Der letzte und älteste Brandstifter der faschistischen Anschläge in Solingen kommt in diesen Tagen frei. Er wird wegen „äußerst guter Führung“ vorzeitig entlassen.
Hierzu das Solinger Tageblatt:
„Letzter Solingen-Attentäter kommt auf freien Fuß
Ex-Neonazi wird wegen einer „äußerst günstigen Sozialprognose“ vorzeitig aus der Haft entlassen.
(hpm) Fast genau zwölf Jahre nach dem Brandanschlag von Solingen, bei dem fünf türkische Frauen und Mädchen ums Leben kamen, wird auch der letzte der vier Attentäter aus der Haft entlassen. So entschied jetzt der VI. Strafsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf (OLG). Vorausgegangen war eine mehr als zweistündige Anhörung des ehemaligen Neonazis Markus G. (35) bei einem Haftprüfungstermin. Der Solinger werde „in den nächsten Tagen“ aus der Haft entlassen, sagte OLG-Pressedezernent Hans-Joseph Scholten. Einen genauen Termin wollte er nicht nennen – aus Sicherheitsgründen, weil der Ex-Neonazi als „gefährdet“ gelte. Es sollen angeblich Morddrohungen von türkischen Gruppierungen gegen ihn ausgestoßen worden sein, sagt auch Anwalt Siegmund Benecken (Marl). Der Strafverteidiger betreut G. seit Verfahrensbeginn.
Markus G. war der einzige Erwachsene der vier Attentäter beim Brandanschlag auf die türkische Großfamilie Genc. Er wurde wegen fünffachen Mordes, gefährlicher Körperverletzung in zehn Fällen und besonders schwerer Brandstiftung zu 15 Jahren Haft verurteilt. Seine Reststrafe ist jetzt auf fünf Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Dem Antrag von Markus G. auf vorzeitige Haftentlassung sei wegen einer „äußerst günstigen Sozialprognose“ stattgegeben worden, so OLG-Sprecher Scholten. Sogar die Bundesanwaltschaft soll sich überaus erstaunt über die äußerst positive Persönlichkeitsentwicklung von G. gezeigt haben.
Bereits nach zehn Jahren Haft – zwei Drittel der Strafe waren abgesessen – musste der OLGStrafsenat von Amts wegen über eine vorzeitige Haftentlassung entscheiden. Doch damals lehnte Markus G. ab: Er wollte sich „in Ruhe auf sein neues Leben“ vorbereiten: „Ich will nicht raus, ich mache lieber das Abitur.“ In Strafhaft hat G. das Fachabitur abgelegt, seit einigen Tagen hält er nun auch das Zeugnis eines Vollabiturs in den Händen – Notendurchschnitt 2,5. Jetzt will er Sprachen studieren und später Dolmetscher werden.
Anwalt Benecken: „Von seiner gravierenden Persönlichkeitsschwäche und Orientierungslosigkeit ist nichts mehr da. Er ist gefestigt, hat klare Ziele. Solch eine positive Entwicklung habe ich in meiner 35-jährigen Tätigkeit noch nicht bei einem Straftäter erlebt.“
Seine drei Mittäter, zur Tatzeit erst zwischen 16 und 20 Jahre alt, waren zu je zehn Jahren Jugendstrafe verurteilt worden. Zwei von ihnen wurden ebenfalls vorzeitig entlassen (2000 und 2001). Der eine legte in Haft sein Fachabitur ab, studiert heute Sozialwissenschaften. Der andere, ein Arztsohn, absolvierte eine Lehre. Der dritte Jugendliche kam erst 2003 nach Verbüßung der vollen Haftstrafe in Freiheit, weil er in der Haft weitere Straftaten beging. Unter anderem schlug der heute 29-Jährige einen Mithäftling brutal zusammen.“
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