Da unsere Veranstaltungspläne für die nächsten Wochen sowieso über den Haufen geworfen wurden wollten wir die Zeit nutzen, unsere Gedanken sortieren und ein kleines Statement zur derzeitigen Situation abgeben.
Wir begrüßen den Entschluss des AZ Wuppertals alle geplanten Veranstaltungen nicht aufgrund staatlicher Restriktionen, sondern aus Eigenverantwortlichkeit abzusagen. Die Corona Pandemie breitet sich gerade hierzulande aus und es werden in den nächsten Wochen eine große Anzahl an Menschen an COVID 19 erkranken. Die Verbreitung lässt sich nicht mehr stoppen, aber unser aller Ziel sollte es sein die Ausbreitungsgeschwindigkeit so stark zu reduzieren, dass möglichst wenig Krankheitsfälle gleichzeitig auftreten um eine bestmögliche medizinische Versorgung zu garantieren. Gerade für Menschen die zu den sogenannten Risikogruppen zählen kann das überlebenswichtig sein.
SARS COV 2 ist das Coronavirus, welches die Krankheit COVID 19 auslöst. Die schnelle Ausbreitung des Erregers ist in unserer globalisierten Welt nicht verwunderlich, wird allerdings durch verschiedene Faktoren verstärkt. Das Virus wird von Mensch zu Mensch durch Tröpfcheninfektion übertragen und zwar bereits bevor Krankheitssymptome bei Infizierten erkennbar sind, was eine Kontrolle der Verbreitung sehr schwierig macht.
Hinzu kommt, dass es das erste Mal ist, dass sich das Virus in der menschlichen Population verbreitet und somit noch keine spezifische Immunabwehr existiert.
Derzeit wird die Mortalitätsrate des Virus in den meisten Ländern auf knapp unter 1% geschätzt (womöglich liegt sie noch niedriger da die Dunkelziffer der Infizierten um einiges höher sein dürfte als bekannt ist). Auch wenn diese Zahlen sehr niedrig wirken im Vergleich zu anderen Krankheiten, sollten die absoluten Todeszahlen dabei nicht unterschätzt werden. Wenn das Robert Koch Institut 10 Millionen Infizierte befürchtet müsste man demnach mit bis zu 100 000 Toten allein durch das Virus rechnen. Hinzu kommt die höhere Gefährdung durch andere Krankheiten bei Überlastung der Gesundheitssysteme, sowie potentiell tödliche Folgen sozialer Isolation.
Unseren Alltag nicht unerheblich bestimmen wird das Virus wohl so lange bis in der Population genug Menschen immun sind um die Verbreitung einzudämmen (was durch Entwicklung und zur Verfügungstellung eines Impfstoffes beschleunigt werden kann).
Neu an der Pandemie ist auch, dass der Westen in einem solchen Maße betroffen ist. Eine Großzahl von Seuchen, welche weitaus tödlicher sind als Corona (bspw. Ebola) wüteten seit der Nachkriegszeit hauptsächlich in der dritten Welt. Unser neokolonialer Blick auf diese Ereignisse währte allerdings nie wirklich lange. Sind wir es doch gewohnt, dass in Afrika Menschen an Krankheit, Hunger oder Krieg sterben. Auch für die Pharmaindustrie hält sich die Motivation an Heilmitteln zu forschen stark in Grenzen, wenn von einer Krankheit Menschen mit nur geringer Kaufkraft betroffen sind.
Das soziale Leben wurde in Deutschland bereits weitgehend heruntergefahren.Verschlimmert sich die Lage, ist auch hierzulande mit Ausgangssperren zu rechnen. Es wäre naiv von uns zu glauben dass die Architekten des Polizeistaates nicht genau hinschauen würden um zu lernen wie gut diese Maßnahmen umzusetzen sind. Wie stark der öffentliche Raum kontrolliert werden kann und wie sehr die Menschen diese Reglementierungen hinnehmen werden. Die Erfahrungen die von den Wegbereitern der Faschisierung des Staates im Zuge der Coronakrise gemacht werden, werden uns mit Sicherheit in Zukunft wieder begegnen. Wir sollten darauf vorbereitet sein.
Es geht uns auch nicht darum in Abrede zu stellen, dass gewisse Maßnahmen notwendig sind um der Pandemie zu begegnen.
Die Frage ist allerdings: welche Maßnahmen werden getroffen und wer entscheidet das nach welchen Kriterien?
Wo Arbeit im sozialen und Bildungsbereich ausgesetzt wird und kleine Selbstständige in eine wirtschaftliche Misere geschleudert werden, sollen die Arbeiter*Innen in den Produktionsstätten der großen Konzerne weiter ihre Gesundheit riskieren um deren Wirtschaftsbilanz nicht zu gefährden (Die Schließung von Produktionsstätten bspw. bei VW erfolgte erst nach Bekanntwerden von Infektionen innerhalb der Belegschaft und v.a. dem Auftreten von Lieferengpässen). Natürlich gibt es unzählige Arbeit gerade im Gesundheitssektor und der Nahrungsmittelversorgung, welche nicht ausgesetzt werden kann. Doch diese Last auf breite Schultern (auch nach Möglichkeiten und Gefährdungsgrad) zu verteilen, dass vermag der Kapitalismus nicht. Der Markt regelt hier nix und der private Investor ist nicht der beste Entscheidungsträger wenn es ums Allgemeinwohl geht.
Auch, dass Menschen an den EU Außengrenzen auf engstem Raum zusammengepfercht werden, ist nicht nur unmenschlich, sondern eine Gefährdung für uns alle. Solche Lager können der Verbreitung des Virus in einem nicht vorhersehbarem Maße Vorschub leisten. Ginge es wirklich um das Wohl aller Menschen müssten die Lager aufgelöst und die Geflüchteten (wenn schon nicht aus Menschlichkeit, so doch wenigstens um das Virus einzudämmen) über Europa verteilt werden.
Stattdessen werden die Grenzen noch hermetischer abgeriegelt, so als ob sich ein Virus aussperren ließe. Die europäischen Regierungschefs haben mehr Angst vor ihren Wählern als vor dem Virus.
Und so gehen sowohl die Eliten in der Wirtschaft, als auch in der Politik über Leichen.
Es wird abermals deutlich, dass der Kapitalismus keine Antwort auf die Krise hat.
Der Kapitalismus hat nicht nur keine Antwort auf solche Krisen, er verursacht sie auch.
Wie von vielen anderen Viren ausgelöste Krankheiten, zählt auch COVID 19 zu den sogenannten Zoonosen. Das sind Krankheiten die von anderen Tieren auf den Menschen übertragen werden können und umgekehrt.
Wie die meisten Coronaviren stammt wohl auch der aktuelle Erreger aus einer Fledermaus. Zum derzeitigen Stand ist es am Wahrscheinlichsten, dass sie durch die Java-Hufeisennase (Rhinolophus affinis) vllt auch durch das Malaiische Schuppentier (Sunda pangolins) auf den Mensche übertragen wurde. Die Tiere werden oft als Wildfleisch erbeutet nachdem ihre Lebensräume, zur Rohstoffgewinnung oder um Platz für die Landwirtschaft zu schaffen, zerstört werden. Vielen Menschen bleibt die Jagd als einzige Alternative, da sie über kein Land verfügen um sich zu ernähren. Der Großteil verfügbarer Flächen wird von Konzernen zum Anbau von Monokulturen benutzt, welche (meist für den Export bestimmt) zu Tierfutter oder Biokraftstoff verarbeitet werden.
Der Kapitalismus globalisiert den Handel und mit ihm Armut und Ausbeutung. Er vernichtet weite Teile der Natur und begünstigt damit das Artensterben und den Klimawandel. Er dringt vor bis in die letzten Winkel dieser Erde und begünstigt die Verbreitung von Viren durch den immer schnelleren (und unnötigeren) Waren- und Personalverkehr. Nachhaltigkeit ist in einer kapitalistischen Weltordnung nur eine leere Phrase. Endloses Wachstum ist die Grundessenz dessen was als Neoliberalismus unser Wirtschaften bestimmt. Die Gewinnmaximierung wird solange fortgesetzt bis jede Ressource restlos aufgebraucht ist. Er verhält sich wie ein Virus, dass die Menschen auf ganz unterschiedliche Weise krank macht. COVID 19 ist nur ein Teil davon. Sicher werden noch etliche weitere neue Krankheiten folgen.
Der Kapitalismus ist ein Virus und er hat bereits die ganze Welt infiziert.
Was also tun?
Nutzen wir den Moment der Entschleunigung um uns zu überlegen was wir eigtl. von unserem Leben erwarten, was wir wollen und was wir wirklich brauchen.
Lasst uns lernen solidarisch zu sein und gerade auch die Menschen zu unterstützen die jetzt am meisten gefährdet sind.
Wir müssen Netzwerke schaffen die uns aus der Abhängigkeit von staatlichen Strukturen und privaten Konzernen herausziehen und diese überflüssig machen.
Trotz der gebotenen sozialen Distanz können wir die Gelegenheit nutzen um uns in unserer Nachbarschaft, unserer Straße und unserem Kiez stärker aufeinander zuzubewegen und uns gegeseitig zu supporten.
Wirken wir der Vereinzelung in unserer Gesellschaft entgegen. Lasst uns heute die Strukturen aufbauen aus denen wir morgen eine neue Welt erschaffen…