Antifa? ComeBack!
Von HoGeSa 2014 zu HoGeSa 2.0
Am 26. Oktober 2014 fand in Köln einer der größten bundesweiten Nazi-Aufmärsche seit langem statt. Rund 5.000 Nazi-Hools kamen an dem Tag nach Köln und randalierten durch die Innenstadt, während eine völlig überforderte Polizei lediglich dabei zuschaute, wie die Nazi-Hools ihre Gewaltexzesse auslebten. Die Mobilisierung fand vor allem mithilfe sozialer Medien statt. Besonders Facebook ermöglichte es Rassist*innen im vergangenen Jahr, sich zu vernetzen und in ihrem Hass gegenseitig zu bestärken – und ermöglicht dies auch weiterhin. HoGeSa konnte durch digitale Präsenz enormen Einfluss gewinnen, um sich schließlich auch offline zum “Vollstrecker des Volkswillens” zu gerieren. Von dieser Entwicklung waren auch viele Antifaschist*innen überrascht und so fiel der Gegenprotest gegen die angereisten Nazi-Hools äußerst gering aus.
Genau ein Jahr danach rufen mehrere extrem rechte Hooligan-Gruppen erneut zu einer Großdemonstration in Köln auf. Es muss für das gesamte Wochenende (23.-25. Oktober) mit einer großen Anzahl an Nazis und rechten Hooligans in Köln gerechnet werden. Das Motto „Dergleiche Ort, Diegleiche Demoroute, Diegleiche Uhrzeit, Dergleiche Anmelder“ (Rechtschreibfehler im Original) macht unmissverständlich klar, was das Ziel der Veranstaltung ist: Eine Neuauflage der Geschehnisse vom letzten Jahr.
Mit dem Motto “gegen Salafismus” hatte sich HoGeSa 2014 ein gesellschaftlich anschlussfähiges Thema gesucht. Dass es den Nazi-Hools nicht um Salafismus ging (und bis heute nicht geht), sondern darum, ihre rassistische Hetze – wahlweise gegen Migrant*innen, Flüchtlinge oder Andersdenkende – auf die Straße zu tragen, ist bereits im letzten Jahr mehr als deutlich geworden. Mittlerweile wird aus denselben Kreisen hauptsächlich gegen Geflüchtete gehetzt, was vermutlich auch das prägende Thema für HoGeSa 2.0 in Köln sein wird.
Bestärkt durch den erlebten Machtrausch und die aufkommende Pegida-Bewegung hinterließ der Aufmarsch im letzten Jahr auch regional Spuren. So pöbelten Nazis im vergangenen Jahr eine Zeit lang jedes Wochenende in der Kölner Innenstadt, es kam zu Angriffen und Schmierereien auf linke Projekte und zu einem versuchten bewaffneten Überfall auf eine Gedenkveranstaltung anlässlich des NSU-Anschlages in der Kölner Probsteigasse.
HoGeSa markierte mit der sich zeitgleich formierenden Pegida-Bewegung außerdem den Anfang neuer rassistischer Mobilisierungen und Angriffe in ganz Deutschland, die im Laufe des vergangenen Jahres an Stärke gewannen – und an Intensität bis heute zunehmen. Während sich die Mobilisierungen hauptsächlich gegen Geflüchtete richten, geht damit auch eine deutliche Zunahme rassistischer Alltagserfahrungen von Menschen einher, die bereits lange oder in x-ter Generation in Deutschland leben.
Doch die neuen rassistischen Mobilisierungen bleiben keineswegs unwidersprochen, sondern treffen auf eine breite Gegenbewegung: Immer mehr Menschen positionieren sich gegen rassistische Hetze und wir erleben eine Welle von Solidarität und Hilfsbereitschaft gegenüber Geflüchteten, die nicht nur uns in ihrer gesellschaftlichen Breite und Intensität überrascht hat. Beides ist aus unserer Sicht Ausdruck einer immer stärkeren Polarisierung und Spaltung innerhalb der Gesellschaft.
Bestärkung per Gesetz
Innerhalb des vergangenen Jahres gab es überall in der BRD massive rassistische Mobilisierungen gegen Geflüchtete und deren Unterkünfte. Die Zahl der Angriffe ist mittlerweile dreimal so hoch wie noch in 2012. Den traurigen vorläufigen Höhepunkt bildete zuletzt Heidenau. Organisierte Neonazis versuchen dabei verstärkt, wie auch in Heidenau, vorhandene Rassismen und Ressentiments in der Bevölkerung aufzugreifen und weiter zu schüren – beispielsweise bei Informationsveranstaltungen über Asylbewerber*innenunterkünfte innerhalb der Nachbarschaft oder durch Kampagnen wie “Nein zum Heim”. Nicht überall haben diese Strategien den gleichen Erfolg, doch an vielen Orten gelingt es Neonazis und Rassist*innen damit, ihre Hetze zu verbreiten. Durch die verharmlosende Benennung als “besorgte Bürger*innen” wird ihnen noch Legitimität zugesprochen.
Gleichzeitig tun einige Politiker*innen ihr Bestes, die rassistischen Mobilisierungen zu verharmlosen oder die Hetze sogar anzutreiben. Wer rassistische Argumentationen durchgehen lässt oder gar als “berechtigte Ängste” betitelt, wer Rassist*innen lieber “zuhört” statt sie in die Schranken zu weisen, der ist mitverantwortlich dafür, dass Bewegungen wie Pegida groß werden und damit eine Form der politischen Legitimation erfahren, die sie in ihrem Rassismus bestärkt und unterstützt. Auch durch die aktuellen Verschärfungen des Asylrechts können sich Rassist*innen bestätigt fühlen, liest sich einiges doch als direkte Umsetzung ihrer Forderungen.
Ja, der Anstieg der Geflüchtetenzahlen ist eine gesellschaftlich herausfordernde Situation – es kommen viele Menschen nach Deutschland und an vielen Orten stellt ihre Versorgung ein organisatorisches Problem dar. Aber die aktuelle „Flüchtlingskrise“ ist nicht einfach unvorhergesehen „hereingebrochen“. Schon seit Jahren ist die Entwicklung zu erkennen, dass wieder mehr Menschen flüchten müssen. Seit Jahren hätte sich die Bundesregierung auf die Situation vorbereiten können. Finanzielle und materielle Mittel sind in ausreichendem Umfang vorhanden – sie müssten nur bereitgestellt werden.
Von bundespolitischer Ebene wird stattdessen suggeriert, materielle und logistische “Engpässe” seien der Grund für mangelhafte Unterbringung, unzureichende sozialpsychologische Betreuung und fehlende Verpflegung von Geflüchteten. Die vermeintliche „Ressourcenknappheit“ wird allzu gerne als Argument benutzt, um Verschärfungen im Asylrecht und einfachere Abschiebungen von Geflüchteten aus bestimmten Regionen, zum Beispiel aus den Balkanstaaten, zu fordern. Momentan erleben wir, wie mit der angeblichen Überforderung die Errichtung von Lagern in Grenzregionen und die Wiedereinführung von Grenzkontrollen legitimiert wird. Dass Geflüchtete, die über Ungarn geflohen sind, nun doch trotz Dublin III ihren Asylantrag in Deutschland stellen “dürfen”, ist einer Ausnahmesituation geschuldet und wird jetzt von Merkel und Co. als Druckmittel gegen andere EU-Staaten eingesetzt. Diese unsolidarische und spalterische Politik produziert soziale Konflikte und spielt Menschen wissentlich gegeneinander aus.
Fluchtgründe und Wohlstandschauvinismus
Die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen werden auch auf europäischer Ebene in einem politischen Klima der Abschottung vorangetrieben. Die EU hat in den letzten Jahrzehnten nicht nur einen massiven neoliberalen Umbau der Gesellschaft betrieben, sondern auch die Grenzen militärisch abgesichert. Über die eigenen Grenzen hinweg trägt die EU international zu einer Durchsetzung neoliberaler Politik bei. In vielen Ländern hat dies mit zu Verhältnissen geführt, die Menschen dazu veranlassen, ihrer Heimat den Rücken zu kehren. Fluchtgründe sind vielfältig: seien es Kriege, Umweltkatastrophen, rassistische Diskriminierung oder einfach “nur” die Verschlechterung der Lebens- und Arbeitsbedingungen. Das sind die zwei Seiten derselben Medaille: Wohlstand und Aufstiegsversprechen hier funktionieren nicht ohne Ausbeutung und Armut dort.
Trotzdem scheint die Mehrheit der Deutschen zu glauben, ihr Wohlstand sei irgendwie verdient und selbstverständlich. Diese Ansicht tritt besonders in der Griechenland-Debatte zu Tage. Öffentliche Hetz-Kampagnen gegen “die Griech*innen” verschleiern, dass es nicht um einen zu erhaltenden Wohlstand der eigenen Bevölkerung geht, sondern darum, wirtschaftliche Interessen in einem neoliberalen System gnadenlos durchzusetzen. Deutschland ist und bleibt der größte Profiteur der Krise. Die deutsche Exportwirtschaft hat Griechenlands Verschuldung erst maßgeblich vorangetrieben.
Nun zeigt sich langsam, dass diese chauvinistische Politik ihren Preis hat: Ausbeutung bleibt nicht ohne Folgen. Mobilität und Migration sind ein Ergebnis dieser Außen- und Wirtschaftspolitik. Sie stehen aber nur jenen wenigen Menschen auf legalem Wege offen, die im Sinne der herrschenden Politik als “nützlich” erachtet werden. Allen vermeintlich “Unnützen” bleibt nur der schwierige Weg über die oftmals tödlichen Außengrenzen.
Anstatt diese Zusammenhänge zu erkennen und zu kritisieren, richtet sich die Wut über Sozialabbau in den europäischen Ländern gegen die ohnehin schon am meisten von Verelendung und Diskriminierung betroffenen Menschen. Überall in Europa sind in den vergangenen Jahren rechtspopulistische Parteien in die Parlamente eingezogen oder sind sogar an Regierungen beteiligt. Nach unten zu treten ist leichter als politische Zusammenhänge zu erkennen und zu benennen.
Die Einteilung von Menschen in Kategorien von “nützlich” und “unnütz” führt auch hierzulande in den Debatten um Geflüchtete dazu, dass vor allem von Fakten, Zahlen und technischen Daten gesprochen wird. Diese Technisierung der Debatte ermöglicht es, dass Menschen wie Waren behandelt werden. Und sie verschleiert Rassismen. Die entsprechenden Statistiken wiederum sind den Rassist*innen wohlfeiles Mittel, sich in Diskurse einzuklinken und sie in ihrem Sinne zu verschärfen.
„Gute und schlechte“ Flüchtlinge? – every refugee is a political refugee!
Gerne wird immer wieder zwischen “guten” und “schlechten” Flüchtlingen unterschieden. Es wird behauptet, es gäbe zwei Kategorien von Flucht: eine “echte” und eine “unechte”, nämlich die aufgrund ökonomischer Bedingungen.
Wenn Menschen nicht gerade aus Syrien geflüchtet sind, werden sie in der gesellschaftlichen Debatte gerne als „Wirtschaftsflüchtlinge“ oder „Armutsflüchtlinge“ tituliert. Somit wird ihnen indirekt unterstellt, sie seien kriminell, denn sie würden „ja nur in unsere Sozialsysteme einwandern“ wollen. Dass es viele Motive gibt, die Menschen dazu veranlassen, in ein anderes Land zu ziehen, wird einfach ausgeklammert. Ob Menschen migrieren oder um Asyl bitten, ist oft einfach davon abhängig, welche legalen oder auch illegalisierten Möglichkeiten ihnen zur Verfügung stehen. Diese fatale Unterteilung von Menschen hat zur Folge, dass realpolitisch Fakten geschaffen werden, um bestimmten Gruppen ein Aufenthaltsrecht zu verwehren. So werden Staaten willkürlich zu “sicheren Herkunftsstaaten” deklariert und damit Menschen der Zugang zu Asyl und Schutz in Deutschland verweigert. Das trifft vor allem Rom*nja, denen in ihren Heimatländern systematisch der Zugang zu Arbeit, Gesundheitsversorgung und Bildung verwehrt bleibt.
Die Unterteilung in „gute“ und „schlechte“ Flüchtlinge führt im Ergebnis dazu, dass Menschen gegeneinander ausgespielt werden mit der Folge, dass Bomben und Kriege als legitimer Asylgrund gelten, aber systematisch verursachte Armut und Diskriminierung nicht. Diesen Rassismus durch die Hintertür können und dürfen wir nicht gelten lassen. Es ist egal, warum Menschen fliehen und sich woanders eine Lebensgrundlage aufbauen wollen: Jeder und jedem steht das Recht auf ein Leben in Würde zu.
Die Etablierung einer „Willkommenskultur“?!
An vielen Orten haben sich Willkommensinitiativen gegründet, die direkt Hilfe leisten und so die Stimmung vor Ort entscheidend prägen. Tausende Menschen organisieren zusammen mit Geflüchteten Willkommensfeste, empfangen und versorgen Menschen an Bahnhöfen, sammeln Kleiderspenden, organisieren Sprachkurse und Begleitung bei Behördengängen. Das ist nicht nur für die Geflüchteten wichtig, sondern nimmt auch Rassist*innen und Neonazis den Raum, ihre Hetze zu entfalten. Diese Entwicklung darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es nach wie vor einen weit verbreiteten Rassismus in der deutschen Gesellschaft gibt.
Deshalb ist es für die radikale Linke wichtig zu betonen, dass Antirassismus nicht bei einer rein humanitären Hilfe stehenbleiben darf und die Kategorisierung in die “guten” Kriegsflüchtlinge und die “bösen” Wirtschaftsflüchtlinge beispielsweise auch innerhalb der Willkommensinitiativen anzutreffen ist. Eine daraus resultierende pauschale Abgrenzung von Willkommensinitiativen und Helfer*innen als vermeintlich entpolitisierte Hippies, wie es manche Teile der Linken tun, ist dabei aus unserer Sicht jedoch nicht der richtige Weg. Stattdessen müssen wir die Diskurse innerhalb der Willkommensinitiativen politisieren und radikalisieren. Nur so kann sich eine “Willkommenskultur” entwickeln, die gegen die Abschottung an den EU-Außengrenzen und gegen rassistische Stimmungsmache Stellung bezieht, statt bei einem bloßen individualisierten “Helfen” stehen zu bleiben.
Wir brauchen mehr Menschen, die sich lautstark gegen institutionellen und gesellschaftlichen Rassismus positionieren und aktiv werden, um diese Zustände zu ändern. Initiativen, die Flüchtlinge bei der Flucht unterstützen, oder die Besetzung von Gebäuden, um sich für und mit Geflüchteten menschenwürdigen Wohnraum anzueignen, sind gute Bespiele dafür, wie eine solche Praxis aussehen kann.
Ausblick
Das “Zeitfenster der Menschlichkeit” – als sich die Bundesregierung nicht zuletzt unter dem Druck der Bilder verzweifelter Flüchtlinge genötigt sah, für einen kurzen Zeitraum die Grenzen zu öffnen – wird eine kurze historische Episode bleiben. Die Zeichen stehen längst wieder auf Abschottung und Abschreckung. Die jetzt angekündigten drastischen Verschärfungen des kaum noch existenten Asylrechts zeigen, was die Zukunft bringen wird: Lebensbedingungen für Geflüchtete werden dramatisch verschlechtert und Abschiebungen erleichtert, um Menschen abzuschrecken, weiterhin nach Deutschland zu kommen. Die “nützlichen” Flüchtlinge sollen dafür schneller und effizienter als “Humankapital” dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt werden. Der weitere Ausbau der EU-Außengrenzen steht als nächster Punkt auf der Agenda der deutschen Regierung. Ob es mit diesen Maßnahmen gelingt, die Migrationsbewegungen zu stoppen, darf bezweifelt werden – der Druck, vor Bürgerkrieg und sozialer Verelendung zu fliehen, ist zu groß, als dass er sich von Grenzzäunen aufhalten ließe.
Gleichzeitig haben wir es mit einer zunehmend aggressiver auftretenden Neonaziszene zu tun. Täglich hören wir von Anschlägen und Angriffen irgendwo in Deutschland. Die Erfahrungen, die in der rechten Szene gerade mit Brandanschlägen und ähnlichem gesammelt werden, sind der Nährboden für neue rechtsterroristische Gruppen. Es ist davon auszugehen, dass in den nächsten Monaten und Jahren nicht nur die Quantität, sondern auch die Qualität rechtsterroristischer Anschläge weiter zunehmen werden.
Auch die rassistische Stimmung in Teilen der Bevölkerung kann weiter anwachsen und sich durch die Dynamik sozialer Netzwerke verstärken und formieren. In welcher Form sich diese manifestieren wird, bleibt abzuwarten – ob auf der Straße als Pegida oder “Bürgerwehr xy” und/oder in Parlamenten durch rechte Parteien.
Bleibt also die Frage, wie wir als radikale Linke damit umgehen. Beispiele wie Heidenau zeigen nicht nur, wozu die organisierte Naziszene in Zusammenarbeit mit Rassist*innen vor Ort in der Lage ist, sondern auch, auf welchen Ebenen eine Intervention unsererseits stattfinden muss. Den Nazis muss die Straße genommen werden, damit der Riot gegen Geflüchtete als Mitmachspektakel für alle ein schnelles Ende hat. Denn Antifaschismus kann nur erfolgreich sein, wenn es ihm gelingt, einerseits Neonazis und Rassist*innen auf der Straße wie auch diskursiv zurückzudrängen und andererseits Formen der Partizipation und Kommunikation anzubieten, um Menschen einzubinden und zu politisieren.
Antifaschistische Intervention und antirassistische Basisarbeit zu verknüpfen und zu vernetzen ist heute aus unserer Sicht wichtiger denn je. Dafür müssen wir vermehrt mit denjenigen Menschen zusammenarbeiten (und sie bestärken), die Unterstützung für Geflüchtete leisten. Das Zugehen auf und die Politisierung von Willkommensinitiativen oder anderen solidarischen Strukturen ist notwendig, um den Rassist*innen vor Ort das Wasser abzugraben und eine nachhaltige antirassistische Gegenbewegung aufzubauen. Eine Gegenbewegung, die nicht in einer wohltätigen Perspektive verharrt. Aber auch Solidarität und verstärkte Zusammenarbeit mit Selbstorganisierungen von Geflüchteten ist unbedingt notwendig – hier haben wir als radikale Linke immer noch Nachhol- und Lernbedarf. Die Vernetzung von Betroffenen, lokalen Unterstützer*innen und Aktivist*innen wird uns nachhaltig stärken. Dies kann und sollte lokal passieren.
Für uns alle gilt: Raus aus der persönlichen Comfortzone, die Zeit des passiven Kritisierens ist vorbei. Wer Veränderung schaffen will, muss handeln!
Eine erste Möglichkeit dazu bietet sich am Wochenende des 24. und 25. Oktober in Form der zahlreichen Aktivitäten gegen den geplanten Aufmarsch von HoGeSa. Lasst uns zusammen an dem Samstag mit einer kraftvollen Demonstration unsere Inhalte auf die Straße tragen und am nächsten Tag HoGeSa aus der Stadt jagen.
Rassistische Verhältnisse angreifen – Solidarität mit allen Geflüchteten und allen von Rassismus Betroffenen!
AKKU im Oktober 2015
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Was tun wenn’s brennt?!
Mit dem rassistischen Normalzustand brechen
Zwischen Januar und August 2015 wurde nahezu täglich in der Bundesrepublik Deutschland ein Anschlag auf ein Flüchtlingsheim verübt. Dieser Satz steht für sich allein. Es muss kein Aufruf mehr folgen, um zu handeln. Dieser Fakt ist eine Illustration der absoluten Notwendigkeit, die Zustände, die ihn hervorbringen, aufzuheben.
Die Bürgerkriege des Nahen Osten erzeugen Fluchtbewegungen, die Tausende das Leben kosten. Sie gehen auch auf geo-strategische Interventionen europäischer Staaten zurück.
Diese Kriege werden begleitet von der unerträglichen Einsicht, dass die ertrinkenden Flüchtlinge vor den Mörderbanden dieser Welt ihr nacktes Leben nur retten konnten, um woanders einen sinnlosen Tod zu sterben. Dies ist der alltägliche Wahnsinn eines Systems, das Armut und Krieg ebenso produziert wie Zahnbürsten. Dieser Aufruf entstand in einem Land, welches sich stets in einem Freudentaumel der Selbstvergewisserung befindet, wenn es dem Rest des Kontinentes, auch aufgrund des eigenen Imperialismus, abgrundtief dreckig geht. Gleichzeitig führen die angestiegenen Zahlen von Geflüchteten in den Zeitungen unausweichlich dazu, dass penibel gerechnet wird, um abzuprüfen, ob die Verdammten dieser Erde der nationalen Volkswirtschaft nicht zu sehr auf der Tasche liegen.
In den Staat des Kapitals können Waren jederzeit frei einreisen, Menschen brauchen Pässe und Visa. Es wird verlangt, Waren aus den entferntesten Winkeln der Welt direkt vor unsere Haustür zu liefern. Menschen, die einen jedoch unfassbar viel beschwerlicheren Weg hinter sich bringen müssen, schlägt keine Begrüßung entgegen. Im Gegenteil: Mob und Elite stehen Schulter an Schulter gegen die imaginierte „Einwanderung in unsere Sozialsysteme“.
Die Nächte sind kalt im Abendland
Der antimuslimische Rassismus der Deutsch-Nationalen ist nur der sichtbare Ausdruck einer Debatte, die den Kampf der Kulturen wie eine Realität behandelt, und eben nicht wie die Wahnvorstellung, die sie ist. Das Hirngespinst vom aufgeklärten Individuum, das mit natürlichem Recht die Welt und sich selbst beherrsche, brauchte schon immer das Zerrbild des Wilden, der sie von außen bedroht. Die Deutung des Islamismus als Ausdruck einer rückständigen Kultur ist das Verlogene, das sich selbst belogen hat. Sie erhält ihre Grundlagen aus der Ideologie der bürgerlichen Demokratien selbst, wird deshalb erzählt und von ihren Erzähler_innen geglaubt. Eine Kritik am Islamismus kann nur heißen, ihn auf seine materielle Basis, auf seine ideologische Gestalt und seinen Klassencharakter zu befragen, kurz: seine Wurzeln in der Gesellschafts- und Produktionsform zu untersuchen. Eine solche Kritik kann nur zu dem Schluss kommen, dass der Islamismus eine im höchst gefährlichen Sinne moderne Bewegung ist: Die Ablösung gescheiterter Befreiungsversuche im Nahen Osten, Teil einer Internationale der Reaktion (zu der auch Nazis und HoGeSa Hooligans gehören).
Der eindimensionale Mann
Im letzten Jahr hat unter den Freunden des Menschenhasses besonders das „HoGeSa“-Label von sich reden gemacht. Seit dessen Aufkommen machen nun wieder einmal Hooligans Jagd auf Menschen mit anderer Hautfarbe, statt mit anderer Vereinsfarbe. 5000 Menschenfeinde zogen im Oktober durch das vermeintlich bunte und weltoffene Köln und griffen alles an, was nicht in ihr Weltbild passt. Dieser Bund konnte sich bisher zum Glück nicht als Bewegung etablieren. Dies ist auch auf interne Streitigkeiten zurückzuführen. Dennoch haben gewalttätige Übergriffe von Nazis und anderen Rassist_innen seit dem Entstehen auch in Gegenden zugenommen, die bisher weitgehend davon verschont blieben – zum Beispiel in Köln.
„HoGeSa“ hat dem Gewaltfetisch der Männerbünde eine Möglichkeit gegeben zu ihrem wahren Potential zu finden. Was ohnehin rechtspolitisch aufgeladen war, äußert sich nun organisiert und offen als Solches. Von Verwertungszwang und Konkurrenz, von klein auf getrimmt zum stahlharten Kriegerideal, machen sie sich auf, um ihre heimische Suppe gegen das äußerliche Übel zu verteidigen, wenn die bürgerliche Gesellschaft ihnen keine genehme Vernutzungsposition mehr bieten kann. Nicht zufällig sagt ein gängiges, rassistisches Ressentiment, jene, die von außen kämen, nähmen „uns die Frauen weg“. In diesem in seiner Modernität archaischen Männerbild gehört die Frau ebenso zum Besitz wie Arbeitsstelle, Geld und Golf. Wenn eines davon fehlt, wird gegen die Feinde marschiert, die dieses Männerbild in der Phantasie derer, die es haben, bedrohen.
Die zivilen Vorarbeiter des Staates tun währenddessen ihr Möglichstes, um die Hooligans zu einem Randphänomen zu erklären, welches nichts mit der demokratisch geläuterten BRD zu tun habe. Bequem werden sie zu Versagern erklärt, die die Spielregeln halt nicht verstünden und sich deshalb nun mal nur prügeln könnten. HoGeSa trifft die Gesellschaft auch nicht so unvorhersehbar, wie es so oft behauptet wird: rassistische, nationalistische Formierungen sind ebenso wechselnde Konjunkturen, wie Aufschwungphasen und Rezessionen. Während die gewalttätigen Banden dieses Landes ihren Kampf im Jagen von Migrant_innen, Journalist_innen und Linken oder wahlweise in der Randale gegen Salafismus sehen, braucht die Mehrheit der deutschen Bevölkerung keinen Finger krumm zu machen. Die Grenzschutzbehörden und Frontex haben die rechten Menschenjäger und Brandstifter der 90er mit ihrem kalkulierten Massenmord auf dem Mittelmeer schon längst überflüssig gemacht. Die Gewaltausbrüche der Hooligans und die „Zivilisiertheit“ der Mehrheitsgesellschaft sind in der Gesamtheit der Zusammenschlüsse, die auf Wertverwertung und nicht auf Bedürfnisbefriedigung ausgerichtet ist, zwei Seiten derselben Münze.
Warum „OXI!“ sagen, wenn niemand zuhört?
Diese Dualität zeigt sich unter anderem, wenn die BRD sich aufmacht andere Länder zu „zivilisieren“, ob mit Panzern, oder – wie im aktuellen Fall Griechenlands – ökonomisch und politisch. Unter dem rassistischen Begleitgesang der deutschen Medien, die immer bereit waren der griechischen Bevölkerung Faulheit und der griechischen Regierung wahlweise Dummheit oder Hinterlist zu unterstellen, wurde der Einmarsch gegen soziale Sicherheit, staatliche Gesundheitssysteme und zuletzt offen gegen die bürgerliche, parlamentarische Selbstbestimmung Griechenlands vollzogen. Begleitet wurde dies von der Begeisterung des Durschnitts-Deutschen, der sich schon zu Zeiten des preußischen Königshauses stets mit dem Zahlmeister identifizierte. Dies schlug sich in beispielloser Zustimmung für Finanz-Feldmarschall Wolfgang Schäuble nieder und bewies einmal mehr, dass der Nationalismus die schwere Artillerie ist, die alle Berliner Mauern in den Grund schießt. Doch die illusorische Vereinigung der Menschen in Nationen bedeutet anderswo ihre vollendete Trennung: An den Mauern Europas sterben jedes Jahr mehr Menschen als an der einen, die der deutsche Nationalismus einriss. Die Festung Europa entspricht den Mauern in den Köpfen. Sie sind als siamesische Zwillinge miteinander verbunden, Kinder einer Gesellschaft, die die Aufteilung der Welt zu ihrer Produktion benötigt.
Springer auf dem Schachbrett der Herrschaft
Die gesammelte Medienlandschaft von „BILD“ bis „ZEIT“ halten gemeinsam dem_der besorgten Bürger_in den Taschenrechner, wenn der gemeine Deutsche sich fragt, ob er sich das Elend der anderen überhaupt leisten kann.
Währenddessen wird gestrickt an der Geschichte des geläuterten Deutschlands, das ein lockeres, offenes Verhältnis zu sich selbst, seiner Vergangenheit und dem Rest der Welt habe. Deutschland möchte seine Vergangenheit begraben und sich in die Reihe demokratischer Staaten einreihen. Doch es tut das anders, als es denkt: Der Rassismus der heutigen Prägung ist ein Produkt dieser Demokratie und nicht der NS-Volksgemeinschaft. In einer Gesellschaft, in der Individuen vom Kindesalter an um ihre Lebensgrundlagen konkurrieren müssen, werden Autoritätshörigkeit, Rassismus und Chauvinismus zur zweiten Natur. Während überall im Land die Heime brennen, halluziniert der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer vom „massenhaftem Asylmissbrauch“. Der von ihm zitierte Spruch, Deutschland sei nicht das Weltsozialamt, findet von SPD / CSU über die AfD bis hin zu Pegida, HoGeSa, Kameradschaften und anderen Widerlichkeiten breite Zustimmung. Die Weisheit, dass wer nicht arbeite, auch nicht einreisen solle, findet im deutschen Wohnzimmer ebenso seinen Platz wie Couch und Fernseher.
Willkommenskultur – Steine und Flaschen
Wenn der rassistische Wahn seine Phantasie nicht mehr im Internet ausleben kann, tritt er aus den Wohnzimmern der Kleinstädte, aus den Mietwohnungen wie auch den Einfamilienhäusern, hinaus auf die Straße. Heidenau, ein Dorf in der Nähe von Dresden, versucht sich seit einigen Tagen an einer Fortsetzung von Rostock Lichtenhagen. Ein beängstigend großer Teil der Bevölkerung ist sich einig, dass der eingebildeten Bedrohung mit realen Vernichtungsversuchen begegnet werden muss. In den Tagen seit dem 21.8.2015 unternimmt der Mob den Versuch, die Menschen, die vor den Kriegen und Krisen dieser Welt fliehen, mit mörderischer Gewalt abzuwehren. Dem rassistischen Angriff muss nun überall entschlossen entgegengetreten werden, damit es nicht bald viele Heidenaus in der Republik gibt.
Der Grad des Eifers und des Schreckens, mit denen der rassistische Normalzustand verteidigt wird, zeigt, wie weit die Dämmerung schon fortgeschritten ist. Es gibt tatsächlich einige Menschen, die Geflüchteten Hilfe leisten. Dieses Richtige wird in der wirklich verkehrten Gesellschaft jedoch ein Element des Falschen. Die aufrechten Wenigen tragen mit ihrem Wirken – mitunter ohne es zu wollen – mit dazu bei, dass das Märchen vom weltoffenen Deutschland stolz weitererzählt wird. Asylgegner_innen aller Art können darauf verweisen, dass nun wirklich genug getan werde. Dies auszusprechen ist kein Argument gegen die Hilfe, kein Bestreiten ihrer Existenz. Es ist aber ein umso entschiedenerer Aufruf zum Widerstand gegen das furchtbare Ganze, von dem auch sie nur ein kleiner Teil ist.
Die Verteidigung gegen den rechten Mob bedeutet den Angriff auf die Verhältnisse!
Der rassistische Normalzustand kann nicht beseitigt werden von diesem Staat und der sogenannten Zivilgesellschaft. Er kann nur beseitigt werden von einer Bewegung, die die Verhältnisse angeht, aus denen er erwächst und den jetzigen Zustand aufhebt. Diese „wirkliche Bewegung“ nennen wir Kommunismus.
Ende Oktober 2015 nach Köln: Für einen antinationalen Antirassismus!
Samstag, 24. Oktober: Antirassistische Demonstration
Sonntag, 25. Oktober: HoGeSa Aufmarsch verhindern
Antifa AK Köln (organisiert bei …umsGanze!), August 2015
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