15. März 2023 – 20:00 Uhr – Autonomes Zentrum Wuppertal – Markomannenstr. 3 “Internationaler Tag gegen Polizeigewalt” Veranstaltung zur Polizeigewalt der letzten Jahre in Wuppertal
18. März 2023 – 13:12 Uhr – vor den City Arkaden / Wuppertal-Elberfeld Innenstadt Polizeikritischer Stadtrundgang
Der 15. März ist der internationale Tag gegen Polizeigewalt.
Seit 1997 wird am 15. März der “International Day against Police Brutality” begangen. Verschiedene Initiativen machen weltweit auf die Situation der Betroffenen von Polizeigewalt aufmerksam.
Mit einer Veranstaltung am 15. März 2023 und einem polizeikritischen Stadtrundgang am 18. März 2023 nehmen wir den Internationalen Tag gegen Polizeigewalt in diesem Jahr erstmals zum Anlass, um gemeinsam die Geschichte der letzten Jahre und Gegenwart der Polizeigewalt in Wuppertal aufzuzeigen und uns solidarisch mit den Betroffenen von Polizeigewalt zu zeigen. Wir sind eine Initiative, welche sich kritisch mit der Institution Polizei und Polizeigewalt auseinandersetzt. Das tun wir lokal, direkt vor unserer Haustür. Denn Polizeigewalt ist in Deutschland Alltag.
Polizeigewalt heißt für viele Menschen täglich vermeintlich „verdachtsunabhängige“ Polizeikontrollen, unangemessene Taschenkontrollen und Durchsuchungen im öffentlichen Raum, Platzverweise und öffentliche Demütigung und Stigmatisierung. Diese Kontrollen sind oft nur Ausgangspunkt für weitere Gewalt, die nicht selten tödlich endet. Für Schwarze Menschen, People of Color, Migrant*innen, migrantisierte Personen, Rom*nja und Sinti*zze, Queere Personen, Flinta*s, arme und wohnungslose Menschen, Sexarbeiter*innen und Menschen in psychischen Krisen sind diese Erlebnisse Alltag.
In Wuppertal gibt es eine traurige Kontinuität tödlicher Polizeigewalt. Georgios, Max, Alexander, das sind die Namen der Menschen, die in den letzten Jahren während einer sogenannten Maßnahme der Polizei gestorben sind. Am 07. Dezember 2019 wurde Max in Wuppertal-Wichlinghausen auf offener Straße von der Polizei erschossen, nachdem der mit einem “handelsüblichen 2 Kilo Hammer” (WZ) Autospiegel abgeschlagen hatte. Alexander wurde in der Nacht des 12. auf den 13. Juni 2021 in seiner Wohnung in der Tannenbergstraße durch drei Schüsse aus einer Maschinenpistole eines Polizisten getötet. Die Nachbarn hatten die Polizei wohl wegen Ruhestörung gerufen. Am 01. November 2021 starb Georgios nachdem die Polizei ihn brutal festgenommen hatte, unter nach wie vor ungeklärten Umständen, im Gewahrsam der Wuppertaler Polizei. Erst nach einem langen Prozess wurde der Todesfall nach mehreren Tagen von Journalist*innen und Aktivist*innen aufgedeckt. Währenddessen wies die Staatsanwaltschaft darauf hin, dass er für die Öffentlichkeit nicht von Interesse sei.
Bis heute haben Georgios, Max, Alexander keine Gerechtigkeit erfahren. Bei allen Fällen stellen sich die politischen Verantwortlichen, Staatsanwaltschaften und Gerichte schützend vor die Polizei und verhindern systematisch die Aufklärung sowie eine Auseinandersetzung mit dem Thema Rassismus in den Institutionen.
Wir werden keine Ruhe geben und die Namen und Geschichten derer, die in Gewahrsamssituationen – in Polizeistationen und -fahrzeugen, Gefängnissen, Abschiebehaft, Wohnunterkünften für geflüchtete Menschen, Psychiatrien und Krankenhäusern – verletzt oder getötet wurden, nicht vergessen!
Gerechtigkeit für Georgios, Max, Alexander und alle, die in den letzten Jahren auf brutale Weise in staatlicher Obhut zu Tode gekommen sind!
Wir laden euch ein, den Protest mit uns auf die Straße zu tragen. Am 15./18. März und an jedem anderen Tag, hier in Wuppertal und überall auf der Welt! No Justice – No Peace! Abolish the Police!
Beim polizeikritischen Stadtrundgang am 18. März, dem Tag der (politischen) Gefangenen, der in der Elberfelder Innenstadt beginnt und uns an verschiedene Orte in der Stadt bringt, die exemplarisch für eine Gesellschaft in der die massiven sozialen Widersprüche mit (tödlicher) Polizeigewalt und Knast geregelt werden stehen, wollen wir auch an die beiden Gefangenen erinnern, die Ende 2021 in den JVA’s Ronsdorf und Vohwinkel gestorben sind.
Das Knastsystem ist nicht reformierbar, denn es ist von Grund auf falsch, hier und überall. Es macht keine „besseren“ Menschen, es trägt nicht zur Lösung sozialer Konflikte bei.
Das herrschende, auf Konkurrenzdenken und Ungerechtigkeit basierende System sperrt Menschen weg, oder schiebt sie ab. Um auf der einen Seite alles „unerwünschte“ von sich zu stoßen und auf der anderen Seite diejenigen, die verzweifelt nach der Freiheit suchen, abzuschrecken und Exempel zu statuieren. Dies geschieht nicht zufällig, sind es doch bürgerliche, kapitalistische, patriarchale und rassistische Interessen, Gesellschaften so zu gestalten, wie einige wenige es möchten. Wir alle stimmen diesem zerstörerischen und menschenverachtenden System tagtäglich zu, solange wir uns nicht organisiert und aktiv dagegen auflehnen.
Die herrschenden Normen legen fest, was falsch und was richtig ist, was geschützt und was bestraft werden muss. Gesetze und Regeln eines patriarchal-kapitalistischen Systems, denen sich alle unterwerfen müssen. Die Logik der Bestrafung und des daraus resultierenden Einsperrens gilt es zu durchbrechen. Dabei ist die Abschaffung aller Zwangsanstalten nur innerhalb eines Prozesses möglich, welcher die gesamten aktuellen Zustände umwirft, um eine Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung zu ermöglichen.
Nutzen wir unsere Solidarität und unsere gegenseitige Hilfe, um all diese Mauern Stein für Stein einzureißen.
Für eine Welt ohne Grenzen, Mauern und Knäste! In Solidarität mit allen Gefangenen überall!
Am 11. Juni 2022 wollen wir in Gedenken an Alexander demonstrieren. Alexander wurde in der Nacht des 12. auf den 13. Juni 2021 von der Wuppertaler Polizei in seiner Wohnung in der Tannenbergstraße erschossen! Wir gedenken auch allen anderen Toten durch die Polizei in Wuppertal und überall! Wir wollen gemeinsam Protest und Widerstand gegen die allgegenwärtige Gewalt der Polizei organisieren und entwickeln.
Alexander ist einer von drei Menschen, die in Wuppertal in den letzten Jahren Opfer tödlicher Polizeigewalt wurden. Schon 2019 starb Max in Wuppertal-Wichlinghausen auf offener Straße durch Schüsse der Polizei. Im Juni 2021 wurde Alexander in seiner Wohnung durch die Polizei erschossen und im November 2021 starb Georgios, unter nach wie vor ungeklärten Umständen, im Gewahrsam der Wuppertaler Polizei.
In allen Fällen ermittelte die Wuppertaler Staatsanwaltschaft und die Polizei Hagen. In allen Fällen wurden die Ermittlungen schnell eingestellt. Die Polizei muss sich dazu viel zu wenig Fragen gefallen lassen. In den Medien werden auf der Hand liegende Fragen nicht gestellt. Zum Beispiel: Warum musste der 25-jährige Max, der mit einen 2kg Hammer Autos in Wichlinghausen demolierte, auf offener Straße erschossen werden? Ist es angeblich ausgebildeten Polizist*innen nicht möglich, einen Menschen, der offensichtlich mit Problemen zu kämpfen hat, anders zu stoppen als mit der Knarre? Kann eine Ruhestörung, wie im Fall von Alexander, nur mit Schüssen aus einer Maschinenpistole gelöst werden? Warum war es notwendig, Georgios mit auf die Wache zu nehmen? Warum hielt es die Polizei für dringend erforderlich, mehrfach zu versuchen, ihm gewaltsam Blut abzunehmen? Und wie kalt und herzlos können die Wuppertaler Polizei und Staatsanwaltschaft eigentlich sein, angesichts der brutalen Misshandlungen, erst bei der Festnahme und anschließend in Polizeigewahrsam, von einem „natürlichen“ Tod zu sprechen?
Ein Teil der Antworten liegt auf der Hand: Die Polizei ist strukturell gewalttätig und rassistisch! Die Nazichats, in denen sich ein Teil der Polizei offensichtlich organsiert, sind nur die faschistische Spitze des autoritären Eisberges Polizei. Es ist belegt, dass in Deutschland vor allem Menschen, denen es psychisch schlecht geht, zu ihren Opfern werden. Zudem herrscht in der Polizei ein Korpsgeist, der dazu führt, dass sich Polizist*innen stets gegenseitig decken.
Wenn Menschen durch Polizeigewalt sterben, ähneln sich die Geschichten: In Köln und Düsseldorf starben letztes Jahr ebenfalls junge Menschen, die in die Fänge der Polizei geraten waren. Auch hier wurde von „natürlichen“ Toden gesprochen. Zuletzt wurde aus Mannheim ein Fall bekannt, bei dem ein Mensch auf offener Straße durch die Polizei zu Tode kam. Ebenfalls angeblich ein „natürlicher“ Tod. Im einen Handyvideo, das öffentlich wurde, ist zu sehen, wie mehrere Polizist*innen den späteren Toten mit roher Gewalt am Boden halten. Nur wenige Tage nach diesem Toten wurde, ebenfalls in Mannheim, ein 31-Jähriger von Polizist*innen erschossen. Er habe sich in einem psychischen Ausnahmezustand befunden, heißt es mal wieder seitens der Polizei und Staatsanwaltschaft. Menschen, die tatsächlich oder vermeintlich in diesen Situationen sind, leben also extrem gefährlich, sobald die Polizei ins Spiel kommt.
Doch wie weiter? Wir wissen durch die Medien, dass die Familie von Alexander Widerspruch gegen die Einstellung des Verfahrens gegen die Wuppertaler Polizei eingelegt hat. Auch Georgios Familie wehrt sich gegen die unverfrorene Darstellung der Polizei und Staatsanwaltschaft. Die Staatsanwaltschaft hatte den Eindruck erweckt, Georgios wäre auf Drogen gewesen und dies hätte zu seinem Tod geführt. In Wahrheit konnten durch ein externes Gutachten nur sehr geringe Mengen an Alkohol und Drogen bei Georgios nachgewissen werden. Viel wahrscheinlicher als ein Tod durch Drogen ist also, dass die wiederkehrende Polizeigewalt in Gewahrsam zu seinem Tod führte. Letzendlich ist also nicht die Frage, ob er Drogen konsumiert hat, sondern, ob er auch tot wäre, hätte es den Polizeieinsatz nicht gegeben.
Fälle von Polizeigewalt kommen mehr und mehr in die Öffentlichkeit und viele Menschen sind nicht mehr bereit, das Verprügeln, Verfolgen, Verletzten und Töten durch die Polizei hinzunehmen. Lügen und Vertuschung seitens der Staatsgewalt werden immer öfter hinterfragt. Letztendlich bleibt nur, eine Gegenöffentlichkeit zu schaffen und jeden einzelnen Fall publik zu machen und Widerstand zu organisieren.
Wir werden keine Ruhe geben und die Toten durch die Wuppertaler Polizei nicht vergessen! Schluss mit Polizeigewalt und Repression! Auf die Straße! Gerechtigkeit für Alexander und für alle anderen Opfer staatlicher Gewalt! In Wuppertal und überall!
Da wir in Wuppertal durchaus für etwas Neues zu haben sind, startete der diesjährige autonome 1. Mai um kurz vor 16 Uhr mit einem sehr entspannten unangemeldeten Straßenfest am Schusterplatz. Es gab Köstlichkeiten von der KüfA (Küche für alle), kühle Getränke, Kinderschminken und eine Torwand zum Kicken. Neben spannenden und informativen Redebeitragen gab es eine Ausstellung des „Forum gegen Polizeigewalt und Repression NRW“, die das gewalttätige und autoritäre Agieren der Polizei in NRW dokumentiert. Sehr gefreut haben wir uns auch über den Infostand der Klimagerechtigkeitsinitiative Dar Jîn.
Akustisch wurde das Fest zusätzlich durch solide Mucke vom Band und Livemusik begleitet. Als Auftakt gab es einen kurzen Auftritt eines altgedienten Gitarrenkünstlers, der alle sehr erfreut hat. Musikalischer Höhepunkt war dann der Auftritt von Ezra aus Dortmund mit sehr eloquentem Hiphop.
Um 19 Uhr startete schließlich die autonome 1.Mai Demo, selbstverständlich unangemeldet, Richtung Autonomes Zentrum.
Zu Beginn zogen 150 Menschen los und konnten circa 250 Meter unbehelligt laufen. Dann sperrten die Schergen die Straße. Ein Großteil der Demo reagierte schnell und teilte sich in kleinere Gruppen auf. Auf verschiedenen Wegen zogen die Gruppen, Parolen rufend, weiter Richtung Autonomes Zentrum. Dort angekommen gab es noch einen ausführlichen Redebeitrag zur Situation an der Gathe. Es wurde deutlich gemacht, dass die Pläne von Stadt und Erdoğans DITIB, das Autonome Zentrum mit einem islamistischen Aufwertungsprojekt zu verdrängen, nicht einfach hingenommen werden. Zudem wurden einige Vorschläge unterbreitet, wie das Leben an der Gathe für alle besser werden könnte. Der Abend klang dann bei Musik vom Plattenteller im AZ gemütlich aus.
Klar ist, die Auseinandersetzung um die Gathe steht im Wuppertal erst am Anfang. Die Stadt scheint wild entschlossen das „islamische Zentrum“ von Erdoğans DITIB durchzusetzen. Es ist erschreckend, wie wenig öffentlichen Widerspruch es bisher gegen dieses autoritäre und reaktionäre Projekt gegeben hat. Wir als Autonome haben am 1. Mai einen Aufschlag gemacht und werden jetzt nicht aufhören, sondern fangen gerade erst an!
Keine Gerechtigkeit? Kein Frieden! Gerechtigkeit für Georgios! Schluss mit Polizeigewalt und Repression! Kommt am 29. Januar 2022 nach Wuppertal zur Demonstration des Forums gegen Polizeigewalt und Repression NRW!
29.01.22 | Wuppertal Hbf | 13:00 Uhr
Die Situation Georgios, Max, Alexander, das sind die Namen der Menschen, die in den vergangenen Jahren während einer sogenannten Maßnahme der Polizei gestorben sind. Zuletzt starb Georgios am 1.November 2021 in Polizeigewahrsam in Wuppertal Elberfeld, nachdem die Polizei ihn brutal festgenommen hatte. Erst nach fünf Tagen wurde, aufgrund öffentlicher Nachfrage, über den Tod von Georgios Zantiotis berichtet. Das geht nach eigenen Aussagen, auf das Konto von Oberstaatsanwalt Wolf-Tillman Baumert. Zitat Baumert: „Das habe ich entschieden. Es handelte sich um eine natürliche Todesursache. Ich habe das nicht für berichtenswert gehalten.“ Baumert versuchte im Nachhinein, sein Schweigen ausgerechnet damit zu rechtfertigen, dass er die Familie von Georgios habe schützen wollen. Diese Begründung halten wir für fadenscheinig und kaltschnäuzig. Wir glauben nicht, dass Baumert die Familie von Georgios schützen wollte. Der Oberstaatsanwalt wollte wohl vielmehr die Wuppertaler Polizei vor Nachfragen, Kritik und Protest schützen.
Dass sich zunehmend Nachfragen, Kritik und Protest in Wuppertal regen ist kein Wunder, denn seit einiger Zeit sterben regelmäßig Menschen in Zusammenhang mit der Wuppertaler Polizei. Alexander wurde im Juni 2021 in seiner Wohnung durch drei Schüsse aus einer Maschinenpistole eines Polizisten getötet. Die Nachbarn hatten die Polizei wohl wegen Ruhestörung gerufen. Max wurde 2019 auf offener Straße von der Polizei erschossen. nachdem er mit einen „handelsüblichen 2 Kilo Hammer“ (WZ) Autospiegel abgeschlagen hatte. Die Häufigkeit, in der in Wuppertal Menschen in Zusammenhang mit der Polizei sterben, ist schockierend und offenbart das gewaltige Problem, das wir (nicht nur) in Wuppertal mit der Polizei haben.
Die Verantwortlichen (Verhältnisse) Eine Situation, in der wir immer öfter von Menschen hören, die im Polizeigewahrsam sterben, von der Polizei erschossen oder misshandelt werden, fällt nicht einfach so plötzlich vom Himmel. Der NRW Innenminister Herbert Reul ist mit seiner extrem autoritären und rassistischen Politik hauptverantwortlich für die untragbare Situation.
Kein Monat in NRW vergeht ohne Razzien gegen angebliche Clankriminalität. Bei diesen Aktionen werden ganze Straßenzüge abgesperrt und alle dort anwesenden Menschen kontrolliert. Diese Straßen sind nie in reichen Vierteln, sondern immer in Vierteln von Arbeiter*innen und Migrant*innen. Obwohl bei diesen Razzien eigentlich nie mehr als ein paar Gramm Haschisch und vielleicht noch ein paar Kilo unversteuerter Shisha Tabak gefunden werden, machen der Innenminister und die Polizei immer weiter mit ihrer aggressiven diskriminierenden Praxis. In Wuppertal sind besonders der Bereich des Berliner Platzes im Stadtteil Oberbarmen und im Stadtteil Elberfeld die Gathe betroffen.
Genau dieser NRW Innenminister Reul sorgte mit der CDU/FDP Regierung dafür, dass Mitte Dezember 2021 trotz zahlreichem Protest ein autoritäres und repressives Versammlungsgesetz für NRW und bereits 2018 ein neues Polizeigesetz in NRW verabschiedet wurde. Diese Gesetze geben der Polizei noch viel mehr Macht, als sie ohnehin schon hat. Das verstärkt beim einzelnen Cop noch zusätzlich das Gefühl der Überlegenheit und zeigt sich anschließend ganz konkret in ihrem Auftreten auf der Straße. Die meisten Polizist*innen sind der Meinung, dass ihnen zu widersprechen, ihre „Maßnahmen“ zu beobachten oder gar zu kritisieren, schon schwere Verbrechen seien. Entsprechend aggressiv und autoritär treten die Cops auf.
Gleichzeitig sind während der Amtszeit von Innenminister Reul immer wieder rechte Strukturen und sogenannte Nazi-Chats aufgeflogen, in denen sich hunderte Polizist*innen überall in NRW organisieren und austauschen. Reul hatte jahrelang nach jedem „bedauernswerten Einzelfall“ strukturelle Probleme bei der Polizei verneint und sieht das Naziproblem nach Aufdecken der Chatgruppen immer noch nicht als strukturelles Problem. Bei der Polizei in NRW seien keine rechten Tendenzen in größerem Stil erkennbar, auch keine rechten Netzwerke – zu diesem Schluss kommt ein Lagebericht des NRW-Innenministeriums, der im März 2021 veröffentlicht wurde.
Gerade in Wuppertal ist die Justiz dafür bekannt, besonders harte Urteile zu fordern (Staatsanwält*innenschaft) und auch zu fällen (Richter*innenschaft). Politische Aktivist*innen mussten das schon häufig erfahren. Ob Umweltaktivist*innen, Antifaschist*innen oder Demonstrierende am Autonomen 1.Mai; erst werden sie von der Polizei belästigt oder gar misshandelt, dann von der Staatsanwaltschaft vor Gericht gezerrt, wo sie abschließend von irgendeine*m Richter*in mit drakonischen Urteilen bestraft werden. Seit 2018 wurden beispielsweise reihenweise Menschen zu mehrjährigen Bewährungsstrafen verurteilt, weil sie am 1.Mai demonstrierten. Es ist bezeichnend, dass genau die Staatsanwaltschaft die für die fast schon wahnhafte Verfolgung linker 1.Mai Besucher*innen verantwortlich ist, jetzt auch im Todesfall Georgios in der Gestalt von Oberstaatsanwalt Wolf-Tilman Baumert wieder mit sehr fragwürdigen Entscheidungen auf sich aufmerksam macht.
Zu den Verantwortlichen für die geschilderten Zustände gehört in Wuppertal auch der Polizeipräsident Markus Röhrl. Seine Vorgängerin Radermacher war schon eine sehr unangenehme Zeitgenossin. Seit Röhrl Polizeipräsident ist, hat die Wuppertaler Polizei ihr brutales und autoritäres Auftreten auf Wuppertaler Straßen noch gesteigert. Die Tode von Max, Alexander und Georgios fallen allesamt in seine Amtszeit.
Diese drei Männer: Reul, Baumert und Röhrl wollen angeblich für „Recht und Ordnung“ im Land und Wuppertal sorgen. Für viele Menschen bedeuten sie aber Angst und Schrecken.
Um das hässliche Bild abzurunden… Das offizielle Wuppertal stellt die Stadt gerne als weltoffen und multikulturell dar, die Realität ist eine andere: Viele Menschen leben in Armut und/oder müssen für wenig Geld hart arbeiten. Die Stadt spart an allen Ecken und Enden und drangsaliert Menschen, die sich zum Beispiel kein Busticket leisten können. Die an akuter Geldknappheit leidende Stadt Wuppertal gehört mit der Schule für Justizvollzugbeamt*innen und den zwei Knästen zu einem der über 30 nordrheinwestfälischen JVA-Standorte. In den letzten Wochen sind in beiden JVAs Menschen gestorben. Bei beiden heißt es, sie hätten sich selbst getötet. Der 42-jährige Mann, der in seiner Zelle in der JVA Vohwinkel tot aufgefunden wurde, saß wegen Fahren ohne gültiges Ticket ein. Der 17-jährige Jugendliche in der JVA Ronsdorf war in Untersuchungshaft, weil er keine gültigen Papiere besaß.
Wuppertal ist derzeit vielleicht exemplarisch für eine Gesellschaft, in der die massiven sozialen Widersprüche mit Polizeigewalt und Knast geregelt werden sollen. Eine Gesellschaft, in der für manche Menschen keinerlei Lebensraum gelassen wird und es vielleicht als einziger Ausweg erscheint, seinem Leben ein Ende zu setzen.
Covid treibt die Situation auf die Spitze Für Deutschland können wir sagen, dass die Anti-Corona Politik der Herrschenden, die primär mit Druck und Kontrolle handelt, dieses Problem noch einmal massiv verschärft hat. Durch die sogenannten Maßnahmen, werden aktuell nicht nur Bürger*innenrechte eingeschränkt, sondern die Belastungen werden, wie sonst auch, gesellschaftlich sehr unterschiedlich verteilt. Menschen, die ihren Job nicht im Homeoffice machen können, müssen weiter auf Arbeit, egal, wie sehr Covid gerade wütet. Gerade Leute in den mies bezahlten Jobs, sind auf Bus und Bahn angewiesen, um zur Arbeit zu kommen. Genau diese Menschen haben häufig auf der Arbeit weniger Möglichkeiten, sich aus dem Weg zu gehen. Die neue 3G-Regel in Bus und Bahn bedeutet eine weitere alltägliche Kontrollsituation, der viele nicht aus dem Weg gehen können. Besonders negativ betroffen sind zudem Menschen mit unsicherem Aufenthaltsstatus oder ohne festen Wohnsitz. Von Ausgangssperren und Demonstrationsverboten ganz zu schweigen.
Die ganzen „Maßnahmen“ betreffen Ärmere und migrantische Menschen ungleich stärker. Genau wie die sich akut etablierende krasse Kontrollgesellschaft. Die Polizei profitiert dabei in einem unglaublichen Ausmaß von der Art der Pandemiebekämpfung, die ihr immer weitreichendere Kontrollbefugnisse gibt. Ihr Machtzuwachs ist enorm. Natürlich wacht die Polizei akribisch über die Einhaltung aller noch so ungerechten Regeln und wen wird es wohl häufiger erwischen, bei einer Polizei, bei der sich gefühlt die Hälfte in Nazichats tummelt?
Eskalierende Polizeigewalt, Armut, Ungerechtigkeit, Lügen und Vertuschung seitens der Herrschenden. Wuppertal ist kein Einzelfall! Wir werden in Wuppertal unseren Protest nicht nur am 29.01.22 auf die Straße tragen. Wir werden Georgios, Max, Alexander und die namentlich nicht bekannten Toten nicht vergessen. Wuppertal hat ein massives Polizeiproblem, das wir angehen müssen! Aber Wuppertal ist kein Einzelfall: In Düsseldorf und Köln starben im Dezember ein 24-jähriger und ein 19-jähriger in Polizeigewahrsam. Ebenfalls in Köln wurde bekannt, dass Cops den 59-jährigen Gaetano B. so brutal verprügelten, dass er vermutlich an den Folgen der dabei erlittenen Verletzungen gestorben ist. Auf den Handys der Cops fanden sich Verabredungen zu den Gewaltorgien im Dienst. Diese erschreckende und schreckliche Liste könnte allein für das Bundesland NRW immer weiter fortgeführt werden! Die Polizei ist jedoch ein weltweites Problem und der Widerstand wächst weltweit. Die Menschen sind nicht mehr bereit, die Gewalt der Polizei einfach hinzunehmen. Fangen wir auch damit an; setzen wir unseren Widerstand gegen die Polizei gemeinsam fort!
Was tun mit der Polizei oder wie sieht eine Gesellschaft ohne Polizei aus? Die Diskussion ist überfällig! Wir müssen einen Weg finden die Polizei abzuschaffen. Das heißt für eine Gesellschaft zu kämpfen, in der Armut, Unterdrückung und Rassismus der Vergangenheit angehören. Denn die Polizei ist nicht da, um uns alle zu schützen oder uns zu helfen, sondern dafür, die Reichen vor den Armen zu schützen und die zutiefst ungerechte Eigentumsordnung aufrecht zu erhalten. Wir stehen bei diesem Kampf erst am Anfang, aber wir sollten lernen, die Polizei als das zu sehen, was sie tatsächlich ist und nicht so, wie sie sich darstellt.
Fangen wir an: Ruft nicht die Cops! Ein erster ganz kleiner Schritt, den wir vorschlagen wollen. Wir rufen dazu auf, nicht mehr die Polizei zu alarmieren, ganz einfach, weil es zu gefährlich ist. Die Polizei ist nicht dazu da, Probleme für uns zu lösen, sie ist dazu absolut ungeeignet, nicht ausgebildet und nicht bereit. Es ist schwer, aber wir müssen lernen, Nachbarschaften aufzubauen, die die vielen Probleme, die wir als Menschen untereinander haben, gemeinsam lösen können. Vielleicht schaffen wir es dadurch Stück für Stück zu vermeiden, dass immer wieder jemand tot auf der Straße, in seiner Wohnung oder im Gewahrsam liegt!
Auf die Straße! Gerechtigkeit für Georgios und für alle anderen Opfer staatlicher Gewalt! In Wuppertal und überall!
Am 7. Januar 2005 wurde der an Händen und Füßen gefesselte Oury Jalloh in der Zelle 5 des Dessauer Polizeireviers in Brand gesetzt. 17 Jahre danach sind wir immer noch sicher, die Polizei hat ihn ermordet!
Oury Jalloh ist kein Einzelfall, sondern die brutale Konsequenz eines tief in der deutschen Gesellschaft verwurzelten Rassismus, der im Gefängnissystem seinen Nährboden findet. Schweigen und Vergessen sind die Waffen des Staates, um seine treuen Diener zu schützen. Ein rassistischer Staat wie Deutschland kann ohne eine mörderische Polizei nicht existieren. Die Hermetik, die alle Polizei- und Repressionsinstitutionen geschaffen haben, die außerordentlichen Anstrengungen des Staates, den Mord an Oury Jalloh nicht nur nicht aufzuklären, sondern konsequent zu verschweigen, sind Mechanismen, die die fortgesetzte Ermordung von PoC durch den deutschen Repressionssapparat begünstigen. Ein rassistischer Mord ist keine erschreckende Ausnahme in einem ansonsten gut funktionierenden System, sondern ein deutlicher Ausdruck dessen, was Normalität in einer Demokratie bedeutet.
Rita Awour Ojunge, Feraht Mayouf, Kamal Ibrahim, Omar K., Qosay Sadam Khalaf, Abdul I., Giorgios Zantiotis, Sailou Hydara, Aman Alizada, Amed Ahmad, sie alle wurden ermordet und gehören dem gleichen gemeinsamen Kampf an.[1]
Schweigen ist für den Staat von entscheidender Bedeutung und es wird durch den liberalen bürgerlichen Diskurs der weißen Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit unterstützt. So wird der Eindruck erweckt, dass es sich um außergewöhnliche und isolierte Fälle handelt, während die Gefängnisgesellschaft durch die Aufrechterhaltung von Rassismus, Klassismus, Patriarchat, Ableismus usw. gestütz wird. Der Mord an Oury Jalloh und alle anderen Morde bei Festnahmen, in Gewahrsam und Haft zeigen uns, dass Reformen keine Lösung sind, dass die bürgerliche Justiz niemals ein Mittel zur Emanzipation sein wird. Wir müssen Herrschaft beseitigen, Räume der Autonomie und der gegenseitigen Fürsorge finden. Nur durch die Zerstörung aller Gefängnisse und die Abschaffung der Polizei können wir der Gewalt des Staates ein Ende setzen.
Für diejenigen, die sich nicht innerhalb der Grenzen eines Nationalstaates wiederfinden, ist es klar, dass „your silence will not protect you“, deshalb sagen wir es laut und deutlich: Oury Jalloh das war Mord!
Wir wollen Oury Jallohs gedenken, seiner Familie solidarische Grüße und Kraft schicken. Wir wollen auch für die harte Arbeit der Initiative danken und uns dem Kampf für Wahrheit und Erinnerung anschließen[2]
Wir sehen uns alle am 07.01.2022 / Dessau HBF / 14:00 Uhr
Kein Vergeben, kein Vergessen!
Bis jede Art von Gefängnis zerstört ist, ist niemand frei!
Beinah im Wochentakt gehen neue Meldungen von aufgeflogenen rechten Gruppierungen bei deutschen Sicherheitsbehörden durch die Medien. Die Fälle reichen vom Hissen der Reichskriegsflagge, über das Verbreiten von extrem rechten und menschenfeindlichen Inhalten in Internet und Chatgruppen, das Abzweigen und Horten von dienstlichen Waffen und Munition z.B. beim KSK (Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr) bis zu konkreten Umsturzplanungen bei „Nordkreuz“ (extrem rechtes Polizisten- und Soldatennetzwerk).
Für viel Aufsehen sorgte im Herbst 2020 der Fall am Polizeipräsidium Essen/Mülheim, wo durch einen Zufallsfund auf dem Handy eines Polizisten, mindestens fünf Whats App Gruppen aufflogen. Darin teilten insgesamt an die 40 Polizist*innen über Jahre Hitlerbilder, Hakenkreuze, Darstellungen von Geflüchteten in Gaskammern, fiktiven Erschießungen von nicht weißen Menschen, Fotos von Hitlergrüßen auf dem Streifenwagen uvm. Bei so vielen Beteiligten an einem Ort, konnte selbst NRW Innenminister Herbert Reul sein Mantra der Einzelfälle nicht mehr halten, zeigte sich bestürzt und ordnete an, die Verfassungstreue seiner Beamt*innen mittels einer Sonderkommission zu überprüfen. Diese stellte immerhin fest, dass das gruppenbezogen menschenfeindliche Verhalten bestimmter Polizist*innen in ihrem Dienstumfeld wahrnehmbar war, jedoch nicht zu einem Einschreiten des zuständigen Führungspersonals führte. Mittlerweile wurden allerdings viele der anfänglich ausgesprochenen Suspendierungen wieder aufgehoben. Es ist unklar, ob es überhaupt dauerhafte dienstrechtliche Konsequenzen geben wird, von strafrechtlichen Verurteilungen ganz zu schweigen.
Bei soviel rechtem Personal kommt es nicht überraschend, dass gerade die Essener Polizei immer wieder durch rassistische Polizeigewalt heraussticht. Dabei wurden etliche nicht weiße Menschen beleidigt, erniedrigt, verprügelt und teilweise schwer verletzt. Zwei Fälle in den letzten Jahren endeten für die Betroffenen tödlich. Am 27.04.2017 wurde Mikael Haile in seinem Hausflur von Polizist*innen erschossen, die aufgrund einer Ruhestörung gerufen worden waren. Am 18.06.2019 erschoss ein Polizeibeamter Adel B. mit drei Schüssen. Adel hatte im Vorfeld selbst die Polizei gerufen, weil er psychologische Hilfe brauchte. In beiden Fällen berief sich die Polizei später auf eine Notwehrsituation. In Adels Fall behaupteten die Beamt*innen, dieser sei mit einem Messer bewaffnet auf sie zugestürmt. Das Handyvideo eines Nachbarn zeigt allerdings einen anderen Ablauf der Geschehnisse: Der Polizist erschoss Adel B. durch eine Haustür. Der Nachbar erzählt zudem, Polizist*innen hätten das Video von seinem Handy gelöscht. Er konnte es nur aus seiner Cloud wieder herstellen. Trotz dieser Widersprüche und vorherigen Falschaussagen der Polizist*innen blieb die Staatsanwaltschaft bei der Notwehrtheorie und stellte die Verfahren gegen die beteiligten Beamt*innen ein. Auch im Fall Mikael Haile sind noch immer viele Fragen offen. Seit Jahren bemühen sich Menschen aus seinem Umfeld um Aufklärung und scheitern damit immer wieder an den beteiligten Institutionen.
Trotz Auffliegens der rechten Chats in Mülheim und eindeutiger Erkenntnisse gegen weitere Beamte verschiedener Essener Wachen, stellt sich, der für Essen und Mülheim zuständige Polizeipräsident Frank Richter, weiter schützend vor die rechten Strukturen in seiner Direktion, sieht keine eigenen Verfehlungen und bleibt bei der Einzelfalltheorie. Noch im Juni 2020, nach dem Tod von George Floyd, tönte Richter in einem WAZ Interview unter der Überschrift „Rassismusvorwurf ist unerträglich“, dass es in der deutschen Polizei weder Korpsgeist noch systemischen Rassismus gebe. Mit dieser Linie der schlichten Verleugnung gravierender Probleme in seiner Behörde geriet er zuletzt sogar in Konflikt mit dem Innenministerium.
Parallel dazu überziehen die Sicherheitsbehörden jene, die etwa Racial Profiling und gewalttätige Polizeieinsätze kritisieren oder dokumentieren, sowie die Betroffenen von Polizeigewalt selbst, mit Repression. Offenbar will die Polizei die Deutungshoheit über ihre Einsätze behalten und öffentliche Kritik mundtot machen.
Ein weiterer Schwerpunkt der immer repressiveren Innenpolitik ist die Bekämpfung vermeintlicher „Clan-Kriminalität“. Sie hat für einzelne Betroffene drastische Auswirkungen. So kann schon das Tragen des „falschen“ Nachnamens Anlass für eine der massenhaft und schwer bewaffnet durchgeführten Razzien sein. In den betroffenen Stadtvierteln macht sich der Eindruck einer polizeilichen Besatzungspolitik breit. Grundsätzlich trägt die öffentlich wirksame Kriminalisierung ganzer Gewerbezweige, wie zum Beispiel von Shishabars, zu einer Stigmatisierung bei. Ein Zusammenhang mit dem rechten Terroranschlag mit zehn Toten in Hanau 2020, liegt auf der Hand.
Wenn über gezielte Repression gesprochen wird, wollen wir natürlich auch betrachten, wie sich die derzeitige Lage auf fortschrittliche soziale und politische Bewegungen auswirkt. Zusätzlich zu den schon immer umfassenden Kompetenzen der Verfolgungsbehörden, die zuletzt durch die Neufassung des Landespolizeigesetzes 2019 erheblich erweitert wurden, stellte das CDU-geführte Innenministerium kürzlich seine Vorlage für ein neues NRW-Versammlungsgesetz vor. Diese soll nach Willen der Landesregierung noch in diesem Sommer vom Landtag beschlossen werden. Falls das passiert, kommen auf Anmelder*innen und Teilnehmer*innen von Demos in NRW zukünftig diverse zusätzliche restriktive Maßnahmen zu. Das Brokdorf Urteil als liberaler Pfeiler der deutschen Versammlungsgesetze wird weitgehend ausgehebelt. Strafandrohungen bei nicht Beachtung der Regeln verschärft. Aus gutem Grund wird die Vorlage vielerorts bereits als „Versammlungsverhinderungsgesetz“ bezeichnet. Dass dieses Gesetz tatsächlich in Kraft tritt, sollten wir gemeinsam verhindern.
Das NRW-weite Bündnis „Forum gegen Polizeigewalt und Repression“ gründete sich Anfang 2020 mit dem Ziel, verschiedene Perspektiven auf Polizeigewalt und Repression zu beleuchten, Betroffene und Menschen die politisch am Thema arbeiten zusammenzubringen, und die gemeinsame Kritik am Komplex „Sicherheitspolitik“ öffentlich sichtbar auf die Straße zu bringen. Dazu wollen wir die verantwortlichen Entscheidungsträger*innen benennen und vor Ort mit ihrem Handeln konfrontieren. Als Auftakt wurde deshalb im August 2020 Innenminister Reul in seinem Wohnort Leichlingen in Form einer Kundgebung aufgesucht.
Für die kommende Veranstaltung haben wir uns für Essen entschieden. Gründe für unsere Demo gibt es hier reichlich, zusätzlich werden noch Betroffene und Initiativen zu weiteren Fällen aus NRW zu Wort kommen. Wir starten vor dem Polizeipräsidium und wollen dann gemeinsam zum Willy-Brandt-Platz in die Innenstadt demonstrieren, wo es eine längere Abschlusskundgebung geben wird. Da weder staatliche Repression noch Polizeigewalt während der Pandemie eine Auszeit nehmen und wir im Gegenteil mit teils bislang unbekannten autoritären Maßnahmen konfrontiert sind, halten wir es für notwendig und richtig auch in diesen Zeiten gemeinsam auf die Straße zu gehen. Dabei wollen wir aber natürlich auf ausreichend Abstand achten und empfehlen das Tragen einer Maske. Kommt also zahlreich am:
Samstag, den 05.06.2021 um 13 Uhr zum Polizeipräsidium Essen, Büscherstr. / Ecke Martinstr.
Gegen Nazis! Gegen Rassismus! Gegen Polizeigewalt und Repression! Überall!
Lassen wir auch im Jahr 2021 nicht zu, dass unsere kämpferische autonome Tradition von der Staatsmacht zerschlagen wird! Denn auf den alten Kämpfen, die überdauern, können wir die neuen aufbauen! Vielleicht gibt es zur Zeit wenig positives in unserem Alltag, und, ausgenommen einiger vielfältiger Aufstände, die sich weltweit ausbreiten, wenig positives zu berichten. Wir, die kämpferischen autonomen Zusammenhänge, sind hierzulande zur Zeit doch eher schwach aufgestellt. Es wird Zeit, das zu ändern!
An alle Menschen aus der Nordstadt: Die tyrannischen Schergen werden auch dieses Jahr wieder den Stadtteil besetzen. Lassen wir uns unseren Stadtteil nicht nehmen! Hängt Transparente raus, geht auf die Strasse, lasst uns gemeinsam kreativ, solidarisch und widerspenstig sein! Treffpunkt ist um 17 Uhr der Schusterplatz in der Wuppertaler Nordstadt!
Wir haben die schwierige Aufgabe, euch einzuladen ohne euch bei allen Aktivtäten eine konkrete Zeit und einen konkreten Ort im Aufruf nennen zu können. Der Grund ist die üble Bullenrepression und deren Dreistigkeit, einen ganzen Stadtteil zu besetzen. Aber mal ganz ehrlich, nur so wird es doch wirklich spannend :)! Wir machen es wie früher, als wir noch Kinder waren und Schnitzeljagden liebten, bei denen es durch Täler und Wälder und über luftige Höhen ging! Also achtet auf alle Hinweise, die kommen und hört euch aktiv um.
Ein Jahr Pandemie…und nu?! Nicht nur Beobachter:innen des 1. Mai in Wuppertal werden es in den letzten Jahren bemerkt haben: Die Bewegungspielräume auf der Straße sind bereits eingeengt und es drohen weitere Verschärfungen des Versammlungsgesetzes durch NRW-Innenminister Reul. Es ist sehr wahrscheinlich, dass das Gesetz durchgeht. Aber erstens, darf so etwas nicht widerstandslos über die Bühne gehen, und zweitens, müssen wir Strategien, Taktiken und Organisationsformen entwickeln, die uns ermöglichen, weiter widerständig auf der Strasse zu agieren. Der autonome 1.Mai bietet einen reichhaltigen Erfahrungsschatz, auf dem wir aufbauen können! Die 20er Jahre des 21. Jahrhunderts laufen – unsere Perspektive ist klar: Klassenkampf, Sabotage, Aufstand!
In Europa und vor allen Dingen in Deutschland, werden aber Milliarden in die Wirtschaft gepumpt, um diese trotz monatelangen Lockdowns am Kacken zu halten. Dabei gilt zu beachten, dass die Wirtschaft im Jahr 2020 nach wie vor gewachsen ist. Das wäre aber vermutlich ohne die Scholz’e „Bazooka“ nicht so gewessen. Seine militaristische Anleihe in diesen Zusammenhang ist übrigens kein Zufall: Deutschland hält im durch die Pandemie zugespitzten globalen kapitalitisch-nationalen Konkurrenzkrieg am längsten durch und soll, wenn es nach dem Willen der Herrschenden geht, von der globalen Krise wieder einmal profitieren. Auch ein Teil der Arbeiter*innenklasse wird durch Kurzarbeitergeld im Job gehalten, aber die Zahl der Erwerbslosen steigt und ist (Wer hätte das gedacht?) höher als vor Corona. Wir Erwerbslose, Jobber:innen und Arbeiter:innen gehören nicht nur zu denen, die aufgrund ihrer sozialen Lage von der Pandemie viel härter betroffen sind (knapper Wohnraum, harte Jobs, bei denen nichts mit Homeoffice oder auch nur Abstand ist, angewiesen auf ÖPNV) – durch diese Benachteiligungen resultieren auch mehr gesundheitliche Probleme und tendenziell eine schlechtere körperliche Grundverfassung. Auch die wirtschaftliche Krisenlast wird jetzt und in Zukunft noch viel stärker auf uns abgewälzt werden. Denn jeder Cent, der jetzt an die Konzerne geht und auch das Kurzarbeiter:innengeld (das von den Abgaben an die Arbeitslosenversicherung bezahlt wird) wird von der Kohle bezahlt, die wir abdrücken müssen, sowie von den Steuern auf Gewinne, die durch unsere Ausbeutung erzielt wurden. Es läuft also schlicht eine gigantische Umverteilung von unten nach oben! Und wer gar keine Kohle (mehr) hat, darf sich mittlerweile noch nicht mal mehr in Ruhe im Park ein Bierchen zischen, wenn es den Bütteln von Polizei und Ordnungsamt nicht passt.
Schauen wir uns die Lage global an, potenziert sich dieses Bild im Weltmaßstab noch um ein vielfaches. 2019 war noch das Jahr der Aufstände und selbst die Pandemie konnte sie nur kurz bremsen. Diese Aufstände werden, wie das sich verschärfende Elend, mit Wucht zurückkehren und die Kämpfe an den Grenzen werden noch heftiger werden!
Es wird in der Pandemie überdeutlich: Die herrschende Klasse dieses durch und durch verkommenen Gesellschaftssystems ist auch in Deutschland zu überhaupt nichts zu gebrauchen! Völlig skrupellos wird von oben Solidarität mit den Alten geschrien und jede:r, egal ob Eltern oder Jugendliche, der:die sich nicht an jede Verordnung hält, wird durch Bullen und Ordnungsamt schikaniert. Und das, während gleichzeitig die mit Abstand am meisten gefährdete Gruppe von Menschen, nämlich die Alten, in den Pflegeheimen nicht effektiv geschützt werden und Menschen mit Behinderungen schlichtweg vergessen werden. Keinen Cent wollten die Schweine aus den Chefetagen mehr ausgeben! Ab März 2020 wurde nicht versucht, was Jahrzehnte vorher versaut worden war, wenigstens ein wenig abzufangen. Anstatt Krankenhäuser, Pflege und Altenheime besser zu versorgen, also Arbeiter:innen in diesen Bereichen besser zu bezahlen und möglichst viele Menschen mit einer Kurzausbildung dorthin zu holen, um wenistens ein bisschen zu entlasten, wurden die Milliarden Konzernen wie TUI, Lufthansa und der Autoindustrie geschenkt. Bei der logischen Konsequenz, der weiteren Prekarisierung von Pflege und Co zu Lasten der Arbeiter:innen und Patient:innen, ist das Klatschen am Fenster blanker Hohn. Das Solidaritätsgeschreie ist nichts weiter als billigste Heuchelei! Auch gut ein Jahr nach dem Ausbruch von Covid-19 hat der Umgang mit der Pandemie durch Politiker:innen und Wirtschaft an Widerwärtigkeit kein Stück verloren. Im Gegenteil, durch Patente an Impfstoffen und eine katastrophale Impfstrategie werden weiter Leben gefährdet, während in Talkshows und Krisenstäben über Ausgangssperren debattiert wird oder diese in einigen Landkreisen bereits durchgesetzt wurden.
Die Schlüsse, die daraus gezogen werden müssen, sind einer großen Anzahl von Menschen sonnenklar! Gesundheit und Pflege (und eigentlich auch alle anderen Dinge), dürfen nicht dem Profitstreben unterworfen werden! Doch obwohl viele Menschen diese Erkenntnis zumindest in diesem Bereich teilen, folgt darauf derzeit nicht einmal eine breite gesellschaftliche Debatte, geschweige denn reale Veränderung. Da hilft nur Eins: Laut werden und kämpfen!
Und genauer hinschauen. Auch die vermeintlich selbstlos caritativen Interessen einiger Sozialverbände sind auf den zweiten Blick nichts weiter als kapitalitisches Profitinteresse zu Lasten der Arbeiter:innen. Die Caritas hat zum Beispiel gerade verhindert, dass ein für die Arbeiter:innen besserer Tarifvertrag durchgeht. Das darf der Caritas nicht vergessen werden!
Die Pandemie ist eine Gefahr für uns alle, doch der Umgang des Staates damit schützt uns nicht vor ihr. Das hat das letzte Jahr nur zu deutlich gezeigt. Auch wir haben nicht die Lösung parat – aber ein wirklich solidarischer Umgang, kollektives Organisieren und das Entwickeln eigener Strategien für jetzt und vor allem für die Zeit nach der Pandemie sind sicher ein Ansatz.
Allgemein zeigt sich in immer mehr Bereichen, dass der weltweite Kapitalismus mehr und mehr an seine Grenzen stößt. Es wird immer deutlicher, dass die derzeitige Gesellschaftsordnung nicht in der Lage ist, irgendein relevantes Problem der Menschheit zu lösen – im Gegenteil, sie erzeugt die Probleme oft. Dies zeigt sich besonders an der sich heftig zuspitzenden Klimakrise. Die Lebensgrundlage vieler Vegetationen und Bewohner*innen des Planeten wird sehenden Auges vor die Wand gefahren. Der von den Grünen versprochene „grüne Kapitalismus“ (den wir vielleicht ab September erleiden müssen) ist dabei genauso abzulehnen, wie Fantasien, die mit einem starken autoritären Staat dagegen halten wollen, um das Klima zu retten.
Wir sehen in den kleinen und etwas großeren Kämpfen an der Klimafrage (besetzte Wälder, Wäldchen und Bäume, Aktionen gegen Braunkohle und viele andere lokale Ökokämpfe) ein kleines Pflänzchen der Hoffnung. Wie wir unseren autonomen Teil dazu beitragen können, es zu hegen und zu pflegen und vor allem schnell zum Wachsen zu bringen, sollten wir möglichst schnell herausfinden! Auch hier lautet die Perspektive für die 20er Jahre: Massen(militante)kämpfe, Besetzungen, Sabotage und Aufstand!
Die erwähnten weltweiten Aufstände sind sehr unterschiedlich und haben lokal sehr unterschiedliche Ausformungen. Spannend ist, dass sie in einer Häufigkeit und Intensität auftreten, die lange nicht mehr dagewesen ist. Wir hier müssen lernen, uns in die Kämpfe zu stürzen, um unsere emanzipatorischen Ansätze möglichst stark mit ins Spiel zu bringen. Klar ist dabei, dass Aufstände, die entstehen, sehr heterogen sind, was die Ziele und deren (soziale und politische) Hintergründe angeht. Aber die Gelbwesten in Frankreich haben bewiesen, dass es lohnend sein kann, sich einzumischen! Auf weitere Mini-Pflänzchen in Deutschland (Riots in Stuttgart und in Frankfurt) wurde sich von unserer Seite viel zu wenig bezogen. Und noch eine (selbstkritische) Frage beschäftigt uns: Wenn wir Anfang März 2020 weiter kritisch gegen die staatliche Coronapolitik mobilsiert hätten, denn die ersten kritschen Demos kamen von Links (u.a. Flensburg, Berlin und auch Wuppertal), hätten wir es dann jetzt mit einer Massenbewegung von faschistoiden „Querdenker:innen“ zu tun?
Die weltweite Situation ist so offen wie schon lange nicht mehr, auch, wenn es sich in Deutschland anders anfühlen mag. Nicht zuletzt, weil Rassismus (die antirassistische Massenbewegung in den USA weitete sich nach den Tod von George Flyod kurzzeitig weltweit aus) und Patriarchat (jedes Jahr mehr Streiks und mehr Kämpfe von FLINTA*), zwei unabdingbare Säulen dieser unterdrückerischen Gesellschaft, mächtig unter Druck geraten, haben wir es mit einem Erstarken faschistischer Bewegungen zu tun, die ihre Privilegien zu verteidigen suchen. Die Bewegungen der Geflüchteten setzen den brutalen Grenzregimen der reichen Länder des globalen Nordens weiter und weiter zu. Denn der Wille zu leben und der Wunsch nach Freiheit und Glück wird sich auch durch die härteste Gewalt nicht stoppen lassen!
Auch hier kann es passieren, dass unerwartet Kämpfe entstehen, für die es sich zu kämpfen lohnt und es ist gut möglich, dass diese auch für uns diffus und unberechenbar sind. Das sollte uns nicht davon abhalten, unsere Perspektive der sozialen Revolution mit einzubringen, denn es braucht sie dringender als jemals zuvor!
Doch der Frühling ist gekommen und es wird wärmer, und neben diesen kleinen hoffen wir auf weitere Pflänzchen, die wachsen und stärker werden.Die Bullen schreien bereits Alarm, weil die Leute keinen Bock mehr haben, sich den nicht nur autoritären, sondern auch aus Gesundheitschutz oft sinnlosen Maßnahmen, gerade im öffentlichen Raum, zu beugen. Da das Infektionsrisiko draussen viel geringer ist, machen Ausgangssperren besonders wenig Sinn! In diesem Pool aus staatlichen Maßnahmen repräsentieren sie das autoritäre Säbelrasseln besonders deutlich. Doch gerade die Jugendlichen beginnen, sich zu wehren. In Berlin und Brüssel haben die Bullen schon gut weggekriegt! Das zeigt sich auch daran, dass einige von ihnen so übel gewalttätig wurden, dass andere Bullen sich vorsichtigst von der Gewalt distanzierten (natürlich ohne ihre Kolleg:innen konkret zu benennen). Es gibt die Chance, ultraautoritäre Maßnahmen wie Ausgangssperren diesen Frühling und Sommer zurück zu drängen!
Also alle raus auf die Straße, Plätze und Parks. Wir wollen den Frühling und den Sommer genießen, wollen tanzen, feiern und kämpfen. Jetzt und nicht irgendwann. Legen wir Gärten und Wälder voller Pflänzchen an. Setzen wir uns zusammen, um Strategien für die großen und kleinen Probleme zu entwickeln. Finden wir wieder eine Basis, uns trotz Pandemie zu vernetzen, uns auszutauschen und Pläne auszuhecken – versuchen wir, von Resignation und Wut, die wir in uns rein fressen oder über Social Media kundtun, ins Handeln zu kommen.
Wir grüßen alle anderen 1. Mai Demos in Wuppertal, Dortmund, Hamburg, Istanbul, Berlin, Lübeck, Myanmar und anderswo! Halligalli, Bambule, Randale!
Heraus zum autonomen 1. Mai in Wuppertal und überall! Für die soziale Revolution.
Wir rufen trotz, nein, gerade wegen der Corona-Pandemie zu einem erst recht widerständigen und autonomen 1. Mai auf. Der massive Angriff auf Grundrechte, die drastische Zuspitzung der autoritären Formierung zu einem Polizeistaat (denn was sonst ist ein Staat, in dem die Polizei bestimmt, wer sich wie, wann und wo mit wem treffen darf?), die aufziehende Weltwirtschaftskrise, deren Folgen natürlich auf die Rücken der Prolet_innen, der Prekären, der Ausgestoßenen und Unterdrückten abgewälzt werden soll, schreien nach offensiven Antworten.
Und diese Antworten müssen wir möglichst schnell finden! Die vergleichbare Gemütlichkeit, mit der wir in der Zeit vor Corona agieren konnten, ist jetzt vorbei. Alle Menschen, die das Ziel einer für alle besseren, gerechten und freien Welt nicht einfach stillschweigend begraben wollen, müssen jetzt leider viel mehr Risiko eingehen, als es noch vor kurzem der Fall war und schwerer noch, müssen wir viel mehr Mitstreiter_innen finden, als wir sie bisher hatten!
Unter diesen Umständen wollen wir diesen 1. Mai dafür nutzen, neue (oder alte auffrischende) Erfahrungen mit klandestinem (verdecktem, subversivem) Handeln zu sammeln. Es wird eine große Herausforderung, dem Bullenapparat ein Schnippchen zu schlagen und gleichzeitig viele Menschen mit unseren Ideen und Diskussionsbeiträgen zu erreichen.
Dafür brauchen wir Geschick, Organisation, Entschlossenheit, viel Witz und ein klein bisschen Glück. Unser Vorschlag geht so: Kommt am 1. Mai in Wuppertal auf die Straße! Organisiert euch in Bezugsgruppen, seid aktionsbereit, in der Lage euch unauffällig zu bewegen und möglichst mobil dabei. Wenn ihr keine Infos zu organisierten Aktionen habt, wartet nicht auf diese, sondern handelt autonom! Wir fordern auch explizit Menschen und Zusammenhänge aus anderen Städten auf, die Reise nach Wuppertal zu wagen! Es wird organisierte Aktionen geben! Haltet unbedingt Augen und Ohren offen, um an die entsprechenden Infos zu kommen. Seid flexibel und denkt mit. Das letzte Jahr hat gezeigt, dass wir die Bullen auf dem falschen Fuß erwischen können! Was folgt, ist also Streich zwei unter erschwerten Bedingungen. Der 1. Mai kann nicht konsumiert werden – ob das Vorhaben gelingt, hängt von uns allen ab! Treffpunkt ist wie jedes Jahr, das Autonome Zentrum um 14 Uhr. Ihr seid schlau, ihr wisst Bescheid!
Was jedoch in diesem Jahr aller Voraussicht nach nicht wie in üblicher Form stattfindet, ist das Straßenfest nach der Demonstration auf dem Schusterplatz.
Ja – die Zeiten schreien nach Revolution! Und das nicht erst seit Corona. Wo wir hinschauen, Klimakrise oder Kriege und weltweite Bewegungen von Flüchtenden, die über den Planeten ziehen. Nicht zu vergessen, die brutale Ausbeutung. Überall Verhältnisse auf die sich keine, auch nur ansatzweise menschliche Lösung in den herrschenden kapitalistischen Zuständen andeutet. Aber „Lösungen“ an sich haben die Herrschenden genug, die eine ist fieser und brutaler als die andere.
Die Corona-Pandemie verschärft diese Verhältnisse! Die tiefe Menschenverachtung, die aus dem Umgang der Europäischen Union mit den in Lager gepferchten Menschen auf den griechischen Inseln hervorgeht, spricht Bände. Während für deutsche und europäische Urlauber_innen Luftbrücken geschaffen werden, oder Menschen aus Osteuropa unter miesester Bezahlung, hygienisch untragbaren Bedingungen und somit bewusster Inkaufnahme von Infektionen zur Spargelernte eingeflogen werden, werden die ohnehin schon katastrophalen Zustände zugespitzt. Wenn die Bundesregierung sich dann äußert, ganze 50 Jugendliche aus den Lagern nach Deutschland zu holen, ist das reinster Zynismus und an Widerwärtigkeit kaum zu überbieten. Wie der kapitalistische Markt funktioniert ist nicht neu und dennoch erzeugt es bei uns ein unfassbares Gefühl von Wut, Trauer und Hilflosigkeit. Der Tod und das Leid tausender Menschen wird zugelassen und bewusst erzeugt, weil diese nicht verwertbar sind.
Zwei Monate sind seit den rassistischen Anschlägen in Hanau vergangen und in der Flut der Corona-Nachrichten droht die Aufmerksamkeit und das Gedenken an die Opfer (nicht nur in den Medien) zu verschwinden. Für die betroffenen Menschen in Hanau sind aber die Trauer, Angst und Wut nicht verschwunden. Die Angst bleibt, dass sich eine solche Tat wiederholen könnte, dass einfach wieder zur Tagesordnung übergegangen wird, dass vergessen wird. #SayTheirNames – In Erinnerung an:
Ferhat Unvar
Gökhan Gültekin
Hamza Kurtović
Said Nesar Hashemi
Mercedes Kierpacz
Sedat Gürbüz
Kalojan Velkov
Vili Viorel Păun
Fatih Saraçoğlu
Während in den letzten Wochen und Monaten Politiker_innen Migration erneut zum Problem erklären, anstatt den Rassismus in den eigenen Institutionen zu bekämpfen, schaffen sie einen Nährboden für rechte Gewalt und für weitere rassistische Taten. So wurde am 7. April der 15-jährige Êzîde Arkan Hussein Khalaf in Celle brutal ermordet. Aus seiner Heimat, dem Şengal im Nordirak, flüchtete er mit seiner Familie 2014 nach dem Völkermord an den Êzîd_innen durch den selbsternannten „Islamischen Staat“ (IS). Wie viele Andere suchte er hier Schutz vor Gewalt und Verfolgung und wurde dennoch am 7. April von einem Deutschen erstochen. Die Tat erinnert an weitere Morde an Menschen mit migrantischem Hintergrund. Genau deshalb muss in dieser Situation über Rassismus als eine Motivation für diese tödliche Gewalt gesprochen werden.
Wir werden weiter genau hinsehen und gegen jeden Rassismus und Faschismus im Alltag, auf der Straße, in den Institutionen und in der Politik sowie Gesellschaft kämpfen. Wir gedenken allen Opfern rechter und rassistischer Gewalt in Deutschland und weltweit.
Die autoritäre Formierung zeigt sich aktuell auch in ganzer Deutlichkeit. In Wuppertal kennen wir den Polizeistaat zunehmend, seit Polizeipräsident Röhrl seinen Feldzug gegen die Autonomen, gegen Migrant_innen, gegen alle die ihm nicht passen begonnen hat. Ständige Kontrollen unter Missachtung jeglicher Privatsphäre, Razzien unter dem Label „Bekämpfung der Clankriminalität“, Kriminalisierung ganzer Gruppen sind alltäglich geworden. Die Geschichten sind nicht neu und werden immer weiter geschrieben. Doch besser werden sie nicht. Die Coronasituation wirkt da wie die Legitimation aus dem Krimi einen Thriller zu machen, neue Charaktere einzufügen und die Spannungen zu steigern. Die Geschichte des autoritären Staates, des unerbärmlichen Kapitalismus und der ständigen Überwachung ist die Gruselgeschichte, die uns aus diversen Gründen nachts nicht schlafen lässt. Selbst das den Demokrat_innen sonst so wichtige Grundgesetz wird mit einer Leichtigkeit ausgehebelt. Die Polizei und deren Recht&Ordnung-liebende Begleiterscheinung das Ordnungsamt, dürfen sich nun noch willkürlicher als ohnehin schon, als exekutive Aufseher_innen der Nation aufführen und fleißig „Anzeigen gegen das Infektionsschutzgesetz“ verteilen. Da wird so mancher Beamt_innentraum wahr…
Auch die geplante Überwachung mittels einer Corona-App oder das Weitergeben von Infiziertenlisten durch Gesundheitsbehörden an die Polizei lässt jegliche Persönlichkeitsrechte unter dem Deckmantel des gemeinsamen Infektionsschutzes verschwinden. Diese nicht neue, aber rasant gewachsene Entwicklung ist gefährlich. Denn wenn die Daten einmal gesammelt sind, ist die Verlockung groß diese auch zu nutzen – nicht nur für den Zweck des vermeintlichen Infektionsschutzes. Wenn Gesetze einmal beschlossen sind, Daten erhoben und Befugnisse erteilt, ist es manchmal kompliziert dieses wieder rückgängig zu machen. Das Akzeptieren dieser autoritären Maßnahmen bietet den Nährboden für weitere Verschärfungen. Eine Begründung dafür wird der Staat immer finden – nur werden wir diese nicht hinnehmen!
Die Pandemie, die jetzt alle verrückt macht und die ja tatsächlich noch unzählige Menschenleben kosten wird, wäre übrigens längst nicht so eine Katastrophe, gäbe es eine weltweite solidarische Gesundheitsversorgung. Auch in Deutschland, wo es wieder Mal im Vergleich noch gut aussieht, wurde das Gesundheitssystem in den letzten Jahrzehnten von Gesundheitskonzernen wie u.a. Helios, Asklepios, Sana und Agaplesion ausgepresst. Bezahlen müssen das die Patient_innen und das massiv ausgebeutete Pflegepersonal, welches von den Milliarden, die die Konzerne vom Staat bekommen, mal wieder nichts sehen soll. Die Ausbeutung trifft neben dem Pflege- und Medizinpersonal auch andere Berufe, die „das System am Laufen halten“ – Einzelhandelsmitarbeiter_innen, Zusteller_innen, Logistik, soziale Berufe… Anstelle von Lohnerhöhungen und Unterstützung gibt es Lob durch Politiker_innen, Applaus am Fenster, die Ode an die Freude und die allgemeine Übereinstimmung, für den Klassenerhalt unerlässlich zu sein – gemeinsam schaffen „wir“ das. Tja, wer braucht da wohl noch mehr Lohn?
Auch sind unsere Gedanken bei den Menschen, die ohnehin schon unter massivsten Freiheitseinschränkungen leiden. In den Knästen sind die Maßnahmen noch einmal härter als sonst und das (Über-)Leben der Eingeknasteten hängt besonders in dieser Situation an der Willkür des Systems. Schutzmaßnahmen, wie Abstand zu anderen oder Hygienestandards, wie Desinfektion werden nicht eingehalten oder die Menschen werden noch mehr als sonst isoliert. Nicht verwunderlich, richtig und auch notwendig, dass es im Zusammenhang mit der Pandemie in verschiedenen Staaten zu Ausbrüchen und Revolten gegen das Knastsystem kam, teilweise mit Schwerverletzten und Getöteten, teilweise mit erfolgreicher Fluchtgeschichte. Hier möchten wir die Revolten in dem Frauenknast in Thiva, nach dem Corona-Tod einer Gefangenen die keine medizinische Hilfe bekam, den Aufstand im Abschiebeknast Gradisca D`Isonzo nachdem Gefangene in Hungerstreik getreten waren oder den Ausbruch von 1350 Gefangenen während Riots in brasilianischen Knästen an nur einem Tag erwähnen. Ebenso in Spanien, Portugal und sonstwo auf der Welt lassen sich dieser Tage die Geschichten von Aufständen, Ausbrüchen und Hungerstreiks in den Gefängnissen erzählen.
Aber auch durch die repressiven Maßnahmen und die allgegenwärtigen Kontrollen „draußen“ werden Opfer gefordert. Im französischen Béziers nahm die Stadtpolizei am 9. April Mohamed Gabsi gewaltsam fest, da sich der 33-jährige ohne festen Wohnsitz nach der verhängten Sperrstunde auf der Straße aufhielt. Bewusstlos wird der Vater von drei Kindern in einem Polizeiwagen zum Polizeirevier verschleppt, wo er leblos aufgefunden wird. Im Stadtteil Anderlecht in der belgischen Hauptstadt Brüssel kam es am 11.04. zu Riots, nachdem der 19-jährige Jugendliche Adil starb als er vor einer Polizeikontrolle im Rahmen der Ausgangssperren fliehen wollte und von einem Polizeiauto angefahren wurde. Die ganze Nacht über flogen Steine, Bullenkarren brannten und die Cops wurden angegriffen. Die Wut über den Tod des Jugendlichen entflammte in dieser Nacht und traf die Staatsmacht. Auch im chinesischen Wuhan kam es zu einem Aufstand, nachdem die Bewohner_innen daran gehindert wurden ihre Region zu verlassen. Die Menschen dort griffen ebenfalls die Cops an, um sich gegen diese repressive Einschränkung ihres Lebens zu wehren, genau wie in Kapstadt oder im englischen Bristol, wo die Cops nach Verkündung der Ausgangssperre Jugendliche belästigten und als Antwort Steine und Flaschen bekamen. To be continued…
Auch das #stayhome-Privileg soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben. Zuhause bleiben kann nur, wer ein sicheres oder überhaupt ein Zuhause hat. Anstatt Menschen ohne Unterbringung zu versorgen, werden sie kriminalisiert, wenn sie sich an ihren Plätzen aufhalten, weil sie gegen das Infektionsschutzgesetz verstoßen würden. Auch steigt die Gewalt im häuslichen Umfeld durch die akute Situation – keine Möglichkeit, sich woanders (Freund_innen, Cafés, etc.) aufzuhalten, unbestimmte Zukunft, finanzielle Unsicherheit durch beispielsweise Jobverlust oder Kurzarbeit. Auch die sozialen Folgen der akuten Lebensumstände müssen thematisiert werden. Neben den fehlenden zwischenmenschlichen Kontakten gehört die Abstraktion menschlicher Kontakte durch Videochats und Messenger zu den Dingen, die uns Sorgen bereiten.
So bleibt eines eindeutig: Wer sowieso schon unterdrückt, ausgebeutet, erkrankt, abgehängt und isoliert ist, den_die trifft die akute Situation und die Folgen der Pandemie enorm.
Wenn die Wirtschaft über den Menschen steht, Arbeiter_innen ihre Gesundheit riskieren müssen, notwendige Schutzmaßnahmen, wie das zur Verfügung stellen von ausreichendem Schutzmaterial nicht getroffen werden, dafür aber das Sitzen auf einer Bank zur Straftat wird, zeigt sich noch einmal in aller Deutlichkeit, warum wir dieses System, welches uns krank macht, uns ausbeutet und uns zwingt, den Profit über unser Wohlergehen zu stellen, so sehr verachten.
Doch gibt es neben der ganzen Gesamtscheiße, die sich momentan wieder in ihrem vollen Glanz präsentiert, auch Dinge, die uns erfreuen. So gab es in diesem Jahr rund um den 8. März wieder viele gute Aktionen. In Wuppertal hat die anarcha-queer*feministische Nachttanzdemo erfolgreich, laut und kämpferisch, aber nicht ohne Polizeirepression stattgefunden. In anderen deutschen Städten und weltweit sind millionen FLINT* auf die Straße gegangen und haben demonstriert oder sich zu anderen Aktionsformen entschieden, um ihre Wut gegen die patriarchalen Verhältnisse zum Ausdruck zu bringen. An dieser Stelle grüßen wir das anarcha-queerfeministische Hausprojekt Liebig34 in Berlin, die am 30.04. ihren Gerichtstermin zur Räumungsklage haben.
Wir sind uns sicher, dass die nächsten Jahre hart werden. Wann das Pandemie-Regime endet, ist unklar und es ist sicher, dass es in ein Wirtschaftskrisenmanagement-Regime übergeht. Auch über andere Langzeitfolgen und deren Ausmaße können wir nur spekulieren. Aber was uns in den letzten Wochen wirklich Mut gemacht hat, sind die beginnenden weltweiten Aufstände. Und auch quer durch die Republik gab es zunehmend mehr Demonstrationen, Kundgebungen und sogar militante Aktionen. Dass es doch einige Menschen gibt, die sich von den verschärften Bedingungen nicht lähmen lassen, gibt uns Hoffnung und wir werden viel, viel Kraft benötigen. Die Krise ist da und mit ihr endet die Welt, wie wir sie kannten und ein neues Kapitel wird aufgeschlagen. Daran wird niemand etwas ändern können. Doch dabei, wer die Krise bezahlt und wie dieses neue Kapitel aussehen soll, wollen wir – verdammte Scheiße! – ein Wörtchen mitreden! Shut down capitalism – Für die soziale Revolution! Wir grüßen die 1.Mai-(Vorabend-)Demos und Aktionen in Hamburg, Leipzig, Berlin, London, Basel, Hannover, Paris, Nürnberg, Greifswald, Köln, Bern und alle Menschen auf der Welt, die nicht nur am 1. Mai und trotz Ausnahmezustand auf die Straße gehen! Und natürlich alle Menschen, die sich in Hamburg, Erfurt und sonstwo den Nazis und Rechtspopulist_innen entgegen stellen! autonomer1mai.noblogs.org/
-Vorab: Dies ist keine vollständige Analyse. Die Ereignisse überschlagen sich derzeitig, wir versuchen am Ball zu bleiben. Weitere konkrete Infos folgen.-
In jeder Krise zeigen sich die Auswirkungen vom Kapitalismus besonders deutlich und die Herrschenden nochmal mehr als sonst ihr wahres Gesicht. So auch in dieser.
Die meisten Regierungen setzen derzeitig alles auf Isolation – keine sozialen Kontakte, keine Begegnungen in Räumen, nur die Haustür verlassen, wenn es „notwendig“ ist, Einkäufe auf Vorrat, keine Menschenansammlungen, Grenzschließungen, ach – am besten gleich zu Haue bleiben und sich einsperren. Diese Regel gilt für „alle“, wobei damit diejenigen gemeint sind, die sich eine Isolation zu Hause und Hamsterkäufe leisten können. Sie gilt nicht für Wohnungslose, Arbeiter*innen, deren Jobs auch in Krisenzeiten (ökonomisch) existenziell sind und erst recht gilt sie nicht für Gefangene.
Wir wollen an dieser Stelle die Corona-Pandemie und die Auswirkungen auf die Gesundheit vieler Menschen auf keinen Fall schmälern. Dafür ist der Virus offensichtlich viel zu aggressiv und tatsächlich eine Bedrohung für die Gesundheit vieler Menschen. Allerdings wollen wir betonen, dass uns ein System, welches alles daran setzt, Profite von einigen Wenigen, zu schützen und dabei konsequenterweise die Gesundheit, physisch wie psychisch, der Mehrheit der Bevölkerung tagtäglich angreift und zerstört, in Krisenzeiten wie diesen nicht schützen wird, im Gegenteil.
Ein Blick nach Italien und auf die dort aus der Corona-Pandemie gezogenen Konsequenzen reicht aus, um abzusehen, was bei uns ebenfalls bald Alltag wird oder schon geworden ist. Jegliche Form von Geschäften, mit Ausnahme von Supermärkten und Apotheken sind dicht, fast das gesamte öffentliche Leben steht still. Wohlbemerkt, die Arbeiter*innen des „Gesundheitssystems“ sind am ackern, ebenso wie Arbeiter*innen in Einkaufsläden und Apotheken. Ausgangssperren wurden verhängt und wer sie missachtet, keinen „Passierschein“ mit sich trägt, der es „erlaubt“ die Haustür zu verlassen, bekommt die Repression des Staates zu spüren. Das Land zu verlassen ist sowieso keine Option mehr, die Grenzen sind, wie viele andere, abgeriegelt. 15. März. 2020, Twitter, @jvaluckauduben „So langsam bekommt ihr ein #Gespür dafür, wie es uns im #Knast tagtäglich geht. Wenn bald die #Ausgangssperre verhangen wird, kommt ihr unserer #Situation noch näher. Die #Gesellschaft lernt, inhaftiert zu sein. Willkommen in unserer #Welt.“
Es braucht nicht viel, um absehen zu könnnen, dass die Herrschenden weltweit die neuen Regeln, welche angeblich für die Corona-Krise festgelegt werden, auch teil- und schrittweise für die Zeit „nach der Krise“ geltend machen werden. Die langfristigen Folgen dieser Krise werden, u.a. Angesichts der Tatsache, dass gesellschaftlich wie politisch auch ohne Corona täglich autoritäre faschistische Regime erstarken, bitter. Aber auch die kurzfristigen Folgen sollten wir ernst nehmen – weil es eben fraglich ist, wie kurzfristig sie tatsächlich ausgelegt sind.
Wie schon erwähnt: es geht uns nicht darum, dazu aufzurufen, wild durch die Gegend zu rennen oder alten Menschen, Personen mit einem geschwächten Immunsystem und generell Menschen, die zur Risikogruppe gehören, ins Gesicht zu husten und einen Scheiß auf ihre Gesundheit zu geben. Im Gegenteil: Solidarität ist in Zeiten der Pandemie mehr als wichtig, wobei Solidarität auch meinen kann, Risikogruppen nicht „zu nah“ zu kommen, weil wir den Virus eben alle in uns tragen könnten und damit potentiell verbreiten. Das schließt natürlich auch mit ein, eigene Bewegungen unter die Lupe zu nehmen und eine Keimverbreitung so gut es geht zu verhindern. Wenn in diesen Zeiten Begegnungsstätten schließen, weil sie mit allen Abwägungen die Hygiene und Gesundheit nicht gewährleisten können, ist das mehr als nachvollziehbar. Diese Entscheidung sollte aber nicht aufgrund einer staatlichen Vorgabe, sondern selbst überlegt und -bestimmt entstehen. Sind (all) unsere Räume in Zeiten einer Pandemie wirklich notwendig? Eine Kneipe beantwortet die Frage sicherlich anders als eine Sozialberatung. Und wenn der Raum nötig ist, kann er vielleicht auch draußen stattfinden? So oder so, wir sollten, nur weil das öffentliche Leben so gut wie still steht, unsere Köpfe nicht ebenfalls dicht machen. Das System zeigt in diesen Zeiten sein wahres Gesicht und tritt damit völlig verfrorenen ans Tageslicht. Ihnen geht es nicht darum, dass es „uns allen gut“ geht. Es geht um die Abwendung des ökonomischen Zusammenbruchs, um den Erhalt des Kapitalismus.
So wie sie uns gerade mit Verordnungen, Einschränkungen und Isolation überhäufen, gleichzeitig aber Tausende arbeiten müssen und das Kapital nur so fließt, um den ökonomisch Zusammenbruch zu verhindern, sollten wir, vor allem als radikale Linke, aus einer antikapitalistischen, antistaatlichen Perspektive antworten. So wie es ihnen um das Wohl des Kapitalismus geht und damit die Gesundheit vieler gefährden, sollte es uns um das Wohl der Gesundheit gehen. Wenn wir das ernst meinen, MÜSSEN wir den Kapitalismus gefährden.
Diese Antworten können vielseitig sein, vor allem sollten sie aber in diesen Zeiten diejenigen unterstützen, welche die Krise am meisten betrifft. Nachbarschaftliche Organisierung und Unterstützung der Risikogruppen bei der Bewältigung des Alltags sind ein Anfang. Aber auch die Tausenden Flüchtlinge, für welche Europa derzeitig noch weiter entfernt ist, als es ohnehin schon war, müssen mitgedacht werden. Gleiches gilt für Wohnungslose und Menschen, welche aufgrund der Krise und dem daraus resultierenden fehlenden Lohn wohnungslos und in ihrer Existenz bedroht werden. Und natürlich auch die Tausenden Arbeiter*innen, die ihre Gesundheit derzeitig für das Wohl des Kapitalismus riskieren. Weil es in Italien an den Arbeitsplätzen an Sicherheitsvorkehrungen fehlt, „zeigen Gewerkschaften und Arbeiter*innen Stärke und wühlen mit spontanen Streiks, die zu Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit auffordern, die Verhältnisse auf“. „»Wir sind nicht entbehrlich« – »Wir sind kein Kanonenfutter«. Das sind die Gesänge, die aus den italienischen Fabriken kommen.“. Die Herrschenden nennen es unverantwortlich, unsere Antwort darauf sollte die Solidarität mit allen streikenden Arbeiter*innen weltweit sein. Die Antwort auf Hamsterkäufe können massive Plünderungen und Verteilungen, an diejenigen, die es brauchen, sein. Die Antwort auf Grenzschließungen sollte eine Antinationale sein (vergesst in diesen Zeiten nicht die Situation der Tausenden Geflüchteten auf Lesbos!). Als Antwort auf eine zunehmende rassistische Stimmungsmache muss es eine linke Gegenöffentlichkeit und -handlungen geben. Antworten auf einen völlig überteuerten Wohnungsmarkt und den dadurch fehlenden Zugang zu Wohnraum können beispielsweise Besetzungen oder ein kollektiver Mietstreik sein. Anstatt eines kapitalistischen Gesundheitssystems, welches deswegen keines ist, weil niemals alle Zugang dazu haben werden, sollte es den Aufbau eines eigenen, nicht auf kapitalistischen Interessen basierenden Gesundheitssystem geben.
So oder so – einen Handlungsspielraum gibt es – wir müssen ihn nur nutzen und unsere Bewegungen zum Wohl der kollektiven Gesundheit gut überlegen. „Die Krise nutzen“ – Gefangene in Italien machens vor
Es hört sich vielleicht zunächst egoistisch an, in Anbetracht der derzeitigen Verhältnisse ist es aber alles andere als das. Wenn uns wirklich daran gelegen ist, den Staat und Kapitalismus zu zerstören, sollte dieser Wille innerhalb der Krise zum Wohle aller mehr denn je zu Tage treten. Die Gefangenen in Italien, Portugal, Spanien und Brasilien haben offensichtlich begriffen, dass der Staat auf ihre physische und psychische Gesundheit vor allem in Coronazeiten spuckt. In Zeiten, in denen in der BRD (aktuell noch) dazu aufgerufen wird, sich eher draußen als in geschlossenen Räumen zu treffen, haben Gefangene keine Möglichkeit dazu. Missachtung von Abstandssicherungsvorkehrungen, gleichzeitige Isolation in den Zellen und Besuchsverbote gefährden nicht nur die physische und psychische Gesundheit der Gefangenen, sondern sind darauf ausgelegt, den Körper der Gefangenen gänzlich zu zerstören. Dass sich dass Gefangene weltweit nicht gefallen lassen, sollte ein Appell an uns alle hier (noch) draußen sein, ihre Kämpfe zu unterstützen und zusammen mit ihnen ebenfalls für die Freiheit zu kämpfen.
Für Informationen zu den Knastrevolten in Italiencheckt diese Seite.
Informationen zu der Situation in deutschen Knästen findet ihr hier.
Checkt außerdem die Tiwtter Kanäle von Gefangenen aus Tegel, Moabit, Luckau-Duben, Kiel und Düppel/Heidering/Plötzensee. Auch der Gefangene Thomas Meyer- Falk hat schon zwei berichte zur aktuellen Situation verfasst (1 und 2). Checkt de.indymedia.org für weitere Berichte von Gefangenen!
Erste Proteste zeichnen sich ebenfalls, wie zum Beispiel in Darmstadt, ab: „Community 4 All – Solidarische Gemeinschaften statt Abschiebegefängnis; Darmstadt, 15.3.2020 Gestern, Samstag, 14.3.2020, kam es im Darmstädter Abschiebegefängnis zu Protesten der Gefangenen. Nach dem nachmittäglichen Hofgang weigerten sich neun Inhaftierte zurück auf ihre Zellentrakte zu gehen. Unter anderem in Form eines Sitzstreiks und unter lautstarkem Protestieren forderten sie umgehend ihren Richter*innen vorgeführt zu werden sowie ihre umgehende Entlassung aus der Abschiebehaft. Grund dafür war, dass aufgrund des Corona-Virus die Abschiebeflüge der meisten Inhaftierten ausgesetzt wurden, wodurch die Abschiebehaft rechtswidrig und nichtig wurde. Nach etwa drei Stunden des Protests begab sich der zweite stellvertretende Leiter der Abschiebungshafteinrichtung Darmstadt, Herr Neßmann, zu den protestierenden Gefangenen. Laut uns vorliegender Aussagen von Inhaftierten sagte er zu, am Montag alle notwendigen Schritte zur Entlassung der Gefangenen in die Wege zu leiten. Nach dieser Zusage begaben sich die Inhaftierten wieder ins Innere der Haftanstalt. (…)“
Zurecht schreiben „Community 4 All“ weiter: „Gerade jetzt zeigt sich, wer Zugang zu medizinischer Versorgung und Aufklärung erhält, und wer, u.a. aufgrund rassistischer Abschottungs- und Abschiebepolitik Europas und seiner Nationalstaaten, hierzu keinen Zugang hat. In diesen Zeiten wird dies unvorstellbare, verheerende Folgen haben. (…) Gleiche Rechte für Alle! Zugang zu medizinischer Versorgung und dezentrale menschenwürdige Unterbringung für alle Geflüchteten! Grenzen auf sofort! Schluss jetztmit dem unnötigen, örderischen Abschiebe- und Abschottungsregime!“
Die Situation in den Knästen spitzt sich zu, Proteste sind vorrauszusehen. Wir werden, so gut es geht und soweit uns die Informationen von Gefangenen erreichen, von den Folgen der Corona- Pandemie, sei es in Form von Repression oder Protest, berichten und uns praktisch solidarisch zeigen. Gleichzeitig hoffen wir, dass andere, nicht explizite Anti-Knast Zusammenhänge die Krise erkennen, antikapitalistische und antistaatliche Positionen stärken und Gefangene sowie alle anderen Unterdrückten dieses Systems in diesen Zeiten besonders zur Seite stehen.
Die alt bekannte Parole „Knäste abschaffen, Freiheit für alle“ galt schon immer, in Corona Zeiten wird sie aber nocheinmal dringender, weil das Leben vieler Gefangenen sonst noch massiver gefährdet ist als sonst schon. Also: reißt die Mauern ein, von beiden Seiten!