nordamerikas, die Zerstörung der Natur, der Raubbau natürlicher Ressourcen und eine fortschreitende Verarmung in den reichen Ländern des Nordens. Nicht Blockaden, Desertion und auch nicht Sabotage sind verbrecherisch; der weltweite Kapitalismus ist das Menschheitsverbrechen.
Immer mehr Menschen bezweifeln den Sinn des als unausweichlich herbeigeredeten „war on terror“. Mehr und mehr Menschen fordern den Rückzug der Truppen aus Afghanistan und dem Irak. In Italien protestieren in diesen Wochen Zehntausende gegen den Bau einer neuen US-Militärbasis in Vicenza. Die britische Rüstungsindustrie ist Ziel von breiten Kampagnen gegen den Waffenhandel. Mit einem Marsch zum Pentagon protestierten Zehntausende im März in Washington gegen den Irakkrieg. In Deutschland ist der Widerstand gegen die Militarisierung nach Außen und Innen bisher zu wenig entwickelt. Es gibt zwar Friedensdemonstrationen, Proteste gegen öffentliche Gelöbnisse der Bundeswehr, jährliche Aktionen gegen die NATO-Sicherheitskonferenz in München, aber kaum übergreifende Kampagnen gegen die Beteiligung der Bundeswehr an den verschiedenen Kriegsschauplätzen der Welt.
Dabei sind die Chancen für eine antimilitaristische Praxis nicht schlecht. Schließlich hält sich die Kriegsbegeisterung der Bevölkerung in Grenzen. Das Image der Bundeswehr ist so schlecht, dass der Armee die Nachwuchskrieger ausgehen. Deshalb setzt die Bundeswehr auf modernes Akzeptanz-Management, Event-Marketing und Werbetouren. Mit mehr als 600 Rekrutierungs- und Reklameeinsätzen jährlich überzieht sie das ganze Land. Für mehrere Millionen Euro steuern »Karriere-Trucks« die Innenstädte an, bauen Wehrdienstberater auf Messen, Berufs-Info-Börsen und in Schulen ihre Werbestände auf, und allmonatlich finden Werbeveranstaltungen in Arbeitsämtern statt. Für den Werbefeldzug der Bundeswehr ist Hartz IV ein zentrales Rekrutierungsinstrument. Es sind (vielfach) die Perspektivlosigkeit am Arbeitsmarkt – besonders für Jugendliche – und der immer stärker werdende Druck auf Erwerbslose, jeden noch so miesen Job annehmen zu müssen, die den Menschenfängern der Bundeswehr den Nachschub an Rekruten verschaffen. Und die Arbeitsagenturen sind die Erfüllungsgehilfen. Ausbildung und berufliche Qualifizierung werden davon abhängig gemacht, dass Menschen bereit sind, das Todeshandwerk zu erlernen und anzuwenden.
Bundeswehr Wegtreten hat in den letzten Monaten – gemeinsam mit Erwerbslosengruppen – einen kleinen Beitrag dazu geleistet, die Werbeshows der Bundeswehr zu stören. Es geht um das generelle Zurückdrängen einer Bundeswehr, die sich zunehmend im öffentlichen Raum breit macht. Eine unwidersprochene Alltagspräsenz des Militärs spiegelt nicht nur, sondern prägt auch gesellschaftliches Bewusstsein zugunsten einer fortschreitenden Militarisierung im Inneren. Die Versuche, die Bundeswehr immer stärker in polizeiliche Aufgaben einzubinden, zählen genauso dazu wie die Ausweitung der kontrollierenden, repressiven Zugriffe durch Online-Durchsuchungen.
Wir wissen, bis zur Abschaffung der Bundeswehr ist es noch weit. Bis dahin müssen noch viele Werbeshows des Militärs gestört werden, SoldatInnen massenhaft desertieren, die Rüstungsschmieden Espressomaschinen herstellen und das Kriegsgerät verschrottet sein. Der Versuch der drei Aktivisten, die LKWs der Bundeswehr unbrauchbar zu machen, war ein Beitrag zur Abrüstung der Bundeswehr.
Widerstand ist legitim und notwendig !
Antimilitaristische Aktionen sind kein Verbrechen !
Sofortige Freilassung von Axel, Florian und Oliver !
Bundeswehr Wegtreten !
Linke Politik verteidigen. Zum „mg“-Verfahren
Nachfolgend einige Gedanken zu den laufenden §129a-Verfahren. Es geht um die Inhaftierung von Axel, Oliver und Florian, um die Verfahren wegen angeblicher Mitgliedschaft in der „militanten gruppe“ und um die Repression gegen die G8-Protestvorbereitung. Der Artikel zielt darauf, linke Politik zu verteidigen und Solidarität gegen staatliche Repression aufzubauen.
Linke Politik verteidigen – deshalb riefen am 9. Mai 2007 in Berlin, Hamburg und anderswo tausende DemonstrantInnen: „Wir sind alle 129a“. Die Bundesanwaltschaft hatte an diesem Tag bundesweit 40 linke Projekte, Wohnungen und Arbeitsplätze durchsuchen lassen. Die Vorwürfe gegen namentlich 21 Verdächtige lauteten auf „Gründung einer terroristischen Vereinigung zur Verhinderung des G8-Gipfels“ und „Gründung der terroristischen Vereinigung ‚militante gruppe'“ nach §129a. Erkannt wurde dieser Polizeiüberfall zu Recht als Versuch, die Mobilisierung gegen den G8-Gipfel einzuschüchtern und zu spalten. Beides wurde entschieden zurückgewiesen. Der anschließende Zorn gegen den Staat stärkte die Kampagne gegen den G8-Gipfel.
Am 31. Juli wurden drei Leute – Axel, Florian und Oliver – bei Brandenburg an der Havel verhaftet. Sie sollen beim Anzünden von Bundeswehr-LKWs beobachtet worden sein. Noch am gleichen Tag wurde in Berlin Andrej verhaftet. Er soll sich Monate zuvor mit einem der drei getroffen haben. Beobachtet wurde er dabei, weil gegen ihn seit einem Jahr ein §129a-Ermittlungsverfahren läuft. Der Vorwurf: „Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung ‚militante gruppe'“. Das wird weiteren drei Personen vorgeworfen, deren Wohnungen am 31. Juli durchsucht, die aber nicht festgenommen wurden. Gegen die vier Verhafteten wurde Untersuchungshaft verhängt. Andrej ist inzwischen auf Kaution freigelassen worden. Axel, Florian und Oliver sind noch im Knast.
Ein versuchter Brandanschlag gegen Fahrzeuge der Bundeswehr auf einem Gelände der Rüstungsfirma MAN – so lautet der Vorwurf, der ihnen gemacht wird. Wir verstehen das als antimilitaristischen Sabotageakt. Gegen die deutsche Kriegspolitik muss sich linke Politik richten. Die zunehmende Militarisierung im Inneren und die weltweiten Kriegseinsätze der Bundeswehr stehen jeder emanzipatorischen Entwicklung entgegen. Aus diesem Grund häuft sich Sabotage gegen Kriegsgeräte. Deshalb waren die Aktionstage gegen Krieg und Militarisierung ein wichtiger Teil der Proteste im Juni an der Ostsee. Deshalb geht die jährliche „Münchner Sicherheitskonferenz“ nicht ohne Protest vonstatten. Aus demselben Grund stört die Kampagne „Bundeswehr wegtreten!“ in Arbeitsagenturen die Werbe- und Rekrutierungsveranstaltungen der Bundeswehr.
Militante Aktionen sind, besonders im Vorfeld der Mobilisierung gegen den G8-Gipfel, häufiger geworden. Die Ignoranz der Macht gegenüber den Protesten gegen Krieg, neoliberale Globalisierung und Sozialabbau blieb damit nicht unbeantwortet. Brandanschläge auf Bundeswehrfahrzeuge stellen, genauso wie die massenhaften Blockaden des Tagungsortes der G8, das Gewaltmonopol des Staates offen in Frage. Diese Entwicklungen sieht der Staat nicht gerne. Die repressive Antwort war daher zu erwarten. Militante Politik und mögliche Perspektiven einer revolutionären Organisierung sollen im Keim erstickt werden, auch und gerade nach Heiligendamm. Die Entschlossenheit, die sich über die gemeinsame Erfahrung der Stärke entwickelt, war bei den Blockaden für alle sichtbar. Dagegen soll Angst verbreitet werden.
Kontaktschuld & Gedankenverbrechen?
Der „Terrorismus“-Vorwurf, mit dem jetzt zahlreiche AktivistInnen konfrontiert werden, ist alles andere als ein Vorwand. Bewusst als diffamierender Begriff konstruiert, ist er die staatliche Reaktion auf den Widerstand: Straßenschlachten, Brandanschläge vor dem G8-Gipfel, die „militante Debatte“ und nicht zuletzt: die „militante gruppe“. Seit 2001 führt sie Angriffe gegen multinationale Konzerne, Justizbehörden, Arbeitsämter und andere Institutionen aus. Der Staatsschutz hat dagegen nichts ausrichten können, was als Fahndungserfolg zu verbuchen wäre. Nur vor diesem Hintergrund können wir uns erklären, dass zum Textvergleich als kriminalistische Methode Zuflucht genommen wird. Da verstehen wirklich welche die Welt nicht mehr.
Dass Terrorvorwürfe – in der Folge: Überwachung, Hausdurchsuchungen, Verhaftungen – mit vagen Konstruktionen von Gedanken- und Textübereinstimmungen begründet werden können und der Unibibliotheksausweis als Verdachtsmoment durchgeht, das fördert die Angst. JedeR soll sich bedroht fühlen. Viele, tausende, haben deshalb gegen die Festnahme von Andrej, er ist promovierter Soziologe, protestiert und dazu beigetragen, dass er aus dem Knast kam – vorläufig. Die implizite Sorge und Behauptung, alle linken WissenschaftlerInnen müssten nun mit der Verhaftung rechnen, ist allerdings eine Überzeichnung. Wer die Welt interpretiert, hat nichts zu befürchten, wer praktische Konsequenzen zieht und sie auch verändern will, wird gefährlich. Die Verbindung der sozialen Forschung mit dem sozialen Widerstand erst ruft den Staatsschutz auf den Plan.
Der Erkenntnisgewinn, den das Rasterprogramm ausspuckt, ist banal: Linke aller Schattierungen und Methoden, DozentInnen wie Militante setzen sich mit denselben Fragestellungen in denselben Begriffen auseinander. Es ist außerdem gut zu wissen, dass sich schon Engels mit der Wohnungsfrage beschäftigte und die Zimmerwalder Linke bereits wusste, dass der Krieg nicht „der Demokratie (und) der Befreiung unterdrückter Völker“ dient. Denn die Themen sind schließlich anschlagsrelevant. Gibt es irgendeinen Bereich der Kritik an den herrschenden Zuständen, von der Gesundheits- bis zur Arbeitsmarktreform, von patriarchalen Strukturen bis zum behördlichen Rassismus, der – vernünftig gedacht – nicht einen Brandsatz rechtfertigen würde? Die Metapher vom „sozialen Sprengstoff“ ist real. Linke Kritik und Intervention will die Lunte dran legen.
Davon können wir uns nicht distanzieren. Sich gemein machen, weil es um die gemeinsame Sache geht, das ist die Grundlage von Solidarität. Wer da eine Verschwörung wittert, hat Recht – und liegt doch völlig falsch. Natürlich sind wir auch solidarisch mit den drei Gefangenen und den von in diesem Ermittlungsverfahren bedrohten Genossen, weil wir selbst in Sachen „mg“ beschuldigt werden. Einige Libertad!-Aktivisten werden deshalb seit Jahren observiert und überwacht, ihre Wohnungen und unser Berliner Büro wurden am 9. Mai durchsucht. Ähnlich wie in dem neueren Verfahren wird in der Übereinstimmung formulierter Ziele, Überschneidungen in der Argumentation und Bezugnahme die Mitgliedschaft vermutet.
Gegen den Sicherheitsstaat
Zentral in diesen Ermittlungen sind die §§129ff. Sie ermächtigen die Verfolgungsbehörden zum temporären Ausnahmezustand. Das war im Kaiserreich so, als der Paragraf in der SozialistInnen-Verfolgung zur Anwendung kam, die Nazis nutzten ihn, gegen die KPD wurde er nach dem Verbot 1956 in Anschlag gebracht, seit den 1970er Jahren richtet er sich gegen die bewaffnete und militante Linke. Der ursprüngliche §129 („kriminelle Vereinigung“) wurde x-mal angepasst und erweitert. Inzwischen gibt es schon den §129b und, wenn wir Schäubles Vorhaben richtig verstehen, soll noch das ganze Alphabet per Zusätze durchgegangen werden. Verknüpft mit zahlreichen Sondergesetzen, die Rechte wie die freie Anwaltswahl und eine unüberwachte Verteidigung einschränken bzw. außer Kraft setzen, ist er eine scharfe Waffe gegen oppositionelle Bewegungen.
Die §§129ff sind nicht „Gesinnungsparagrafen“ in dem engeren Sinn, dass der Zweck die Kriminalisierung abweichender Meinungen wäre. Vielmehr geht es um die vermuteten oder tatsächlichen Konsequenzen aus der als gefährlich ausgemachten Gesinnung. Der Verdacht wird genährt aus ähnlichen Begriffen (wie im aktuellen Verfahren) oder aus Symbolen wie dem roten Stern (während der Verfolgung der RAF) oder der roten Nelke (in der KommunistInnenverfolgung).
Selbstverständlich würde ein Brandanschlag gegen Bundeswehrfahrzeuge auch ohne die §§129ff strafrechtlich verfolgt. Aber das Terror-Etikett schafft ganz andere Möglichkeiten. Der Polizei wird jeder Lauschangriff gestattet und für Haftbefehle reicht oft schon die Behauptung eines Verdachts. Deshalb muss sich die Solidarität auch gegen den Sicherheitsstaat richten.
Salz in der Suppe und Sand im Getriebe
Gerade in der Konfrontation mit der Repression geht es jetzt darum, linke Politik zu verteidigen. Natürlich sind die Kriegseinsätze der Bundeswehr, Hartz IV und das neoliberale Programm „anschlagsrelevante Themen“. Davon, und wie der Widerstand organisiert werden kann, soll die Rede sein. Die gemeinsame Mobilisierung gegen G8 hat aufgezeigt, welches Potenzial, welche Kreativität, welche Bereitschaft zum entschiedenen Widerspruch wir mobilisieren können.
Nach den Beschuldigungen hat sich der versuchte Anschlag gegen die Bundeswehr gerichtet. Ihre Ausrichtung als Eingreiftruppe im globalen Ausnahmezustand geht einher mit einer zunehmenden Militarisierung der Gesellschaft. Der Krieg ist normal geworden, ein Dauerzustand, der kaum mehr wahrgenommen wird; so wie die Folter keinen Zivilisationsbruch mehr darstellt, sondern eine zwar hässliche, aber notwendigerweise zu diskutierende Option. Dagegen versuchen wir mit Kampagnen und Initiativen die Frage von Krieg und Frieden, Ausnahmezustand und Folter auf die Tagesordnung emanzipatorischer Politik zu setzen. Diejenigen, die demonstrieren und die die Bundeswehr angreifen, haben das gleiche Ziel. Wir kritisieren allerdings, dass für noch viel zu wenige diese Frage zentral ist.
Welche Kampagnen und welche Aktionsformen gegen die Kriegspolitik am wirkungsvollsten sein werden, das zu diskutieren ist Sache der Antikriegsbewegung. Es muss darum gehen, wie der Widerstand hier so stark werden kann, dass der Rückzug der Truppen aus Afghanistan konkret auf die Tagesordnung kommt. Ganz sicher werden wir uns dabei nicht an den Gesetzen eines Staates orientieren, der auf der einen Seite Sachbeschädigung als Terrorismus diffamiert und auf der anderen Seite einen Angriffskrieg zur Entwicklungshilfe erklärt. Freiheit für Axel, Florian, Oliver und alle politischen Gefangenen. Sofortiger Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan. Schluss mit allen Kriegseinsätzen.
http://www.libertad.de
Solidarität organisieren. §129a abschaffen.
Am 31. Juli 2007 wurden Axel, Florian, Oliver und Andrej festgenommen. Dass nicht gleich geschossen wurde, war dann schon fast verwunderlich. Hatte doch unlängst Innenminister Schäuble angemahnt, dass die gezielte Tötung von Verdächtigen rechtlich noch ungeklärt sei. Glück gehabt, könnte man also meinen, wurden doch in den letzten Jahren die Gesetze meist nur noch der realen Praxis der Staatsgewalt von Polizei und Militär angepasst. Aber das jüngste §129a-Verfahren zeigt uns, wohin die Reise gehen wird, wenn die radikale Linke nicht endlich beginnt, mit bestimmten Formen der Selbstisolierung zu brechen, und moderate Kräfte gleichzeitig begreifen, dass ihr ewiges Lamento der Gewalt-Distanzierung auch keine Lösung, sondern ein Teil des Problems ist.
Den Gefangenen und drei weiteren Beschuldigten wird „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ (§ 129a StGB) vorgeworfen. Die sieben sollen laut Bundesanwaltschaft in der „terroristischen Vereinigung“ – „militante Gruppe“ („mg“) – aktiv sein. Axel, Florian und Oliver wurden in der Nacht zum 31. Juli erst observiert und dann verhaftet, nachdem sie versucht haben sollen, vier Fahrzeuge der Bundeswehr auf dem Gelände der Firma MAN in Brandenburg/Havel in Brand zu setzen. Ihre Festnahmen markieren das Ende einer gut gemeinten antimilitaristischen Aktion. Gleichzeitig stellen sie auch einen Generalangriff auf militante linke Politik dar, indem sie für die jahrelange Jagd auf die „mg“ herhalten müssen. Kurz nach den Festnahmen, am Morgen des 31. Juli wurden die Wohnungen und teilweise Arbeitsplätze von Andrej und drei weiteren Beschuldigten, gegen die kein Haftbefehl vorliegt, durchsucht. Allen vier wird „intellektuelle Täterschaft“ zur Last gelegt. Diese begründen die Ermittlungsbehörden damit, dass Bibliotheken benutzt und bestimmte Begriffe wie „Gentrifizierung“ in Texten verwendet wurden. Zudem hätten sich die vier zu Schulden kommen lassen, im Studium oder der Promotion die intellektuellen Fähigkeiten angeeignet zu haben, „die vergleichsweise anspruchsvollen“ Texte der „mg“ zu verfassen. Die einzige Verbindung, die es zwischen Axel, Florian und Oliver und jenen vier Personen gibt, sind zwei angeblich konspirative Treffen zwischen Florian und Andrej. Wie bei den § 129a-Verfahren vom 9. Mai geht der Staatsschutz also von einer Arbeitsteilung von Kopf und Hand aus, bei der die einen Anschläge verüben während andere Urherber der Planungen und der Verlautbarungen sind.
Der §129a hat eine ganz eigene Logik: Mit ihm ist es möglich, ohne einen konkreten Tatnachweis Menschen hinter Schloss und Riegel zu bringen – und das für lange Zeit. Unterstellungen und konstruierte Indizienketten als Ausgangspunkt sind ständige Begleiterinnen von §129a-Verfahren. So musste sich Ende der 1980er Jahre die Journalistin Ingrid Strobl vorwerfen lassen, sie gehöre den Revolutionären Zellen (RZ) an, weil sie einen Wecker gekauft hatte. Denn, so der Zirkelschluss der Generalbundesanwaltschaft, die RZ sei so verantwortungsvoll, dass sie nur Mitgliedern zumute, Material für Anschläge zu beschaffen. Und so wurde Ingrid Strobl zur RZ-Militanten, obwohl nie auch nur ein Beweis dafür vorlag, dass sie wusste, was mit dem von ihr gekauften Wecker passierte. Eine ähnlich absurde Konstruktion stellt das aktuelle Verfahren dar. Deshalb ist vor allem klar: Der §129a muss weg!
Die andauernde Verschiebung dessen, was als legitim (im Gegensatz zu legal) erachtet wird, hängt natürlich auch mit dem Anti-Terrordiskurs seit dem 11. September 2001 zusammen. Der Staat verändert ständig die Vorstellung dessen, was staatsgefährdend oder terroristisch ist und konstruiert im zweiten Schritt fleißig Terrornetzwerke. Deren diffuse und unübersichtliche Struktur wiederum, so die Argumentation, muss sich der Staat ebenso wie seine Überwachungs- und Verfolgungstechnik immer wieder neu anpassen, dies ist auch ein Grund für die geplante Erweiterung des §129. Die Wahnvorstellung, alles und alle überwachen und kontrollieren zu können, findet gerade seinen Ausdruck darin, dass falls der Staatsschutz etwas nicht mitkommt, dies gleich als konspirativ, ergo subversiv und schlussfolgernd wahrscheinlich staatsgefährdend sein muss. Hier wirkt eines der wahnwitzigen Funktionsprinzipien des Staates, das einen unserer Genossen in den Knast gebracht hat. Dabei darf nicht allein bzw. unkritisch – wie in den letzten Monaten oft zu hören ist – auf eine ominöse Privatsphäre, die es zu schützen und zu bewahren gilt, verwiesen werden. Der zunehmende Kontroll- und Überwachungswahn sollte für eine Linke vor allem deshalb Gegenstand von Kritik sein, weil er zunehmend die Rechte und Möglichkeiten politischer und sozialer Assoziation und Organisierung untergräbt. Nach der Logik des gegenwärtigen präventiven Sicherheitswahns darf im Kern nur der Staat Politik machen und die ihm wohl gesonnen Parteien und auf ihn fixierten Interessensvertretungen. Dieses Prinzip zeigt sich vor allem daran, dass der präventive Charakter des Sicherheitsstaats in den Vordergrund rückt und immer weitere Straftaten – so genannte Vorfeldhandlungen – konstruiert werden, die nichts mit strafbaren Handlungen im engeren Sinn gemein haben. So soll zum Beispiel mit der Ausweitung des §129 (auf Absatz c und d) das Herunterladen von Bastelanleitungen für Sprengsätze oder das Sammeln von „nicht unerheblichen Vermögenswerten“ bereits unter Strafe gestellt werden (Die Welt, 09.05.2007).
Dass in den letzten Jahren derart viele §129a-Verfahren ohne spürbare öffentliche Empörung oder gar Widerstand möglich waren – die spontanen Reaktionen nach den Razzien am 9. Mai waren angesichts des bevorstehenden G8-Gipfels offensichtlich eine Ausnahme – ist auch eine Konsequenz unserer eigenen Politik: Dass die Ermittlungsbehörden Staatsfeinde ausmachen und gegen jegliche rechtsstaatlichen Spielregeln wegsperren können, ist auch das Resultat einer politischen Ausrichtung, die Kapitalismus- und Staatskritik, Radikalität und antagonistische Politik mit Selbstisolierung verwechselt. Statt zu versuchen, mit der eigenen Politik in die Gesellschaft zu intervenieren, feiern sich viele Linke als kleinste radikale Minderheit.
Das Vorgehen der Ermittlungsbehörden ist somit ein Ergebnis von gesellschaftlichen Kräfteverhältnissen. Mit derartigen Verfahren sollen sie zu unseren Ungunsten verschoben werden. Denn wie der Blick in die Geschichte zeigt, trifft der Paragraf 129a vor allem linke Strukturen und Zusammenhänge, die mit Hilfe dieser Sondergesetzgebung sehr einfach ausspioniert, eingeschüchtert und isoliert werden können. Nicht zuletzt daher würde es der radikalen Linken durchaus zugute kommen, wenn die Masse an Verfahren, VS-Ansprachen und Beobachtungen der letzten Zeit – erinnert sei an die Spitzel im Berliner Sozialforum – nicht als Ausdruck von Stärke, sondern einerseits als Schwäche der Linken und andererseits als Verdrängung bürgerrechtlicher Standards und linksliberaler Positionen aus der politischen Debatte und Öffentlichkeit gedeutet werden würde. Die Repression und Verfolgung der letzten Monate und Jahre ist auch Resultat der Isolierung der Linken sowie von herrschaftskritischen und emanzipatorischen Positionen – eines zunehmend verengten Rahmen des Sag- und Denkbaren. Dies muss als Ausdruck einer gesamtgesellschaftlichen Konstellation verstanden werden, deren Ursache auch im sektiererischen Charakter linksradikaler Politik begründet ist – einer Politik, die sich mit sich selbst und ihren Ritualen und Gewissheiten begnügt und gleichzeitig auch nicht willens ist, die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse insgesamt nach links zu verschieben.
Ein Ausdruck dieser Politik ist auch eine militante Praxis à la „mg“. Auch die „mg“ muss sich durchaus scharfe, aber solidarische Kritik gefallen lassen. Denn eine kritiklose Akzeptanz ihrer Politik verhindert eine linke Diskussion über Strategien und Mittel ebenso wie die allgemeine Forderung, „der Gewalt“ abzuschwören. Doch dazu gleich.
Die Politik der „mg“ geht nicht von den realen existierenden Kräfteverhältnissen aus. Die Folgen dieser Fehleinschätzung sind für eine radikale linke Politik nicht gerade von Vorteil – im Gegenteil. Die militanten Aktionen waren trotz thematischem Bezug zu realen Kämpfen nie Ausdruck einer realen sozialen Bewegung und damit auch kaum vermittelbar. Die „mg“ verfolgt genau die Form selbstbezogener Politik, die die radikale Linke isoliert hat. Das Beispiel des Anschlags auf das Finanzamt Berlin-Neukölln in der Neujahrsnacht 2002/2003 zeigt dies deutlich: Nachdem der Anschlag im Feuerwerk und den 500 Bränden in jener Nacht medial unterging, zog die „mg“ daraus in einer Erklärung (25.02.2003) die Konsequenz, dass klandestine Medien erhalten und ausgebaut werden müssten, um den Informationsfluss zu garantieren. Die Vermittlung und Vermittelbarkeit der eigenen politischen Aktionen zielt so nur auf die radikale Linke. Manche Anschläge sind überhaupt nicht vermittelbar. So zum Beispiel der Anschlag auf das Polizeipräsidium in Tempelhof im April 2006, während der Beerdigung eines Polizisten, der im alltäglichen Einsatz erschossen wurde. Diese Form militanter Politik verändert an den herrschenden Kräfteverhältnissen wenig und trägt noch weniger dazu bei, dass sich Menschen zu organisieren beginnen und anfangen sich kollektiv zu wehren.
Trotz allem muss die Kritik an militanter Politik solidarisch und konkret bleiben. Denn auch eine allgemeine Abgrenzungswut durch das linke Distanzierungskartell, der Leute, die z.B. ohne jede Trennschärfe Sachbeschädigung als Gewalt verurteilen, ist an der gegenwärtigen Lage nicht unbeteiligt. Wer meint, sich ganz allgemein von Gewalt oder militanter Politik distanzieren zu müssen, der/ die stützt einen Diskurs, der die Hau-drauf-Politik des Staatsapparats trägt. Distanzierung schließt somit bestimmte Formen der Praxis endgültig aus, macht sie indiskutabel, entzieht sie der politischen Auseinandersetzung und legt somit eine Grundlage für staatliche Repression. Sie ermöglicht die Identifizierung derjenigen, die sich nicht unterwerfen wollen. Aus einem Streit über angemessene und legitime Formen des Widerstands und Protests, Ziele und Möglichkeiten linker Politik, wird so inkriminierbare Gesinnung. Was sich allgemein als Distanzierung von jeglicher Gewalt äußert, ließ sich zuletzt am Distanzierungsdrang während des Gipfels in Heiligendamm erkennen. Von pauschalen Distanzierungen, Übernahme der Polizeipropaganda bis hin zur geforderten Auslieferung von „Straftätern“ war vieles im Stimmengewirr der Entsolidarisierung zu vernehmen. Von manchen wurden da Genossen als „Fremdkörper“ (taz) bezeichnet und ein Peter Wahl macht mit seinem „Wir wollen euch nicht mehr sehen!“ den Trennungsstrich und die Aufkündigung von Solidarität mehr als deutlich.
Distanzierungen von Gewalt einzuklagen, ist im Endeffekt nichts anderes, als die politischen Akteure auf den Staat und seine Logik einzuschwören. Dieser Logik sollten wir uns entziehen. Einer der zentralen Momente des gegenwärtig im stärker sich herausbildenden präventiven Sicherheitsstaats ist der allgemeine Verdacht gegen alle, die nicht Ja und Amen sagen. Dabei greift die Strategie von Angst und realer Verfolgung ineinander. Eine verallgemeinerte Politik der Verunsicherung funktioniert nur dann, wenn der Staat auch ernst macht, wenn er Personen mit §129a-Verfahren überzieht und wegsperrt. Wer hat sich in Berlin nach dem 31. Juli nicht überlegt, wen der Beschuldigten er/sie kennt und wann und unter welchen Umständen ein letztes Treffen stattfand. Aus der „Kontaktschuld“ wird so schnell eine „Berührungsfurcht“ (Peter Brückner), die weit reichende politische Folgen hat. Das Ergebnis ist ein umfassendes System der Isolierung. Soll ich noch auf diese oder jene Demo gehen, wenn dort die Polizei wieder in großen Maßstab filmt? Soll ich wirklich mit meiner politischen Initiative eine Solidaritätsadresse schreiben? Welche Kneipen sollte ich lieber nicht regelmäßig aufsuchen? Kann ich bei google überhaupt mal „militante gruppe“ eingeben, um mich zu informieren, was die so schreiben? Eines ist dabei klar: Ohne offene Gewalt und Repression ist diese Form der Politik der Angst unwirksam und nutzlos. Aber die ständig neuen Verfahren sind nicht einzig und allein als Form der Kriminalisierung zu interpretieren, sind dienen auch der Stigmatisierung von radikalen Linken generell. Einer Stigmatisierung, der offensiv begegnet werden muss – durch solidarischen Umgang und einem selbstbewusster Politik, die sich nicht einschüchtern lässt. Unsere Solidarität gilt deshalb allen Gefangenen vom 31.Juli 2007!
Doch Solidaritätsarbeit darf nicht zur Selbstbestätigung der eigenen „antagonistischen“ Politik werden. Mit der auch von Teilen der radikalen Linken forcierten Isolierung muss jetzt gebrochen werden. Vielmehr gilt es, in den kommenden Wochen und den folgenden Monaten deutlich zu machen, dass das aktuelle, wie auch die anderen §129a-Verfahren ein zentrales Moment des präventiven Sicherheitsstaats und der forcierten Politik der Angst sind. Nicht erst die Vorratsdatenspeicherung stellen einen Dammbruch dar, sondern alle Formen der Verfolgungspolitik im Rahmen des § 129a. Unser Ziel muss es sein, jeglichen staatlichen Einschüchterungsmaßnahmen solidarisch und gemeinsam entgegenzutreten.
In diesem Sinne:
Freiheit für Oliver, Florian, Axel und Andrej!
Solidarität mit den Gefangenen und Beschuldigten vom 31. Juli 2007 organisieren!
Abschaffung von Paragraf 129a ff.!
Für eine linke Strömung, August 2007
Wir sind alle 129a
Bundeskoordination Internationalismus wertet jüngste Verhaftungen
in Zusammenhang mit der „militanten gruppe“ als Angriff auf Meinungsfreiheit
Die Bundeskoordination Internationalismus (BUKO) betrachtet die jüngste Eskalation bei der Verfolgung linker AktivistInnen nach Paragraf 129a (Bildung einer terroristischen Vereinigung) als Angriff auf die freie Meinungsäußerung. Die gegen das BUKO-Mitglied Andrej H. vorgebrachten Vorwürfe bewertet die BUKO als Kriminalisierung auch ihrer eigenen politischen Arbeit. Die BUKO fordert die BAW auf, die Beschuldigten freizulassen und die Verfahren wegen 129a StGB einzustellen.
Am 1. August 2007 hat die Bundesanwaltschaft (BAW) Haftbefehle gegen vier mutmaßliche Mitglieder der nach § 129a StGB als „terroristische Vereinigung“ eingestuften „militanten gruppe“ (mg) erlassen. Den drei am Tag zuvor Verhafteten Florian L., Oliver R. und Axel H. wird ein versuchter Brandanschlag gegen Bundeswehrfahrzeuge zur Last gelegt, der, so die BAW, „eine Vielzahl von Parallelen zu Anschlägen der ,militanten gruppe (mg)‘ in der Vergangenheit“ aufweist. Im Falle des vierten Beschuldigten, des Sozialwissenschaftlers Andrej H., reichen angebliche „konspirative Treffen“ sowie die Benutzung von „Schlagwörtern und Phrasen, die in Texten der ,militante(n) Gruppe (mg)‘ gleichfalls verwendet werden“, um ihn der Mitgliedschaft in einer „terroristischen Vereinigung“ zu bezichtigen.
Die Anwendung von Paragraf 129a auf diesen Fall zeigt, wie der Generalvorwurf „Terrorismus“ benutzt wird, um gegen Kritik an Staat und Gesellschaft vorzugehen. Besonders deutlich ist dies im Falle des beschuldigten Andrej H.: Inhalte angeblicher konspirativen Treffen mit einem der drei anderen Beschuldigten sind der BAW nicht bekannt. „Terrorismus“ wird ihm aufgrund von Passagen aus seinen wissenschaftlichen Arbeiten vorgeworfen.
Die Verhaftungen stehen in einer Linie mit der Razzia vom 9. Mai gegen Gruppen, die in die Vorbereitung der Proteste gegen den G8 involviert waren sowie mit den Durchsuchungen in Bad Oldesloe und Berlin kurz nach dem G8. Auch damals wurde das Phänomen „militante gruppe“ als Argument für den Versuch angeführt, das Aufbewahren von Informationsmaterial, die Veröffentlichung von Büchern oder das Aufrufen zu Aktionen des zivilen Ungehorsams als „terroristische Akte“ zu diffamieren und entsprechend gegen Beschuldigte vorzugehen.
Mit der Begründungen der Haftbefehle vom 1.August 2007 wird nun eine neue Dimension erreicht: Andrej H., Stadtsoziologe und langjähriger Aktivist in zahlreichen stadtpolitischen Gruppen beschäftigt sich vorrangig mit Themen wie Stadtumstrukturierung und der Verdrängung von MieterInnen durch Aufwertungsprozesse (Gentrifizierung). Das sind auch die Themen des BUKO-Arbeitsschwerpunkts Stadt-Raum, in der Andrej H. aktiv ist. „Wir, die BUKO und unsere Arbeit, werden hier unter Terrorismusverdacht gestellt“ sagt Martina, BUKO-Mitglied und Mitbegründerin des Arbeitsschwerpunkts. Offensichtlich reicht den Strafverfolgungsbehörden die kritische Auseinandersetzung mit bestimmten Inhalten, um Menschen als „Mitglied einer terroristischen Vereinigung“ zu kriminalisieren. Sollte sich eine als terroristische Vereinigung eingestufte Gruppe des Vokabulars oder der Themen eines von wem auch immer veröffentlichten Textes bedienen, kann der Autor – so wurde gerade bewiesen — wegen § 129a StGB in Untersuchungshaft gesetzt werden. Das zeigt das ganze Ausmaß der Willkürlichkeit, die dieser Paragraf erlaubt. „Wenn es als ,terroristisch‘ gilt, Meinungen frei zu äußern, kritische Forschung zu betreiben oder sich für gesellschaftliche Veränderungen zu engagieren — dann sind wir alle TerroristInnen.“, sagt Armin Kuhn, ein Sprecher der BUKO. Paragrafen wie 129a StGB, die eingesetzt werden, um missliebige Meinungen zu unterdrücken, sind eines Rechtsstaates unwürdig und gehören abgeschafft.
Unsere Solidarität gilt den Beschuldigten sowie ihren FreundInnen und Angehörigen, denen wir für die kommende Zeit viel Kraft und Mut wünschen.
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