Kein Platz für Neonazis, rechte Schläger*innen und Rassist*innen! Refugees Welcome!
Am Samstag, 27. Februar 2016 will die rassistische rechte Partei „PRO Deutschland“ um 15:00 Uhr auf dem Rathausvorplatz, in Wuppertal-Barmen, aufmarschieren. Dort wollen sie gegen geflüchtete Menschen hetzen. Gegen diese rassistische Stimmungsmache wird es in unmittelbarer Nähe es eine angemeldete Kundgebung geben.
In den vergangenen Wochen und Monaten gab es immer mehr Übergriffe gegen Geflüchtete und Brandanschläge gegen Unterkünfte für geflüchtete Menschen. Auch die rassistische Hetze nimmt zu – ob auf Facebook oder auf der Straße. Die Rassist*innen wollen die rassistische Stimmung in Teilen der Bevölkerung Deutschlands für sich nutzen und weiter anheizen.
Auch wenn sie es nicht (ganz) so offen sagen – da sie bemüht sind ein bürgerliches „Saubermann“-Image zu pflegen – wünschen sie sich auch in Wuppertal mindestens so pogromartige Aktionen wie in Heidenau bei Dresden am 21./22. August 2015.
Bereits Anfang 2016 fand sich ein Hinweis zur Kundgebung auf der Homepage von „PRO Wuppertal“. Im sozialen Netzwerk Facebook wirbt seit dem 31. Januar 2016 eine Gruppe „Asylstopp für Wuppertal“ öffentlich für die Kundgebung. Ein Blick ins Impressum verrät wer hinter der Gruppe „Asylstopp für Wuppertal“ steckt: „PRO Deutschland“. Mit dem Versuch nicht offensiv unter dem Namen der Partei „PRO Deutschland“ für die Kundgebung zu werben, erhoffen sich die „PRO“-Rassist*innen auch außerhalb des Parteiklüngels zu mobilisieren, betonen jedoch dabei, dass Mitglieder und Sympathisant*innen von neonazistischen Strukturen und Parteien angeblich unerwünscht seien.
Auf dem Facebook-Profil „Nationales Forum Wuppertal“ wird die Kundgebung ebenfalls öffentlich beworben. Laut Eigenaussagen wollen “Aktivisten” an der rechten Kundgebung teilnehmen. Um wen es sich dabei handelt ist offensichtlich. Das „Nationale Forum Wuppertal“ wird u.a. von Kevin Koch und weiteren Neonazis der Partei „Die Rechte“ betrieben. Diese Facebook-Seite wurde, nachdem das Unternehmen die Seite von dem Wuppertaler Kreisverband „Die Rechte“ löschte, aus Angst vor neuen Lösch-Aktionen unter dem Namen „Unabhängiger Beobachter Wuppertal“ ins Leben gerufen. Inzwischen wurde das Facebook-Profil in „Nationales Forum Wuppertal“ umbenannt.
Mit dem „Saubermann“-Image ist es aber bei den „PRO’s“ nicht weit her. So war der Sprecher der Remscheider „PRO“-Ratsgruppe, André Hüsgen, an einem Naziüberfall auf NS-Verfolgte bei einer antifaschistischen Gedenkfeier am ehemaligen KZ Kemna in Wuppertal-Beyenburg beteiligt und wurde wegen Fluchthilfe verurteilt. Hüsgen war ebenfalls Mitglied der neonazistischen NPD, saß für die NPD im Stadtrat von Ennepetal. Auch seine Lebensgefährtin, die Wuppertaler „PRO/REPUBLIKANER“-Fraktionsvorsitzende Claudia Bötte machte in einem NPD-Fernsehspot, Wahlwerbung für die NPD und ist wegen Wahlfälschung verurteilt.
Aber auch der desaströs gescheiterte „PRO“-Oberbürgermeisterkandidat Markus Stranzenbach, der frühere Vorsitzende der Jungen Union, träumt immer noch vom “Deutschen Reich” und macht keinen Hehl aus seiner Sympathie für die Waffen-SS und Wehrmacht.
Die „PRO“-Gruppen im Bergischen verfügen außerdem über nachweisbar gute Kontakte zu militanten Neonazikameradschaften und zur rassistischen Hooliganszene. Als Beispiel sei, die im Nazi-Hool-Milieu bestens verankerte, Sabine Twardokus genannt. Sabine Twardokus, die beratendes Mitglied für ihre Partei im Jugendhilfeausschuss der Stadt Wuppertal ist, nimmt fast an jeder rechten Hooligan-Veranstaltung in der Region teil.
Der Wuppertaler Kreisverband von „PRO Deutschland“ ist im letzten Jahr geschlossen von „PRO NRW“ zu „PRO Deutschland“ übergelaufen. Grund dürften weniger politische Differenzen sein – schließlich unterscheiden sie sich kaum, als interne Streitigkeiten über Posten.
Die angeblichen „Saubermänner und -Frauen“, die am 27. Februar gegen geflüchtete Menschen hetzen wollen, sind also ein Haufen unangenehmer und gewaltorientierter Rechter, Neonazis und Rassist*innen.
Egal hinter welchem Namen sich Rassist*innen verstecken – HoGeSa, „PRO Deutschland“, AfD, PEGIDA u.a. – überlassen wir ihnen weder Barmen, noch Heckinghausen oder irgendeinen anderen Ort für ihre ekelhafte und menschenverachtende Hetze.
Refugees Welcome!
Für globale Bewegungsfreiheit!
Rassistische Hetze stoppen!
von https://linksunten.indymedia.org/de/node/169289
Kategorie: Antirassismus & Migration
Am Samstagmorgen den 11.04.2015 um 1.00 Uhr wurde ein Freund unseres Hauses, ein Antifaschist mit türkischem Migrationshintergrund, auf der Straße vor dem AZ von mehreren Tätern angegriffen und mit zahlreichen Messerstichen in den Rücken und zusätzlich mit stumpfer Gewalt lebensgefährlich verletzt. Er lag mit kurzer Unterbrechung 4 1/2 Wochen im Koma und wird von dem Nazi-Angriff bleibende Schäden davontragen. Wir grüßen unseren Freund an dieser Stelle aufs Herzlichste! Unsere Gedanken sind bei Dir und wir wünschen Dir weiterhin viel Kraft!
Die Täter sind Nazis, organisiert in der HoGeSa-Szene. Seit dem 5.Oktober 2015 wird vor dem Wuppertaler Landgericht gegen Patrick Petri (25), Thomas Pick (43) und Rolf Becker (38) wegen versuchtem Totschlags und gemeinschaftlicher Körperverletzung verhandelt. Für den morgigen 14 Verhandlungstag (03.02.2016) wird ein Urteil erwartet.
In unserer vierten Erklärung beleuchten und erläutern wir – bewusst ausführlich – Zusammenhänge und Hintergründe des mörderischen Naziangriffs, die uns bis heute bekannt sind bzw. weitergehende Fragen aufwerfen, insbesondere solche, die im Gerichtsverfahren gar nicht bzw. nur ansatzweise Erwähnung fanden. Mit dem Ende des Prozesses und der möglichen Verurteilung der Täter ist die öffentliche und politische Aufarbeitung / Aufklärung des gesamten skandalösen Geschehens des mörderischen Nazi-Angriffs noch lange nicht erledigt.
¡No pasarán! – Sie werden nicht durchkommen!
Faşizme Karşı Omuz Omuza! – Schulter an Schulter gegen Faschismus!
Aufgrund der Länge, zwecks besserer Lesbarkeit und Verständniserleichterung haben wir die vierte Erklärung in Themenblöcke aufgeteilt:
1. Täter:
– Pick
– Petri
– Becker
2. Tatablauf
5. Rettungseinsatz am Autonomen Zentrum
6. Polizei / Einsatzleitung /Ermittlungsbehörden
7. Vorladung wegen des Tatvorwurfs des versuchten Mordes an AZ-Besucher*innen
8. Zeugenschutz
9. Richter
11. Fazit
Mit „Hooligans gegen Salafisten“ (HoGeSa) entstand 2014 ein neues Label für rassistische Mobilisierungen in Deutschland. Initiativ zur Gründung von HoGeSa wirkten Hooligans aus dem Kreis der GnuHonnters. Die Gruppe, deren Name von »New Hunters« (»Neue Jäger«) abgeleitet ist, entstand 2012 und sammelt mehrere hundert Hooligans aus ganz Deutschland. Ihr Credo fassten sie in einer Art Gründungserklärung zusammen: »Herstellung alter Werte, keine Antifa im Stadion und Meinungsfreiheit zurückgewinnen.« Bei der Entstehung von HoGeSa spielen soziale Netzwerke eine zentrale Rolle. Hier dienen sie allerdings ebenso zur Mobilisierung wie zur Vernetzung und Verfestigung der Kontakte zwischen Neonazis und rechten Hooligans. HoGeSas Ausgangspunkt, die Störung einer Veranstaltung des Salafisten Pierre Vogel am 07. Februar 2014 in Mönchengladbach, ähnelt durchaus den Aktionen der English Defence League (EDL). Die Schnittmenge der Gruppe mit dem klassisch neonazistischen Milieu ist von Anfang an offenkundig. Wie die EDL inszeniert sich HoGeSa einerseits als Opfer einer multikulturellen Mehrheitsgesellschaft, stellt aber andererseits bei ihren Demonstrationen aggressive Männlichkeit zur Schau.
Zwar beansprucht auch HoGeSa für sich, lediglich „Islamkritik“ zu üben, dass dies aber nur eine taktische Orientierung ist, um jenseits der rechten Szene ein möglichst breites Spektrum mobilisieren zu können, wurde spätestens im Oktober 2014 in Köln offensichtlich. Entgegen der Selbststilisierung als Opfer von Medien, linkem Mainstream, Migrant*innen, Überwachung und Überfremdung entlarvte sich HoGeSa im Jahr 2014 in Köln als das, was es ist: rechtes, rassistisches Tätervolk, das insbesondere antimuslimischen Rassismus schürt und ebenso Geflüchtete und Linke als Gegner fokussiert. Seit Oktober 2015 ist bekannt, dass der Verfassungsschutz, entgegen gegenteiliger Behauptungen, durch den Einsatz des V-Mann Roland Sokol von Anfang an detailliert über die als „HoGeSa“ bekannt gewordene Nazi-Hooligan-Bewegung informiert und in ihre Aktivitäten eingebunden war (siehe linksunten.indymedia.org/de/node/154693).
Wer sind die Täter in Wuppertal?
Zwei der Täter (Pick, 43 J. / Becker 39 J.) aus Wuppertal sind in etwa gleichen Alters wie der Täter des Angriff auf OB Henriette Reker am 17.Oktober in Köln und ebenso in den 90er Jahren politisch sozialisiert, der dritte Täter ist jünger, bewegt sich jedoch heute im gleichen Szenespektrum. Zu ihrem politischen Hintergrund kann u.a. gesagt werden, dass sie alle drei über enge Kontakte zu Mario Leisering verfügen, der seit 2014 Mitorganisator der verschiedenen größeren und kleineren Hogesa-Zusammentreffen ist. Alle drei besuchten neben HoGeSa-Veranstaltungen ebenso Pegida und / oder Pro NRW Demonstrationen und/ oder Aufmärsche der Partei „Die Rechte“. Im Folgenden dokumentieren wir bekannte Details zu den einzelnen Tätern:
– Pick
Thomas Pick, Sohn eines Wuppertaler Polizeibeamten, erscheint für uns als “Anführer bei der Tat”.
Vor Gericht zeigte sich der 43-Jährige Pick als Hardliner der Rechten Szene und hat sich nicht zur Tat eingelassen. Picks Kontakte in der Naziszene bestätigte der vorsitzende Richter bei Prozessbeginn dadurch, dass er den Kontakt zu “SS-Siggi” (Siegfried Borchardt – Borussenfront/Die Rechte Dortmund), Sturm 18 sowie der rechten Hool-Gruppierung “Berserker” erwähnte.
Pick war bestens in das rechte HoGeSa-Netzwerk eingebunden. Das zeigt seine aktive Teilnahme an Diskussionen in internen Chat-Gruppen (siehe “Whats-App”-Gruppe). Außerhalb der digitalen Vernetzung pflegt Pick persönliche Kontakte zu Mario Leisering aus Oberhausen, aber auch zu anderen HoGeSa-Nazis aus NRW, wie z.B. etwa Andreas Kraul. Außerdem hat er offensichtlich Kontakt zur lokalen Wuppertaler Alt-Hooliganszene. An einem der Prozesstage erschien Pick in Begleitung von Nadine Ten Wolde.
Pick nahm am 27. Oktober 2012 an einer PRONRW-Demonstration gegen den Moscheeneubau der DITIB in Wuppertal-Elberfeld teil. An dieser Demonstration beteiligte sich auch Dominik Roeseler (Pressesprecher von „Gemeinsam Stark Deutschland (GSD)“, Anmelder der Kölner HoGeSa-Demonstration am 26. Oktober 2014 und derzeitiger stellvertretender PRONRW-Vorsitzender) sowie die „German Defense League“ (GDL). Wenig glaubhaft versuchte sich im Nachhinein der stellvertretende Vorsitzende und Stadtverordnete Gerd Wöll von der Fraktion PRO Deutschland/DIEREPUBLIKANER von der Teilnahme Pick’s zu distanzieren.
Thomas Pick wohnte bis vor einigen Jahren in der Wuppertaler Nordstadt. Von Anfang April 2014 bis Oktober 2014 saß er im Gefängnis, danach wohnte er in der Innenstadt von Wuppertal-Elberfeld.
Thomas Pick war unter den über 50 Personen aus dem HoGeSa-Spektrum, die sich am Abend des 18. Januars 2015 in Köln versammelt hatten, um die öffentliche Gedenkveranstaltung anlässlich des 14 Jahre zuvor verübten NSU-Bombenanschlags in der Probsteigasse anzugreifen. Glücklicherweise wurde die Gruppe kurz vor Erreichen des Zieles zufällig entdeckt und für 29 Personen endete die Aktion zirka 150 Meter vom südlichen Ende der Probsteigasse im Polizeikessel. Bei der Durchsuchung der Personen fand die Polizei Pfefferspray, Quarzsandhandschuhe, einen Elektroschocker sowie allerlei Protektoren. Der restliche Teil der Gruppe flüchtete von der Polizei unerkannt in die umliegenden Seitenstraßen.
Nach der Tat am 11. April 2015 war Pick 10 Tage auf der Flucht, obwohl die Polizei wußte wo er sich aufhielt. Stationen waren die Wohnorte von von Tanja Weinhold, Tanja Greulich und später bei Werwitzki in Dortmund. Obwohl schnell relativ klar war, dass Pick an der Tat beteiligt war, konnte er sich nach 10 Tagen freiwillig bei der Polizei stellen (zu der Art und Weise der Vernehmung werden wir im Teil zur Polizei schreiben). Danach folgte keine Festnahme und U-Haft.
– Petri
Seit dem 14. April sitzt der 25-Jährige Patrick Petri als Hauptbeschuldigter in U-Haft. Er wuchs im hessischen Dieburg auf, wohnte vor der Tat in Wuppertal und absolvierte bis zu diesem Zeitpunkt eine Jobcenter-Umschulungsmaßnahme zum Koch in der Bildungseinrichtung E.D.B. (Erfolg durch Bildung) in Velbert. Petri ist u.a. vorbestraft wegen Verwendung verfassungsfeindlicher Kennzeichen von ehemaligen nationalsozialistischen Organisationen (§§86a) sowie wegen schwerer Körperverletzung.
Patrick Petri bewegt sich schon seit mehreren Jahren in der Naziszene. Er war NPD-Mitglied und zwischenzeitlich Schatzmeister der NPD Krefeld. Engen Kontakt zu Mario Leisering aus Oberhausen, der aktuell zu den führenden HoGeSa-Nazis in NRW gehört, hat er bereits seit mehreren Jahren. Nach einem seiner JVA-Aufenthalten, wo er bei der Essensausgabe wegen rassistischen Äußerungen auffiel, zog er nach Oberhausen. Dort war er beim „Freien Widerstand Oberhausen“ aktiv.
Am 30. Mai 2011 nahm Patrick Petri an einem Naziaufmarsch in Enschede (Niederland) teil. Dort trug er zusammen mit Leisering das Transparent vom „Freien Widerstand Oberhausen“. Spätestens seit diesem Zeitpunkt hat Patrick Petri Kontakte zu Teilen der Wuppertaler Nazistruktur „Nationale Sozialisten Wuppertal“ (heute „Die Rechte Wuppertal“). An der Demonstration nahmen u.a. Marius Dörschel (Freundeskreis Rade), Daniel Borchert (Nationale Sozialisten Wuppertal, heute „Die Rechte“) und Paul Breuer (FN Köln & Angeklagter im AB Mittelrhein-Prozess) teil. Auf der Rückfahrt von dieser Demonstration randalierten mehrere Nazis, so dass sie in Rheine von der Polizei in Gewahrsam genommen wurden. Unter ihnen befand sich neben Patrick Petri, Mario Leisering und Nazis vom „Freundeskreis Rade“ aus Radevormwald auch Daniel Borchert. Daniel Borchert ist ein langjähriges aktives Mitglied der Wuppertaler Nazistruktur und stand auf der „Die Rechte“-Kandidat*innenliste für die Europawahl 2013.
Patrick Petri besuchte am 15. November 2014 die HoGeSa-Kundgebung in Hannover und am 14. März 2015 die PEGIDA-Demonstration in Wuppertal. Ein Foto aus dem Internet zeigt Patrick Petri wie er hinter dem HoGeSa-Transparent den Hitlergruß zeigt. Links neben ihm ist Mario Leisering aus Oberhausen zu sehen. Ob Petri zu den 50 Personen gehört, gegen die nach der PEGIDA-Kundgebung am 14. März ein Ermittlungsverfahren läuft, bleibt dennoch zu bezweifeln.
– Becker
Beim dritten Täter handelt es sich um den 39-Jährigen Rolf Becker aus Remscheid. Becker bewegt sich in der Hooligan-Szene von „Borussia Mönchengladbach“ und dem „FC Remscheid“, nennt sich auf Facebook „Rollo KC“ und pflegt Kontakte zu HoGeSa-Anhängern wie z.B. Andreas „Kalle“ Kraus aus NRW. Wie Patrick Petri besuchte Rolf Becker am 15. November 2014 die HoGeSa-Kundgebung in Hannover und am 14. März 2015 die PEGIDA-Demonstration in Wuppertal. Weitere Antifa-Recherchen in Zusammenhang mit dem Probsteigasse-Angriffsversuch ergaben, dass Becker ebenfalls am versuchten HoGeSa-Naziangriff in Köln beteiligt war.
Bezüglich der mörderischen Tat am 11. April 2015 gibt es in den folgenden Tagen Verbindungshinweise zur Partei “Die Rechte” und Mario Leisering von HoGeSa sowie der Vereinigung “Old School Society” (OSS). Auf der Facebook-Seite von “Die Rechte Wuppertal” veröffentlichte Mario Leisering am 13. April 2015 einen Post, in dem er seinen Freund Patrick Petri grüßt, einen Angriff von nur 3 Personen auf das Autonome Zentrum schützend negiert und beschreibt, dass HoGeSa bei einem gezielten Angriff auf das Autonome Zentrum in Wuppertal mit mindestens 100 HoGeSa-Nazis aufgelaufen wäre. (vgl.www.vice.com/de/read/rechte-hools-haben… Auf der Facebook-Seite der “Old School Society” (OSS) erschien bereits am Nachmittag des 11. April ein Post mit Zitaten der Pressemeldung der Wuppertaler Polizei zum Nazi-Angriff. Nach bundesweiten Razzien und 4 Festnahmen am 6.Mai 2015 hat die Bundesanwaltschaft im Januar 2016 wegen “Gründung einer terroristischen Vereinigung” und „Vorbereitung von “Sprengstoffanschlägen” Anklage erhoben. Der Erstellungszeitpunkt dieses Facebook-Beitrages der OSS ist noch vor dem Post von Mario Leisering auf der Facebook-Seite vom „Die Rechte – Kreisverband Wuppertal“ und vor der ersten Meldung des Autonomen Zentrums Wuppertal zu den Geschehnissen. (linksunten.indymedia.org/de/node/143738)
Die „Oldschool Society“ hat auch Strukturen in NRW (antifabochum.noblogs.org/2015/05/rechte….
Bei Petri, Pick und Becker von einer “Nazi-Vergangenheit”, einem “Ausstieg aus der Rechten Szene” oder ähnlichem zu sprechen, wie die drei Täter es selbst vor Gericht versuchen oder von “drei Männer, die jedenfalls früher zur rechten Szene gehört haben sollen”, wie die Staatsanwaltschaft Wuppertal es in ihrer Pressemitteilung zum Prozessbeginn formulierte oder von “mutmaßlich rechtsorientierten Täter”, wie die Wuppertaler Polizei in ihrer beschränkenden Verfügung vom 28.01.2016 noch weiterhin tut, stellt den kläglichen Versuch dar, einen politisch motivierten, mörderischen Angriff zu einer zufälligen Auseinandersetzung abzustufen und den politischen Hintergrund zu negieren.
Wir fragen:
- Was ist die Absicht hinter der Verleugnung des politischen Hintergrunds der Täter?
- War einer der Täter Zuträger oder V-Mann einer Sicherheitsbehörde?
- Was ist den Sicherheitsbehörden / der Wuppertaler Polizei bekannt zu den Verbindungen der Täter und des Täterumfelds zu weiteren rechtsterroristischen Vereinigungen?
Die Tat muss als einer der schwersten Angriffe von HoGeSa- Nazis 2015 eingeordnet werden. Der Ablauf des Tages bzw. des Abends der Nazis vor und nach der Tat stellt sich bislang folgendermaßen dar: Es wurde sich in der Wohnung des Täters Thomas Pick in der Elberfelder Innenstadt mit Patrick Petri und Rolf Becker getroffen. Ein Anlass dieses Treffens soll nach Aussage von Petri und Becker gewesen sein, für die anstehende Fahrt auf die geplante Hogesa-Nazi-Demo in Karlsruhe am 19. April 2015 das Fahrgeld einzusammeln, um dieses an Mario Leisering weiterzuleiten. Der Nachmittag / frühe Abend wurde nach Aussagen von Petri gemeinsam an der Wupper, genauer am Islandufer verbracht, um im Anschluss wieder in die Wohnung Pick zurückzukehren. Bereits hier war die vierte Person Tanja Weinhold nach Aussagen des Gerichts ebenfalls anwesend. In der Wohnung wurde der Plan besprochen ins Autonome Zentrum zu gehen, sich dafür unauffällig zu kleiden sowie sich mit mindestens einem Messer und einem Teleskopschlagstock zu bewaffnen. Die drei Hogesa-Nazi-Täter Pick, Petri und Becker waren im AZ und Tanja Weinhold war zwischenzeitlich ebenfalls kurz anwesend. Sie fielen nur einigen AZ-Besucher*innen durch unangemessenes Verhalten (z.B. zu große körperliche Nähe am Kicker, Frauen anstarren, gemeinsamer Gang aufs Frauenklo, Versuche Räume anzugucken) auf. Dies trug jedoch zunächst keine direkten Konsequenzen nach sich. Als Nazi wurde Thomas Pick durch den nachkommend eintreffenden Freund des AZ, das spätere Opfer, aufgrund einer weiter zurückliegenden Bedrohung an einem anderen Ort erkannt und zunächst AZ-intern benannt. Ca. zeitgleich haben sich Pick, Petri und Becker am Ausgang des AZ aufgehalten und wurden sodann darauf hingewiesen, dass sie nicht mehr reinkommen, da mindestens einer von ihnen eine Nazi-Vergangenheit habe. Die drei Täter fingen über den Umstand des Hausverbots Streit an in dessen Verlauf T. Pick P.Petri mit zweimaligem unauffälligem Zeichen geben über anstoßen mit der Hand aufforderte gemeinsam loszuschlagen. Dies geschah mit dem zeitgleichen Ruf: „Wir sind Hogesa!“ , den unbeteiligte Augenzeug*innen im Gericht bestätigten. Thomas Pick griff eine*n gegenüberstehende*n AZ-Besucher*in frontal an und zog einen Teleskopschlagstock. Patrick Petri griff unseren Freund direkt mit dem Messer an. Becker zog Pick aus dem Eingang des AZ heraus. In der Annahme alle AZ Besucher*innen befinden sich im AZ, ist aus Schutz vor den Hogesa-Nazi-Angreifern die Eingangstür zugezogen worden, ohne sehen zu können, dass sich unser Freund noch auf der Strasse vor der Tür befand, ein folgenschweres Versehen, dass dazu führte, dass er mit den drei Tätern allein war. Nach unabhängigen Augenzeug*innenberichten sind die drei Täter zu dritt weiter auf unseren Freund losgegangen und schlugen, traten und stachen mit dem Messer auf ihn ein als dieser bereits schutzlos am Boden lag, ein unabhängiger Fensterzeuge sprach in diesem Zusammenhang von einem sogenannten Stiefelkreis. Patrick Petri hat sich nach Erkenntnissen im Verfahren beim brutalen führen des Messers auf unseren Freund mit seinem eigenen Messer verletzt. Als sich das Tatopfer nicht mehr regte flüchteten die drei Täter gemeinsam, Zeug*innen beschreiben noch einen Ruf: „Vergiss nicht das Messer“ und „Verrecke du linke Sau“. Auf der anderen Straßenseite standen zu diesem Zeitpunkt nach Zeug*innenaussagen einige Leute, die von der später eintreffenden Polizei nie als Zeug*innen ermittelt bzw. vernommen worden sind. Unerkannt und unverfolgt flüchteten Petri, Pick und Becker gemeinsam über die Gathe in die Wohnung von Pick. Spätestens hier trafen sie wieder auf Tanja Weinhold. Gemeinsam wurde eine Geschichte eines Überfalls gesponnen, die Tanja Weinhold in der Rolle der „unbeteiligten Passantin“ der selbst gerufen Polizei vorgelogen hat. Patrick Petri wurde mit einem gerufenen Rettungswagen ins Helios-Klinikum gebracht, wo er medizinisch versorgt wurde und von der Polizei zunächst noch in der Nacht gegen 2.40 Uhr als Zeuge vernommen worden ist. Zu der Art und Weise der Vernehmung berichten wir unter dem Punkt Polizei, hier nur soviel: der vernehmende Beamten wusste bereits zu diesem Zeitpunkt durch vorherige Abfrage, dass Petri “der Rechten Szene zuzuordnen” sei.
In den ersten Presseberichten hieß es, dass eine unabhängige Zeugin den Täter Patrick Petri nach seiner Flucht vom Tatort des Autonomen Zentrums an den City Arkaden entdeckt hat und die Polizei anrief. Das ist eine falsche Annahme gewesen, basierend auf Aussagen der Wuppertaler Polizei und Staatsanwaltschaft.
Im Verlauf des Prozesses hat sich herausgestellt, dass die scheinbare „Passantin“ Tanja Saure Weinhold (38 Jahre, Wuppertal-Langerfeld), die den Täter Patrick Petri vor den City Arkaden in der Elberfelder Innenstadt verletzt gefunden haben soll und daraufhin die Polizei alarmierte, im Verlauf des gesamten Abends mit den drei Tätern Pick, Petri und Becker in Kontakt stand bzw. sich mit ihnen gemeinsam bewegte.
Sie war anwesend bei der Planungsbesprechung und Bewaffnung in der Wohnung des Täters Thomas Pick. Sie war zwischenzeitlich am Tatabend im AZ mit den drei Tätern zusammen. Im Anschluss an die mörderische Tat, nach der die Täter Pick, Petri und Becker unerkannt und unverfolgt geflohen sind, war sie mit den Tätern in der Wohnung Pick.
Der Täter Petri, der sich selbst mit seinem eigenen Messer an Oberschenkel und Hand verletzt hat (oder war es einer seiner Freunde?), wurde von Pick, Becker und Weinhold in der Wohnung behandelt und in der Folge an den City Arkaden abgesetzt. Tanja Weinhold hat in Absprache mit den angeklagten Tätern die Polizei gerufen und eine fingierte Geschichte über den Fund Petris in der Stadt sowie eine gemeinsam erlogene Darstellung über einen Überfall in der Innenstadt der Polizei geschildert.
Tanja Weinhold ist zumindest eine Mitwisserin. Nach Zeugenaussage der langjährigen Ex-Lebensgefährtin von Thomas Pick Roswitha S. und ihrer Tochter im laufenden Prozess, ist Tanja Weinhold nach eigener Aussage von Pick ihnen gegenüber die einzige, die ihm „das Genick brechen könnte“.
Tanja Weinhold soll nach Aussage des Gerichts verschiedene Versionen des Ablaufs in der Tatnacht bei der Polizei ausgesagt haben, die sich in den Akten des Prozess befinden und im laufenden Verfahren nicht genauer thematisiert worden sind. Auch soll sie bereits im Vorfeld von Pick bedroht worden sein.
Weinhold war am 4.12. als Zeugin geladen. Sie gab an seit 11.11.2015 mit dem HoGeSa-Nazi Thomas Pick verlobt zu sein. Im gleichen Satz sagte sie, dass es hierfür Zeug*innen gäbe. Sie verweigerte daraufhin jede weitere Aussage.
Am 18.01.16. haben Thomas Pick und Tanja Weinhold geheiratet. Staatsschutz bzw. Sicherheitsbehörden – die auch den Prozess intensiv verfolgen – waren Teil der Hochzeitsgesellschaft und am Standesamt anwesend. Vor Gericht hatten sie angegeben künftig „Saure“ als Ehenamen führen zu wollen. Auf dieses durchsichtiges Verschleierungsmanöver haben wir keine Lust, daher werden die beiden im Folgenden immer mit allen drei Nachnamen Saure, Pick, Weinhold benannt.
Ob Tanja Weinhold von Thomas Pick unter Druck gesetzt wurde, die Ehe einzugehen oder, ob sie dies freiwillig tat, um nicht gegen ihn aussagen zu müssen ist letztlich unerheblich. Fakt ist, sie hätte ihn zusätzlich vor Gericht belasten können, hat sich aber entschieden den Mordversuch mit zu decken. Sie ist mindestens Mitwisserin, wenn nicht gar Mittäterin.
Wir fragen:
- Inwieweit wusste Tanja Saure Weinhold im Vorfeld von der Tat?
- Welche Aussagen hat Tanja Saure Weinhold bei der Polizei getätigt, die den Täter Pick schwer belasten?
- Welche Aufgabe hatte der Staatsschutz bzw. Sicherheitsbehörden bei der Hochzeit von Pick und Weinhold am 18.01.2016?
Im bereits angelaufenem Verfahren meldete der Staatsanwalt im Gericht, ihm sei vom Staatsschutz Wuppertal, namentlich Herrn Böttcher, eine Akte übergeben worden, die möglicherweise etwas mit dem Tatkomplex zu tun habe. Dem Staatsanwalt war über eine solche Akte im Vorfeld des Verfahrens laut eigenen Aussagen nichts bekannt, sie lag also zum Zeitpunkt der Ermittlungen der federführenden Ermittlungsbehörde scheinbar nicht vor.
Das Gericht erhielt diese Akte zur Einsichtnahme und verkündete an einem anderen Prozesstag, dass es in dieser Akte um Chat-Protokolle von WhatsApp-Gruppen gehe u.a. mit dem Namen „Angriffsparty“. Der Angeklagte Pick sei Mitglied dieser WhatsApp-Gruppen und an diesen Chats aktiv beteiligt ebenso wie Thomas Otten, Dennis Stedile und Marcel Vierke. Der Abschnitt zu Wuppertal sei nur ganz kurz und das Gericht habe noch nicht entschieden, ob diese Akte hinzugezogen werden soll.
Zunächst erhielten alle Verfahrensbeteiligten (Gutachter, Nebenklageanwältin, Verteidiger der Angeklagten) Einsicht in die Akte und dieser Themenkomplex wurde nicht weiter behandelt. Am letzten Prozesstag, kurz vor Abschluss der Beweisaufnahme wurde ohne weitere Begründung die sogenannte „WhatsApp-Akte“ in kleinen Auszügen den Prozess eingeführt.
Im Folgenden erläutern wir unsere Erkenntnisse zum WhatsApp-Akten-Komplex:
Wie bereits oben unter dem Punkt Täter beschrieben, war Thomas Pick am Abend des 18.01.2015 am versuchten Angriff auf eine Gedenkveranstaltung anlässlich des 14 Jahre zuvor verübten NSU-Bombenanschlags in der Probsteigasse in Köln beteiligt.
Am 21.01.2015 ergeht eine richterliche Anordnung zur Hausdurchsuchung bei Thomas Pick zwecks Feststellung von 2 Handys, die jedoch nicht durchgeführt worden ist, da T. Pick an seiner Wohnung nicht angetroffen worden sei, jedoch im folgenden dazu stieß und 2 Handys ‚freiwillig’ abgibt.
Am 23.01.2015 wurde der Staatsschutz Wuppertal über den Vorgang informiert und erhielt eine Zusammenfassung. Die darauf folgende Vernehmung Pick durch den Vernehmungsbeamten des Wuppertaler Staatsschutzes Böttcher war oberflächlich, dünn ohne unbequeme Fragen und ohne weitere Erkenntnisse. Auf den Vorhalt Böttchers der Vorbereitung eines Anschlags, stritt Pick ein solches Vorhaben ab, kann sich nicht erklären woher solche Informationen stammen und fragt den Vernehmungsbeamten Böttcher dazu. Dieser sagt es gebe Chat-Protokolle. Daraufhin erklärt Pick Böttcher, dass sie darüber gechattet hätten wo Autonomen Zentren sind und der, der danach gefragt habe, sei einer der bei HoGeSa “das Sagen hat” und die Aktionen plant. Warum dieser so etwas wissen wollte, habe er (Pick) nicht gefragt und wie der hieße wisse er nicht, nur der Spitzname wäre bekannt. Auf diese Aussage hin stellte der Staatsschutzbeamte Böttcher keine weiteren Fragen, nicht einmal den Spitznamen wollte er wissen! Das Vernehmungsprotokoll schließt mit der Bemerkung Böttchers, dass Pick durchgehend kooperativ gewesen sei.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt wusste die Staatsschutzabteilung der Wuppertaler Polizei vom Autonomen Zentrum Wuppertal als ein Angriffsziel einer Gruppe von 100 in einer WhatsApp-Gruppe namens „Angriffsparty“ vernetzter gewaltätiger HoGeSa-Nazis.
Thomas Pick brachte in diese Chat-Gruppe den Vorschlag des Angriffs auf das Autonome Zentrum in Wuppertal ein. Der Zeitpunkt eines Angriffs an dem unser Haus (AZ) gut besucht sein könnte (Öffnungszeiten und Konzerte) sowie die Art eines Angriffs (mit vielen Leuten hin bis zum Brandsatz werfen) wurden offen in der Chat-Gruppe diskutiert.
Als weiteres Ziel wurde das Linke Zentrum „Hinterhof“ in Düsseldorf erwähnt. Dies ergibt sich aus dem kurzen Abschnitt des Chat-Protokolls, der im Gericht verlesen wurde und aus dem Plädoyer der Anwältin der Nebenklage.
Was in den anderen WhatsApp-Gruppen mit den Namen “Arische Rasse 88”, “Hogesa Bergisches Land”, “Antifa-Feier sprengen” usw. geschrieben worden ist, ist bisher nur den Behörden bekannt, nicht jedoch der Öffentlichkeit geschweige denn den von der akuten Bedrohung Betroffenen.
Die Akte wird am 28.02.2015 geschlossen, ohne dass etwas weiteres damit geschieht.
Es gab zu keiner Zeit eine Warnung an das Autonome Zentrum Wuppertal bzw. linke Zentren von Seiten irgendeiner Behörde.
Von Beginn an waren wir uns sicher, dass die Täter das Autonome Zentrum als Ort eines Angriffs ganz bewusst aufgesucht haben (vgl. zweite Erklärung) aufgrund unser unablässigen Organisierung und Mobilisierung gegen rassistische Zustände und Naziumtriebe jedweder Art. Das war zum damaligen Zeitpunkt überdies ein logischer Schluss aus dem Wissen über Gewalttätigkeiten und Vernetzungen der verschiedenen und ineinandergreifenden Naziszenen und der Selbstenttarnung des NSU 2011.
Aus heutiger Sicht stellt sich klar heraus, dass es Planungen und Verabredungen zu Angriffen auf linke Zentren aus Reihen organisierter Nazis aus dem HoGeSa – Spektrum, womöglich vernetzt mit weiteren organisierten Nazistrukturen zumindest aus NRW, gegeben hat und gibt. Dieses geschah mit konkretem Wissen der Polizei, die zu keinem Zeitpunkt die Betroffenen darüber informiert, bzw. gewarnt geschweige denn geschützt hat sondern vielmehr durch Verschweigen ihres Wissens den Tätern ermöglicht unerkannt zu handeln.
Wir fragen:
- Wer hat die Beschlagnahmung der Handys veranlasst?
- Was war der Anlass zur richterlichen Verordnung zur Beschlagnahmung der Handys von Pick?
- Sind von noch mehr Handys der Angreifern des 18. Januars in Köln beschlagnahmt und ausgewertet worden? - Welche Erkenntnisse liegen daraus vor?
- Sind neben der Polizei weitere staatliche Behörden in diesen Vorgang verwickelt?
- Sind V-Männer in den WhatsApp-Gruppen aktiv gewesen?
- Wenn ja, wie viele?
- Gab es bereits vor dem 18.Januar Erkenntnisse aus den verschiedenen WhatsApp-Gruppen z.B. bezüglich des versuchten Angriffs am 18. Januar?
- Warum sind die Ermittlungen zum 18. Januar in Köln eingestellt worden?
- Warum sind die Betroffenen / das Autonome Zentrum Wuppertal nicht über Planungen von Angriffen auf sie informiert worden?
- Warum lag die Akte zum Zeitpunkt der Ermittlungen, spätestens seit bekanntwerden der Tatbeteiligung Thomas Pick der federführenden Staatsanwaltschaft und dem Remscheider Vernehmungsbeamten Baron von Thomas Pick nicht vor? -
- Wer hat entschieden, dass die Akte tatenlos geschlossen wird? -
- Was hat den Beamten des Wuppertaler Staatsschutzes Böttcher veranlasst, die „WhatsApp-Akte“ in das laufende Gerichtsverfahren nachzureichen?
5. Rettungseinsatz am Autonomen Zentrum
Spätestens am 5. Verhandlungstag wurde es über deutlich: Die Rettungskräfte wurden von der Polizei vom lebensgefährlich verletzten Opfer des Messerangriffs wegbeordert!
Bereits mehrere Zeug*innen hatten ausgesagt, dass die Rettungskräfte kurz nach ihrem Eintreffen die Behandlung wieder abbrechen mussten, weil sie von der Polizei abgezogen wurden. Dies hat sich nun durch die Aussage des erstbehandelnden Rettungsassistenten eindeutig bestätigt. Die Besatzung des durch die AZ-Besucher*innen herbei gerufenen RTW wurde nicht nur unmittelbar ins Autonome Zentrum (AZ) gelassen, vielmehr seien sie bereits an der Straße eilig herbei gewunken und direkt zu dem lebensgefährlich Verletzten geführt worden, laut Aussage des Rettungsassistenten zu sechst: sein Kollege, er und vier uniformierte Streifenbeamte. Worauf sie unmittelbar und ungehindert mit der rettungsdienstlichen Erstversorgung beginnen konnten, bis sie plötzlich und für sie nicht nachvollziehbar durch die zeitlich später eingetroffene Einsatzleitung vom Opfer wegbeordert wurden.
Selbst der verwunderte Richter musste trotz mehrfachen Nachfragens schließlich konstatieren, dass sowohl den Rettungskräften als auch den zeitgleich eintreffenden Polizist*innen der Zutritt zum AZ nicht verweigert wurde und sie zusammen mit den Rettungskräften ungehindert zu dem lebensgefährlich verletzten Freund des Hauses geleitet wurden.
Nachdem die Rettungskräfte vom Schwerstverletzten abgezogen und von der Polizei nicht mehr ins AZ gelassen wurden, habe die etwas später eingetroffene Notärztin angeregt, dass zur Not der Patient auch durch die Polizei aus dem AZ gebracht werden könne, damit die weitere rettungsdienstliche Notfallversorgung fortgesetzt werden könne. Woraufhin die Polizist*innen zunächst versuchten den lebensgefährlich Verletzten auf einer Trage abzutransportieren. Die Trage passte jedoch nicht um die enge Ecke und so wurde der Schwerstverletzte anscheinend von Polizist*innen gepackt und ohne Trage aus dem AZ befördert. Diese Schilderung, die sich wie bereits erwähnt, in zahlreichen bisher erfolgten Zeug*innenaussagen wiederfindet, offenbart in aller Deutlichkeit, dass Fehlverhalten der Polizei in dieser Nacht.
Wir fragen:
- Wer hat die Rettungskräfte von unserem Freund abgezogen?
- Wer hat die Lageeinschätzung getätigt?
- Auf welcher Basis / Erkenntnis wurde diese Lageeinschätzung getätigt?
- Wer waren die ersten Polizeibeamten vor Ort?
- Warum findet sich über die eingesetzten Beamten nichts in der Akte?
6. Polizei / Einsatzleitung /Ermittlungsbehörden
Der folgende Abschnitt ist in drei Blöcke unterteilt: das Handeln der Polizei am Tatabend, Presse- und Öffentlichkeitsinformation der Wuppertaler Polizei und Vernehmung der Täter durch Vernehmungsbeamte der Polizei.
Das Handeln der Wuppertaler Polizei am Tatabend
Reflexhaft funktioniert bei der Wuppertaler Polizei das Feindbild gegen Links bzw. gegen Antifaschist*innen. Im Anschluss an den Angriff der drei HoGeSa-Nazis agierte die Wuppertaler Polizei eskalierend und unprofessionell, die Beamt*innen der Elberfelder Hauptwache Hofkamp handelten wie folgt:
- Während der Notfallversorgung wurde das AZ von Polizeibeamt*innen gestürmt.
- Die vom Nazi-Angriff unter Schock stehenden, sich in einer psychologischen Ausnahmesituation befindende Besucher*innen des Autonomen Zentrums wurden mit Schlagstöcken und Pfefferspray bedroht – diese wurden jedoch nicht zum Einsatz gebracht -.
- Die Einsatzleitung des Abends beordert die bereits mit der Notfallrettung unseres Freundes beschäftigten Rettungssanitäter von dem Schwerverletzten weg mit dem Befehl: “Alle Rettungskräfte raus!”. Sie nahm dabei eine Verschlechterung des höchst-kritischen Gesundheitzustands des lebensgefährlich verletzten Opfer des mörderischen Naziangriffs billigend in Kauf.
- Ermittlungen und Spurensicherungen in der Tatnacht und am darauf folgenden Morgen konzentrierten sich offensichtlich ausschließlich nur auf Zeug*innen bzw. Besucher*innen aus dem AZ.
- Unabhängige Zeug*innen, die sich auf der anderen Straßenseite aufhielten wurden nicht ermittelt geschweige denn befragt.
- Die eingesetzten Beamten trampelten ohne Rücksicht durch alle Spuren vor der Tür.
- Anstatt mit einem direkt vor Ort angebotenen Schlüssel alle Räume im Haus zu betreten, wurden zwecks „Tatortsicherung“ fast alle Türen des Autonomen Zentrums eingetreten und zerstört.
- Fluchtwege von Tätern wurden nicht überprüft.
- Zeug*innen und Ersthelfer*innen aus dem Autonomen Zentrum wurden teilweise bis zum nächsten Mittag in Polizeigewahrsam festgehalten bzw. als Beschuldigte festgenommen.
- Ein „blutverschmiertes Messer“, womöglich die Tatwaffe, wurde erst am Montag von der Polizei sichergestellt.
Presse- und Öffentlichkeitsinformation der Wuppertaler Polizei
Es gibt 2 Arten von Lügen:
- Fälschen und Präsentieren falscher Informationen, so als seien sie wahr
- und Verheimlichen und Weglassen wahrer Informationen.
Die Wuppertaler Polizei bediente sich beider Taktiken, nicht um die Öffentlichkeit mit ihren Informationen zu informieren, sondern um diese in ihrem Interesse zu beeinflussen. Aufheizen ist hier wohl das passendere Wort.
In ihrer ersten Pressemitteilung spricht die Polizei von einer „Auseinandersetzung“. Diese falsche Wortwahl kennen wir bereits aus dem geplanten Überfall von Wuppertaler Nazis auf Besucher*innen des Vohwinkler Flohmarkts und aus dem überregional organisierten Nazi-Überfall auf eine Vorstellung des Medienprojekts Wuppertal im Cinemaxx. Damals wie bis heute wird bewusst suggeriert, dies sei ein beidseitiger Konflikt zwischen „Rechts“ und „Links“, anstatt eindeutig die brutale einseitige schwere Verletzungs- und dieses mal Tötungsabsicht von Nazis zu benennen. Dieses Vorgehen muss als Opfer-Täter-Umkehr bezeichnet werden.
Weiterhin erzählte die Polizei die Geschichte ihres Einsatzes am AZ in verschiedenen Versionen:
In der ersten Pressemitteilung verlautbaren sie: „Bei Eintreffen der Rettungskräfte wurden Polizeibeamte und Rettungswagenbesatzungen im Gebäude von mehreren Angehörigen der linken Szene angegriffen und der Zutritt verwehrt. Erst durch den Einsatz von Pfefferspray und mittels Schlagstock konnten die Einsatzkräfte den Verletzten zur weiteren ärztlichen Versorgung aus dem Gebäude retten.“ (Pressemitteilung der Polizei Wuppertal 11.04.2015 – 08:58)
In der Lokalzeit vom 11.04.2015 behauptet die Polizeisprecherin Anja Meis: „es gab Widerstandhandlungen, dass heißt wir mussten unter Einsatz von Pfefferspray und Schlagstock in das Gebäude.“ (Lokalzeit vom 11.4.2015)
In der Lokalzeit vom 13.04.2015 wird die Geschichte ebenfalls durch die Polizeisprecherin Anja Meis wieder anders erzählt:„Die Kollegen sind in das Gebäude rein. Es gab Rangeleien und Schubsereien. Und da musste man auch zwischendurch wieder rausgehen, sich sammeln. Die verletzte Person konnte aber aus dem Gebäude gebracht werden und wurde dann aber weiter behandelt.“
Die verschiedenen Erzählungen der Polizei zeigen deutlich, dass hier absichtlich und berechnend Falschdarstellungen in Umlauf gebracht werden, die von der Presse zu diesem Zeitpunkt durchweg ungeprüft übernommen worden sind und so ein Bild von Besucher*innen des Autonomen Zentrums gezeichnet worden ist, als seien diese ein Haufen “Durchgeknallter”, die lieber gegen die Polizei kämpfen, als sich um ihren lebensgefährlich verletzten Freund zu kümmern. Es wurden mutwillig AZ-Besucher*innen / Antifaschist*innnen von Seiten der Polizei verleumdet.
In dem Wissen, dass die zusammengelogene Geschichte über die Geschehnisse der Nacht womöglich nicht haltbar sein wird, verbreitet die Pressesprecherin der Wuppertaler Polizei immer neue Versionen des Einsatzablaufs, zuletzt am 13.04.2015.
Ab diesem Zeitpunkt schweigt die Polizei. Selbst von der Festnahme Petris und der Überführung in Untersuchungshaft am 14.04.2015 und der Ermittlung von Becker und Pick als die 2 weiteren Täter wird nicht öffentlich berichtet. Das Verheimlichen und Weglassen wahrer Informationen kommt hier zum tragen.
Am 15.05.2015, ca. 4 Wochen nach der Tat und der Ermittlung der Täter, veröffentlichte die Wuppertaler Polizei in einer kurzen Pressemitteilung den Abschluss der Ermittlungen, in dem sie neben einer Festnahme am 14.04.2015 und der Ermittlung zweier weiterer Männer (38 J./42 J.), die Zugehörigkeit zur Rechten Szene erwähnt und das alle drei bereits polizeilich in Erscheinung getreten sind. Es findet sich kein Wort über ihr eigenes Handeln und die Falschinformationen ihrer vorherigen Pressemitteilungen.
Das zuvor gezeichnete Bild bleibt in der Öffentlichkeit bestehen. Die Falschmeldungen von damals ermöglichen es sich heute erneut auf das damalige Narrativ zu beziehen und das aktuelle polizeiliche Vorgehen nochmals damit zu begründen. (vgl. Beschränkende Verfügung der Versammlung der Polizei Wuppertal vom 28.01.2016 im Anhang der Pressemitteilung der Partei ‘Die Linke’ vom 1.2.2016; www.njuuz.de/beitrag33699.html)
Es muss den Sicherheitsbehörden unterstellt werden, dass mit der Lancierung von Falschmeldungen eine bewusste Fehlinformation der Öffentlichkeit betrieben worden ist, mit dem Ziel diese in ihrem Interesse zu beeinflussen.
Es muss den Sicherheitsbehörden unterstellt werden, dass der HoGeSa / Pegida-Nazi-Hintergrund der Tat verharmlost, bagatellisiert, relativiert und letztendlich negiert werden soll. Rechte Gewalt wird nicht benannt.
Vernehmung der Täter durch Vernehmungsbeamte der Polizei
Bereits im oben stehenden Abschnitt zum WhatsApp-Akten-Komplex haben wir den nicht von Erkenntnisinteresse geleiteten, oberflächlichen Vernehmungsstil des Staatsschutzbeamten Böttcher beschrieben. Diese handeln von Vernehmungsbeamten zieht sich insbesondere bezogen auf die Vernehmungen von Petri und Pick fort.
Die erste Vernehmung Petris fand um 2.40 Uhr im Helios-Krankenhaus statt. Ein Eintrag im Polizeicomputer als “rechtsmotiviert” war dem vernehmenden Beamten bekannt. Petri wurde als Zeuge einer Straftat vernommen und sagte lediglich aus, er sei von Unbekannten mit einer Flasche auf den Kopf geschlagen worden. Die zweite Vernehmung fand im Laufe des 11.04.2015 auf Wunsch Petris durchgeführt von dem Beamten Kämmler, damals in Wuppertal tätig, nun arbeitend beim LKA ebenfalls im Krankenhaus statt. Bereits hier sagt Petri nach Aussage Kämmlers im Prozess aus, er sei in der Nähe vom AZ aus einer Gruppe heraus mit der Flasche auf den Kopf geschlagen worden. Die Verbindung Petris zum Tatort des mörderischen Naziangriff wurde durch ihn selbst also bereits am 11.04.2015 hergestellt. Der Beamte Kämmler stufte ihn als Gefährdeten ein und bot Polizeischutz an. Die dritte Vernehmung fand im Beisein des Rechtsanwalt Sauter bei der Polizei statt. In dieser Vernehmung behauptet der Täter Petri er sei nicht im AZ gewesen, aber davor und dort angegriffen worden. Die Namen seiner Freunde wolle er nicht nennen er sage nur soviel dazu: der Eine sei ein Hooligan, der andere ein distanzierter Rechter. In der vierten Vernehmung am 15.04.2015 sagte Petri aus, er sei im AZ gewesen. Der Vernehmungsbeamte bestätigte vor Gericht auf Nachfrage, dass ihm eigentlich alle Informationen der laufenden Ermittlung zur Verfügung hätten stehen müssen, von der “WhatsApp-Akte” hatte er keine Kenntnis. Weiter sagte er, die Geschichte von Petri sei ihm schon komisch und widersprüchlich vorgekommen, aber: nichts weiter.
Nach der Tat am 11. April 2015 war Pick 10 Tage auf der Flucht, obwohl die Polizei durch seine Ex-Lebensgefährtin Roswitha S. wusste wo er sich aufhielt, geschah nichts weiter. Nach terminlicher Vereinbarung durch seinen Anwalt spazierte er 10 Tage nach der Tat auf eine Polizeiwache in Remscheid um dort seine erste und einzige Aussage zu tätigen. Er diktierte dem Vernehmungsbeamten Baron kurz und knapp seine Version des Tatgeschehens in die Feder. Das Vernehmungsprotokoll war dermaßen kurz, dass es selbst den vorsitzenden Richter quasi fassungslos machte. Das Protokoll sei „höchstens einem Ladendiebstahl würdig“. Der Polizist hat nicht eine Nachfrage zu der Tat oder zur genaueren Sachverhaltsermittlung gestellt – es wurde immerhin wegen versuchtem Mord ermittelt -.
Er fragte lediglich am Ende: “Möchten Sie dem noch etwas hinzufügen?” und als dieses von Pick verneint wurde, war die Vernehmung beendet. Von Erkenntnisinteresse keine Spur und obwohl Thomas Pick als gewalttätig und der Extremen Rechten zugehörig der Polizei bekannt sein muss, obwohl er zu diesem Zeitpunkt akut verdächtig für diesen versuchten Mord war, wurde seine Version des Abends als glaubwürdig eingeschätzt und er wurde von Vernehmungsbeamten einfach gehen gelassen. Das machte im Verfahren selbst den Richter stutzig bis sprachlos. Der Täter Pick schweigt seitdem.
Der Fisch stinkt – der Kopf erst recht
Es war nicht nur der Einsatzleiter des Abends, der die Situation “falsch” einschätzte.
Es war nicht nur die Spurensicherung, die schlampte.
Es war nicht nur der / die einzelne Streifenpolizist*in, der / die schon immer mal gegen die von ihm / ihr verhassten Autonomen vorgehen wollte.
Es war nicht nur die einzelne Polizeisprecherin, die gelogen hat.
Es war nicht nur die Mordkommission, die versäumt hat ihre Ermittlungsergebnisse an die Öffentlichkeit weiterzugeben.
Es waren nicht nur die Vernehmungsbeamten Böttcher, Klämmer, Baron, die eine Vernehmung vergeigt haben.
Und so weiter, und so weiter, und so weiter……..
Die ganzen Lügen, das Schweigen und gezielte Nicht-Ermitteln gegen Nazis liegt im System, der Struktur und der Institution begründet: Mit Schlampigkeit oder Fehlverhalten eines einzelnen Beamten ist ein solches Verhalten, das quasi alle Abteilungen der Wuppertaler Polizei betrifft, nicht zu erklären.
Der gesamte Sachverhalt zum Thema Polizei / Ermittlungsbehörden spielt in dem Prozess gegen die drei Täter Pick, Petri und Becker keine Rolle, bedarf jedoch der dringenden öffentlichen Aufklärung.
Es ergeben sich hieraus hunderte von Fragen!
Wir erwarten Antworten und befürchten dennoch, dass diese ähnlich unbefriedigend ausfallen, wie diejenigen aller Sicherheitsbehörden in den Parlamentarischen Untersuchungsausschüssen der Länder und des Bundes zum NSU-Komplex, denn heutzutage fangen alle richtigen Märchen nicht mehr mit „Es war einmal…“, sondern mit: „Ich kann mich nicht mehr erinnern…“an.
Wir fragen zunächst nur eines:
- Frau Polizeipräsidentin Radermacher, ist das ihr Programm “Hellwach gegen Rechts” mit den drei Säulen Strafverfolgung, Prävention, polizeiinterne Information, das hier zur Geltung kommt?
7. Vorladung wegen des Tatvorwurfs des versuchten Mordes an AZ-Besucher*innen
In der Folge des mörderischen Nazi-Angriffs setzte die Polizei ihren Angriff auf Besucher*innen des Autonomen Zentrums fort. Zeug*innen und Ersthelfer*innen aus dem Autonomen Zentrum wurden teilweise bis zum nächsten Mittag in Polizeigewahrsam festgehalten bzw. als Beschuldigte festgenommen. Ersthelfer*innen wurden mit Plastiktüten über den Händen in Handschellen ins Polizeigewahrsam gebracht. Freunde und Bekannte des Opfers wurden von Beginn an als Beschuldigte geführt, ohne eine andere Spur zu verfolgen (vgl. Abschnitt Vernehmung Petri).
Mindestens 8 der anwesenden AZ-Besucher*innen erhielten Vorladungen, zwei davon mündlich, in denen sie grund- und haltlos der Tat des versuchten Mordes bzw. Totschlags beschuldigt wurden. Zur Deutlichkeit noch einmal: nicht als Zeug*innen, sondern als Beschuldigte.
Diese lagen zum Teil bereits Sonntags morgens in den Briefkästen der Betroffenen. Die Wuppertaler Polizei verschickte diese jedoch auch noch, nachdem sie mit Petri schon einen dringend Tatverdächtigen festgenommen hatte.
Alles in allem fand eine typische Opfer-Täter-Umkehr statt.
Zu Beginn des Verfahrens am 5. Oktober lagen für Besucher*innen aus dem AZ, die als Zeugen im Prozess aussagen sollten, keine Einstellung des Verfahrens gegen sie vor.
Gegen unseren Freund, das Opfer des Nazi-Angriffs, wurde ebenso ermittelt und er wurde im ganzen Verlauf des Verfahrens auch als Beschuldigter geführt.
Die Kriminalisierung der Hilfeleistenden aus dem Autonomen Zentrum und eine Opfer-Täter-Umkehr, die die Opferberatung Rheinland und die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus NRW in ihrem offenen Brief an die Wuppertaler Polizeipräsidentin Birgitta Radermacher befürchtete (vgl. www.wuppertaler-rundschau.de/lokales/ei…, ist bittere Realität in Wuppertal.
Unsere Stadt ist an diesem Punkt kein Einzelfall. Als schreckliche und katastrophale Beispiele müssen in diesem Zusammenhang die Ermittlungen um die Morde des NSU und den Nagelbombenanschlag auf die Kölner Keupstraße genannt werden. Dieses Vorgehen bzw. Falsch- und Nicht-Vorgehen nach Gewalttaten mit rechtem menschenverachtenden und / oder rassistischem politischen Hintergrund ist, trotz gegenteiliger Behauptungen nach der Selbstenttarnung des NSU 2011, noch immer tief in den Strukturen der ‚Sicherheits’-Institutionen verankert.
Wir fragen:
- Hat sich überhaupt etwas innerhalb der Behörden seit der Selbstenttarnung des NSU 2011 verändert?
- Sind alle Verfahren gegen Besucher*innen des Autonomen Zentrum am 11.04.2015 eingestellt?
- Wer ist verantwortlich für die grund- und haltlosen Beschuldigungen?
- Was hat Polizeipräsidentin Birgitta Radermacher im Polizeiausschuss hierzu erklärt?
Besucher*innen des Autonomen Zentrums, die als Zeug*innen vor Gericht ausgesagt haben, haben im Vorfeld eigenständig bzw. über die Opferberatung Rheinland das Unkenntlichmachen bzw. Schwärzen ihrer Namen und Adressen in den Akten beantragt, da von einer weiteren hohen Bedrohungslage durch Nazi-Angriffe auszugehen ist. Diese Möglichkeit des Schutzes besteht nach §68 Strafprozessordnung. Hierzu bedarf es einer Einschätzung der Bedrohungslage.
In Wuppertal sind bereits vor, während und nach Aussagen vor Gericht gegen Nazis in anderen Verfahren Zeug*innen bedroht worden. Dieser Umstand ist der Wuppertaler Polizei sowie der Wuppertaler Staatsanwaltschaft, z.B. aus dem Verfahren um den Überfall von Nazis auf linke Flohmarktbesucher*innen, durchaus bekannt.
Trotz der Anträge (mündlich und schriftlich): alle Namen und Adressen, teilweise ebenso die der Eltern und Telefonnummern sind vollständig lesbar in den Akten vorhanden. Kein einziges Unkenntlichmachen bei Zeug*innen aus dem AZ-Umfeld hat funktioniert.
Erstaunlicherweise stellte sich jedoch im laufenden Verfahren heraus, dass bei vier unabhängigen Zeug*innen genau dieser Vorgang reibungslos und ohne Antrag, ja sogar ohne einen eigenen Wunsch auf Anonymisierung, durchgängig sicher erledigt wurde. Diese vier Zeug*innen wurden in der Akte als X01-X04 geführt und der Staatsanwalt musste aus seinem Tresor aus dem Büro zunächst die geschlossenen Umschläge selbst holen, damit die jeweiligen Zeug*innenaussagen in der Akte, den anwesenden Zeug*innen zugeordnet werden konnten. Ohne Abklärung und Aufklärung über eine Gefährdungslage wurde diese Anonymisierung von Seiten des Richters im laufenden Prozess aufgehoben.
Wir fragen:
- Wer ist für die Einschätzung der Gefahrenlage sowie den mangelnden Zeug*innenschutz verantwortlich?
- Warum hat es durchgehend bei allen Besucher*innen des AZ nicht funktioniert, in anderen Fällen jedoch sehr wohl?
- Wer hat diese unterschiedliche Behandlung zu verantworten?
- Wie hoch ist eine Bedrohungslage für Zeug*innen nach dem Urteil?
Dem Vorsitzenden Richter ist „das Politische im Prozess scheißegal“, das hat er nicht nur in dieser drastischen Aussage deutlich gemacht, es zeigt sich auch immer wieder in seiner Art der Prozessführung.
Die Befragung der Zeug*innen durch den Richter ist höchst unemphatisch und zeitweise total daneben. Er ließ sich mehreren Zeugen gegenüber zu der Ausdrucksweise herab “Die Action haben sie nicht gesehen?”
Nachdem durch die Vernehmung eines LKA Sachverständigen deutlich geworden war, das die Einlassung Petris falsch war, sagte der Richter zu dessen Rechtsanwalt Sauter “Sie können die Kleidung ja einmal anziehen, dann kann Petri demonstrieren wie er das gemacht haben will”. Darauf der Rechtsanwalt Sauter: “Nein, der Nebenkläger kann die Kleidung nochmal anziehen und sich auf Herrn Petri legen…” Die Nebenklageanwältin hat dieses widerliche Wortgeplänkel zum Glück sofort unterbunden.
Die mangelnde Empathie und Vorstellungskraft des Richters trat auch bei der direkten Befragung des Nebenklägers auf erschreckende Weise zu Tage. So regte er an, die Wunden des Geschädigten könnten doch durch die, als Zeugin geladene, Rettungsärztin untersucht werden und dies könne sicherlich auch im Verhandlungssaal stattfinden – Männer seien da meist nicht so eigen. Durch Eingreifen der Anwältin des Opfers konnte dies verhindert werden und fand in einem abgeschlossenen Nebenraum statt.
Sobald durch mehrere Zeug*innenausagen deutlich geworden war, dass die Rettungskräfte nicht durch die AZ-Besucher*innen behindert, sondern durch die Polizei wegbeordert wurden, stellte der Richter fest: “Der Komplex interessiert uns nicht mehr, wir stellen keine Fragen mehr dazu.”
Zeug*innen aus dem Umfeld des Betroffenen, die bei der Befragung durch die Polizei die Aussage bzw. Unterschrift von vorgelegten Dokumenten verweigerten, hielt der Richter vor, dies sei für die Angehörigen von Opfern äußerst unüblich, diese seien normalerweise hilfsbereiter. Immer wieder hinterfragte er warum Freund*innen des Nebenklägers diesen nicht nach dem Tathergang gefragt hätten. Dass Freund*innen Rücksicht auf den lebensgefährlich verletzten Freund nehmen und ihn deshalb nicht nach dem traumatisierenden Angriff der drei HoGeSa-Nazis gefragt haben, ist ein Gedanke der dem emphatiefreien Richter vollkommen fremd scheint.
Der Richter befragte zahlreiche Zeug*innen aus dem Umfeld des Nebenklägers immer wieder auch nach Hören-Sagen (Wann haben Sie mit wem, was geredet?) und ihrer Einschätzung des Nebenklägers (Wie würden Sie ihn beschreiben?). Durch solche und ähnliche Fragen klammerte der Richter bewusst schon in der Befragung der Zeug*innen das Politische aus und reduzierte den mörderischen Angriff auf eine persönliche Auseinandersetzung.
Großes Interesse zeigte er auch an den AZ-Strukturen, so frage er immer wieder wen die Zeug*innen noch kennen würden oder mit wem sie potenziell über das Geschehen gesprochen haben könnten. Interessant, da ihn doch angeblich das Politische nicht interessiert. Aber das scheint nur soweit zu gelten, dass ihm die politischen Aspekte der Tat nicht interessieren. So unterstellte er einigen der Zeug*innen aus dem AZ Umfeld auch, sie seien beeinflusst worden: „Wer hat Ihnen gesagt, dass Sie nichts sagen dürfen?“ Eine Frage, die er Zeug*innen aus dem Täterumfeld nicht stellte, obwohl es immer wieder Hinweise auf Einschüchterungsversuche und Bedrohungen, vor allem durch Thomas Pick/Saure/Weinhold gab.
Bereits vor Prozessbeginn begannen die Verrenkungen der Staatsanwaltschaft um den politischen Hintergrund der Tat zu bagatellisieren und zu negieren.
Die Staatsanwältin Monika Olschak erklärt in der Lokalzeit: „Es sei bedingt durch den Tatort, dass man auch in diese Richtung ermittelt, aber aktuell haben wir keine festen Anhaltspunkte dafür, dass es tatsächlich eine politische Tat bzw. mit rechtem Hintergrund ist.“ (Lokalzeit 13.04.2015). Zu diesem Zeitpunkt hatten sich bereits unabhängige Zeug*innen bei der Polizei gemeldet, die die Täter als Nazis erkannt hatten uns der Täter Patrick Petri war bereits befragt worden.
Angeklagt wurde „nur“ versuchter Totschlag und gemeinschaftliche Körperverletzung, bei einer politischen Bewertung der Tat wäre eine Mordanklage angemessen gewesen, so wie die Bundesanwaltschaft es im Fall der Oberbürgermeisterin von Köln Henriette Reker tut. Der für eine solche Anklage notwendige Vorsatz ergibt sich aus dem politischen Hintergrund und der Planung der Täter. Es handelt sich nämlich keinesfalls um eine zufällige Begegnung verschiedener Menschen, die eskalierte, sondern vielmehr um ein bewusstes Aufsuchen und Angreifen des politischen Gegners. Spätestens seit Bekanntwerden der WhatsApp Akte und der dort dokumentierten Anschlagspläne ist dies offensichtlich.
Doch dass es sich hier um einen rechten Mordanschlag handelt, wird, vermutlich wegen des damit einhergehenden Imageschadens für die Stadt Wuppertal, versucht mit allen Kräften zu verschleiern. So ist in der Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft zu Prozessbeginn (23.09.2015) von Tätern die Rede, die „jedenfalls früher zur rechten Szene gehört haben sollen”. Das alle drei Angeklagte zum Tatzeitpunkt in Wuppertal bzw. dem Städtedreieck wohnen, wird in dieser Pressemitteilung ebenfalls übertüncht, denn Wuppertal „darf“ kein Naziproblem haben. Blinder als die Wuppertaler Staatsanwaltschaft kann auf dem rechten Auge wohl nur noch die Wuppertaler Polizeipräsidentin Birgitta Radermacher sein.
Und so beendet der Staatsanwalt passender Weise sein Plädoyer mit dem Wunsch, der Angeklagte Becker möge mithilfe eines Bewährungshelfers wieder auf den rechten Weg geführt werden.
In Wuppertal hat es am 11.04.2015 einen versuchten Mordangriff von organisierte HoGeSa-Nazis auf einen Antifaschisten mit türkischem Migrationshintergund vor dem Autonomen Zentrum gegeben, der mit stumpfer Gewalt und vielfachen Messerstichen lebensgefährlich verletzt worden ist.
In der Folge des Nazi-Angriffs wurden Besucher*innen des Autonomen Zentrums von Seiten der Polizei massiv kriminalisiert und verleumdet.
Das politische Motiv und die politischen Hintergründe der Tat werden bis heute verleugnet.
Das Erschreckenste an Lügen ist ihr durchschlagender Erfolg!
Einen großen Aufschrei über das Geschehen und eine breite Solidarität der Wuppertaler*innen mit dem Opfer ist bisher ausgeblieben.
Auch wenn der Prozess gegen die Täter Petri, Pick und Becker morgen mit einem Urteil beendet wird, bleiben viele Fragen bisher ungeklärt.
Es ist deutlich, dass das jeweilige Handeln der Sicherheitsbehörden nicht nur auf ein individuelles Versagen von Einzelpersonen und deren politische Einstellungen zurückzuführen, sondern systemimmanent, institutionell und strukturell ist.
In dem Bestreben Rechtsterrorismus zu leugnen, werden politische Hintergründe der Tat verschwiegen. Das führt zu einem Verkennen der Gefährlichkeit von nazistischen, rassistischen und menschenfeindlichen Bewegungen. Dieses Wegsehen suggeriert nicht nur eine heimliche Unterstützung für ein solches Gedankengut sondern hilft in der Praxis denjenigen in der Extremen Rechten, die auf Worte Taten folgen lassen.
Das Verschweigen und Nicht-Benennen politischer Motive von Rassismus und Menschenverachtung sowie die Kultur des Tolerierens und Wegschauens trägt dazu bei, Dimensionen rechter Gewalt zu verharmlosen und führt zu einem weiteren Erstarken rassistischer, menschenfeindlicher Bewegungen jeglicher Art.
Solidarität mit den Betroffenen rassistischer, antisemitischer, sexistischer und menschenfeindlicher Hetze und Gewalt!
¡No pasarán! – Sie werden nicht durchkommen!
Faşizme Karşı Omuz Omuza! – Schulter an Schulter gegen Faschismus!
PS: Ganz herzlichen Dank an die autonome Strukturen Aachen, die Opferberatung Rheinland, die Freund*innen aus Bremen, die Initiative Keupstraße ist überall, Out of Action und insbesondere an die Menschen die das Cafe so lange am Laufen gehalten haben und noch weiterhin tun!
Ihr seid toll!!!
Autonomes Zentrum Wuppertal, 02.02.2016
Wir rufen dazu auf am 23.01.2016 vor der Verabschiedung des Asylpakets II im Bundestag nach Düsseldorf zu kommen und sich an Aktionen des zivilen Ungehorsams sowie der Demonstration gegen die Asylrechtsverschärfungen zu beteiligen. Wir werden vor die Büros der Landesparteien SPD und CDU ziehen und deutlich machen, was wir von der unmenschlichen Politik der Abschottung sowie der Asylrechtsverschärfungen halten.
Treffpunkt: Treffpunkt: 13h, DGB Haus Düsseldorf, Friedrich Ebert Straße 34 (Nähe Hbf)
We bring your borders home – Bringt Symbole der Europäischen Grenzpolitik und der deutschen Asylrechtsverschärfung mit (Trauerkränze, Friedhofskerzen, Schilder, Transparente etc.). Wir werden Grenze und Zäune zu denen bringen, die sie zu verantworten haben!
Aufruf zur Teilnahme am Frauen / Lesben / Transgender / Intersexuelle ( LSTI*) BLOCK .
Die sexistischen Übergriffe auf Frauen zu Silvester sind noch lange nicht aufgeklärt, da werden sie von der öffentlichen Meinungsmache und der Politik auf populistische Weise benutzt, um nochmals weitgreifende menschenverachtende Asylrechtsverschärfungen durchzusetzen.
Sexistische Vorfälle werden rassistisch instrumentalisiert.
Innerhalb patriarchaler Gesellschaften sind Frauen und Mädchen* überall auf der Welt sexualisierten Gewaltverhältnissen ausgesetzt. Statt schnellerer
Abschiebungen und der Konstruktion weiterer „sicherer Herkunftsländer“ muss daher die Anerkennung und das Recht auf Asyl aufgrund von frauenspezifischer
Verfolgung und Verfolgung aufgrund sexueller Identität/ Orientierung erleichtert werden. Verfolgte Frauen / LSTI müssen hier geschützt werden.
Die geplanten Verschärfungen des Asylrechts werden es Frauen / LSTI und ihren Kindern sehr viel schwerer machen ihre Rechte auf Asyl, auf Selbstbestimmung,auf körperliche und seelische Unversehrtheit usw. zu wahren.
Dem stellen wir uns entgegen!!!
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Sexistische Übergriffe werden instrumentalisiert
Nach den sexistischen Übergriffen in Köln in der Silvesternacht überschlagen sich die Ereignisse. Eine fast weltweit geführte Debatte verhandelt nicht den Kern des Problems dieser Übergriffe: die Frage nach der Auseinandersetzung mit Sexismus, den damit verbunden patriachalen Strukturen und sexueller Gewalt in der BRD. Stattdessen wird das Problem von Sexismus instrumentalisiert, um rassistische Ängste zu schüren und Geflüchtete als alleiniges Problem sexueller Gewalt dazustellen. Wer sexualisierte Gewalt zurecht kritisiert muss auch die massenhaften sexuellen Übergriffe an Karneval oder auf dem Oktoberfest, auf der Straße, im Büro oder im Alltag von Frauen thematisieren. Der Politik dienen die Übergriffe und die Debatte allein dazu, schon vor dem geplanten Asylpaket II Verschärfungen im Asylrecht durchzusetzen. Bereits bei einer Verurteilung mit Freiheitsstrafe (auch auf Bewährung) soll nun eine sofortige Abschiebung (Ausweisung mit besonderem Interesse) erfolgen. Diese Reglung trifft nun alle geflüchteten Menschen und wird für alle Straftatbestände angewendet. Neben einem Diskurs in Medien und Politik in dem „Grenzen zu“, „1000 Abschiebungen pro Tag“ und strengere Asylgesetzgebungen tonangebend sind, gibt es eine rassistische Mobilisierung von rechtspopulistischen und neonazistischen Strukturen auf der Straße. So kamen über 1.500 Rassist_innen, unter anderem aus dem Hogesa Spektrum, zu einer Versammlung nach Köln zusammen und ließen die Situation eskalieren. Auch in anderen Städten bilden sich selbsternannte „Bürgerwehren“, die die „deutsche“ Frau beschützen wollen. In Köln wurden so migrantisch aussehende Menschen zu Opfern von rechten Hooligans aus dem Türsteher_innen Milieu, die sich zur „Menschenjagd“ verabredeten.
Wir fordern eine ehrliche Debatte über sexualisierte Gewalt statt einer rassistisch aufgeladenen Debatte über Asylrechtsverschärfungen und sagen ganz klar: Feminismus bleibt antirassistisch!
Menschenverachtende Asylpakete
Bereits im Oktober 2015 wurde vom Bundestag die erste Verschärfung beschlossen – Kürzung der Leistungen für Asylbewerber_innen und längere Aufenthalte in Erstaufnahmestellen und damit schnellere Abschiebungen. Gleichzeitig wurden Albanien, Kosovo und Montenegro als „sichere Herkunftsstaaten“ eingestuft und damit die Aussicht auf Asyl für Menschen aus diesen Ländern quasi abgeschafft. Bereits im Oktober 2015 gab es massive Kritik von Menschrechtsorganisationen sowie Proteste von Refugees und Aktivist_innen. Das kommende Asylpaket II wird die Situation Geflüchteter voraussichtlich mit schnellen Sonderverfahren in bestimmten Fällen, kürzeren Einspruchsfristen und noch zügigeren Abschiebungen weiter verschlechtern. Abschiebungen trotz lebensbedrohlicher Erkrankung, sowie die Zuweisung des Wohnsitzes und der Ausschluss vom Asylverfahren bei Residenzpflichtverstoß sind weitere Punkte des Paktes. Anstatt den Reichtum dieses Landes dafür einzusetzen, die Menschen schnell und angemessen unterzubringen sowie zu versorgen, werden die desolaten und prekären „Not“-Situationen verlängert: Die Bedingungen des Ankommens und des Aufenthalts werden ungemütlich gemacht – „willkommen“ soll sich hier schon lange niemand mehr fühlen.
Dies ist die reale Politik des viel zitierten „Wir schaffen das“ der Kanzlerin. Diese Politik ist die kalte Antwort auf eine Bewegung, die seit dem Sommer Grenzen und Zäune Europas überwindet. Sie ist die Antwort auf die legitime Suche nach einem sicheren und würdigen Leben und auf die neue reale Dimension der Losung „Freedom of Movement“. Eine Antwort auf das Wanken der Festung Europas und auf eine Bewegung der Solidarität und Menschlichkeit in der BRD: Der Willkommenskultur. Sie ist aber auch das Pendant zu den, rassistischen Bewegungen à la PEGIDA, den Wahlumfrageerfolgen der Rechtspopulist_innen der AfD und den realen Brandstifter_innen entgegenzukommen.
Ein Teil der hier lebenden Gesellschaft setzte den Slogan refugees welcome in eine eigene Praxis um. Eine Vielzahl von Menschen ist im Alltag solidarisch, organisiert Fluchthilfe und baut soziale Infrastrukturen auf. An vielen Orten und in vielen konkreten Handlungen zeigen sich diese Menschen unermüdlich. Ehrenamtliche fingen dabei teilweise auf, was eigentlich kommunale Aufgabe wäre. Der Staat wälzte sein katastrophales Versagen auf den Rücken der Geflüchteten und Unterstützer*innen ab. Die Willkommenskultur der Ehrenamtlichen steht in krassem Widerspruch zur staatlichen Politik der Asylrechtsverschärfungen. Während sich Merkel noch als „Willkommens-Kanzlerin“ feiert, werden zeitgleich in ein paar wenigen Wochen die massivsten Verschärfungen des Asylrechts seit den neunziger Jahren durchgepeitscht.
Wir fordern die Willkommensbewegung ernstzunehmen und geflüchteten Menschen, wie auch deren Unterstützer_innen mehr Solidarität zukommen zulassen, anstatt die praktische Unterstützungsarbeit durch weitere Verschärfungen zu erschweren.
Profite sind der BRD wichtiger als das Bekämpfen von Fluchtursachen
Stattdessen exportiert die BRD Waffen in Kriegsgebiete, führt selbst Krieg und trägt zur schlechten Situation von Arbeiter_innen in Billiglohnländern bei. Profite zu erwirtschaften ist immer noch wichtiger als Fluchtursachen zu bekämpfen. Neben dem wiederholten „Wir schaffen das“ gibt es auch den Schießbefehl für die Bundesmarine im Mittelmeer, Internierungslager und den schmutzigen Deal mit Erdogan, der vorsieht, Menschen auf der Flucht bereits in der Türkei daran zu hindern, in europäische Länder zu gelangen. Auch diese Maßnahmen sollen sicherstellen, dass sich Flüchtende nicht auf den Weg nach Europa machen. Stabilisiert wird stattdessen die AKP-Regierung, die die Kurd_innen bombardiert und den Islamischen Staat förderte.
Statt die Abschottung zu verstärken, müssen legale Zugangswege für alle Flüchtenden geschaffen werden. Es bedarf des Rechts auf Visa-Freiheit. Dies gilt auch und besonders für die Menschen aus den Balkanstaaten. Menschen, die aus Albanien und dem Kosovo fliehen, bilden die zweit- und drittgrößte Gruppe der nach Deutschland Geflüchteten. Dennoch beläuft sich ihre Gesamtschutzquote auf unter ein Prozent – eine Diskriminierung, die einmal mehr vor allem Roma und Romnija trifft, die schon in ihren Herkunftsländer massiven Diskriminierungen ausgesetzt sind.
Die immer wiederholte Unterscheidung zwischen „guten“ und „schlechten“, gemeint als nützliche und unnützliche Geflüchtete, ist Ausdruck eines neoliberalen Denkens. Es bemisst den Wert des Menschen nach seinem ökonomischen Nutzen. So wie in der Austeritätspolitik begegnet uns hier eine neoliberale Krisenlogik, in der die Rechte der Menschen auf politische wie soziale Teilhabe immer weiter ausgehöhlt werden.
Wir fordern die Bekämpfung von Fluchtursachen statt Asylrechtsverschärfungen sowie die Öffnung von sicheren und legalen Fluchtwegen!
Das Asylpaket II ein Geschenk für Rechtspopulist_innen und Rassist_innen
In NRW sind in diesem Jahr knapp 300.000 Menschen angekommen und untergebracht worden. Das Willkommen an den Bahnhöfen in Dortmund, Düsseldorf, Köln u.a. ist uns allen noch in Erinnerung.
Neben dem Willkommen gab es im vergangenen Jahr aber auch zahlreiche rechte Mobilisierungen gegen eine vermeintliche „Überfremdung“. In Köln sammelten sich Hooligans und Neonazis unter dem Label „Hogesa“, in Düsseldorf fanden immer wieder Aufmärsche unter Leitung der extrem rechten Aktivistin Melanie Dittmer statt und in Duisburg kamen unter dem Schutz der Polizei die Rassist_innen von Pegida NRW zusammen. Allein in NRW gab es im vergangenen Jahr 187 Angriffe auf Geflüchtete, diese sind damit im Vergleich zum Vorjahr auf das sechsfache angestiegen. Rassistische Übergriffe sind kein ostdeutsches Problem: Sie passieren vor unserer Haustür.
Nicht nur von konservativen und rechtspopulistischen Politiker_innen wird eine Stimmung geschürt, die die Rhetorik des „Wir sind überfordert“ wiederholt. Rassismus wird als Angst der Bevölkerung umdefiniert und unverhohlen die Festung Europa proklamiert.
Das Asylpaket II hat ganz klar zum Ziel, die Zahl der Geflüchteten, die hierhin kommen, einzuschränken bzw. möglichst viele Menschen wieder abzuschieben. Es ist die Umsetzung vieler Forderungen von Rassist_innen und Faschist_innen, die seit etwa einem Jahr wieder vermehrt auf die Straße gehen.
Am 23.01.2016 aus ganz NRW nach Düsseldorf
Wir rufen dazu auf, ein deutliches Zeichen gegen diese Politik zu setzen!
Wenn im Januar das Asylpaket II beschlossen werden soll, werden auch Landespolitiker_innen aus NRW an der Abstimmung beteiligt sein. Darunter auch Landespolitiker_innen, die bereits für die Asylrechtsverschärfungen im vergangenen Jahres Oktober abgestimmt haben.
Geflüchtete zu unterstützen darf nicht beim Verteilen von Hilfsgütern, selbstorganisierten Deutschkursen etc. enden. Wenn wir Geflüchtete weiterhin unterstützen wollen, müssen wir jetzt auch gemeinsam gegen die rassistische Asylpolitik kämpfen!
Refugees welcome heißt für uns: Ursachen und Konsequenzen zu benennen, grenzenlose Solidarität zu üben und Gemeinsamkeiten in der Selbstorganisation von Geflüchteten und unseren eigenen sozialen und politischen Kämpfen zu suchen.
Wir werden am 23.01.2016 nach Düsseldorf kommen und deutlich machen, was wir von dem Gesetz und den rassistischen Debatten der letzten Zeit halten. Wir rufen alle dazu auf, mit uns gemeinsam auf die Straße zu gehen und sich an kreativen Aktionen zubeteiligen. Wir wollen den Landesbetrieb der Regierungsparteien stören und unseren Protest auf die Straße tragen.
Fluchtursachen bekämpfen statt Asylrechtsverschärfungen verabschieden!
Sichere und legale Fluchtwege statt Grenzkontrollen und Grenzzäune!
Bleiberecht für Alle statt Abschiebungen!
Konsequenter Antifaschismus – organisiert den Selbstschutz gegen rechte Gewalt!
Feminismus bleibt antirassistisch!
Kein Entgegenkommen für Rassist_innen und Rechtspopulist_innen!
Solidarität mit den Geflüchteten und deren Unterstützer_innen!
Am 23.01.2016 auf die Straße gegen weitere Asylrechtsverschärfungen! We bring your borders home!
www.grenzenlos-solidarisch.org
In der Silvesternacht wurden, wie vielfach in den Medien berichtet, am Kölner Hauptbahnhof zahlreiche Frauen Opfer sexueller Attacken und Diebstähle. Die Berichte, dass es sich bei den Tätern um „nordafrikanisch“ und „arabisch“ aussehende Männer handele, rufen nun – wie zu erwarten – Rassisten aller Coleur auf den Plan. Sie versuchen, die Verunsicherung und Empörung gegenüber den schlimmen Vorfällen nun ihrerseits für die Verbreitung ihrer menschenverachtende Ideologie zu nutzen.
Wie schon zuvor Pro NRW mobilisiert nun Pegida NRW für Samstag zum Kölner Hauptbahnhof. Ausgerechnet Pegida NRW, mit ihrer Verankerung im sexistisch und frauenverachtenden Hooliganmilieu, präsentiert sich plötzlich als Verfechter von Frauenrechten. Tatsächlich geht es dabei allein um Hetze gegen Flüchtlinge und MigrantInnen. Vor dem Hintergrund der durch reißerische Berichterstattung aufgeheizten Stimmung sind viele gewaltbereiten Nazis, Rassisten und Hooligans in Köln zu erwarten.
Wir verurteilen die sexistischen Vorfälle und lassen nicht zu, dass die Opfer für diese rassistische Hetze instrumentalisiert werden. Kommt alle zum Hauptbahnhof um klar zu machen, dass wir weder Sexismus noch Rassismus dulden.
Samstag 09.Januar – 12h – Köln Hauptbahnhof-Breslauer Platz – (Ort kann sich ändern!)
Antifaschistisches Aktionsbündnis – Köln gegen Rechts
Hooligans und Nazis aus allen Spektren und Gruppierungen mobilisieren für kommenden Samstag nach Köln.
Nach einem Aufruf von PEGIDA NRW zu einer Kundgebung am kommenden Samstag um 14h am Breslauer Platz (Hinterausgang vom Hauptbahnhof) wird dieser mittlerweile in allen rechten Netzwerken geteilt. Sowohl PRO NRW wie auch Pro Köln, die ansonsten strikt verfeindet sind, rufen auf an der Demo teilzunehmen. Aber auch die Rechte aus Dortmund, NPD und Hooligans von Hogesa mobilisieren nach Köln. Die Veranstalter rechnen mit mindestens 1000 Teilnehmer/innen. Auch die Polizei geht mittlerweile von einem Aufmarsch „ähnlich der HOGESA-Aktionen aus den letzten Jahren“ aus.
Treffpunkt zur gemeinsamen Anreise zur NOPEGIDA-Demo in Duisburg aus Wuppertal:
Montag, 07. Dezember 2015 | 16.45 Uhr | Gleis 1 | Wuppertal HBF
Bildet Bezugsgruppen und kommt mit nach Duisburg! Gegen HoGeSa, Nazis und Rassist*innen!
In ganz Deutschland finden seit Monaten verstärkt rassistische Mobilisierungen statt. Es kommt regelmäßig zu Demonstrationen und zu Angriffen auf Geflüchtete und deren Unterkünfte. Sowohl Neonazis, als auch andere Rassist*innen vernetzen sich, mobilisieren und greifen an. In verschiedenen Städten kam es schon zu pogromartigen Übergriffen. Der gesamte Diskurs über eine angebliche „Flüchtlingskrise“ in Deutschland ist rassistisch geprägt. Hochburg von rassistischer Mobilisierung in NRW ist wieder mal Duisburg.
Duisburger Zustände
In der Stadt, in der in den vergangenen Monaten und Jahren die rassistische und antiziganistische Stimmung in einzelnen Stadtteilen auch immer mal wieder in Gewalt umschlug, findet seit Anfang des Jahres immer montags eine Pegida Demonstration statt. Die Aufmärsche, die bis zum Sommer eher in der Bedeutungslosigkeit versunken waren, sind in den letzten Wochen auf bis zu 400 Rassist*innen angewachsen und damit zu einem wöchentlichen Sammelbecken für Neonazis – von „Die Rechte“ bis zur NPD, Hogesa-Hools und neue Rechte – aus ganz NRW geworden. Besonders Hooligans bestimmen das Bild der Demonstration.
Ein Ende der Mobilisierung scheint nicht in Sicht, vielmehr steigt die Zahl der Teilnehmer*innen von Woche zu Woche weiter an. Die Nazis werden bei diesem Event nicht, wie sonst oft üblich, mit polizeilichen Durchsuchungen oder Absperrungen konfrontiert. Sie können sich frei im und um den Hauptbahnhof bewegen – Übergriffe auf Linke und Migrant*innen mit eingeschlossen.
Schweineherbst in Deutschland
Nach einem kurzen Sommer voller Hilfsbereitschaft, bei der man das Gefühl bekommen konnte, ganz Deutschland von Angela Merkel bis hin zur BILD-Zeitung wären „Refugees Welcome“, zeigt man hierzulande nun wieder sein wahres Gesicht. Auf die rassistische Stimmung, die Pegida, AFD und Co. erzeugen, reagiert auch die herrschende Politik. Die Bundesregierung aus SPD und CDU beschloss zwei Asylgesetzverschärfungen in diesem Jahr und debattiert unermüdlich über Grenzkontrollen, Transitzonen und beschleunigte Abschiebeverfahren. Durchgesetzt werden konnten die Asylgesetzverschärfungen dank der Unterstützung der Grünen.
Neuen Aufwind bekommen die rassistischen Bewegungen, wie Pegida, auch durch die islamistischen Anschläge von Paris und der von FAZ bis taz heraufbeschworenen kippenden gesellschaftlichen Stimmung. Sie nutzen diese um weiter gegen Geflüchtete und Muslime zu hetzen.
Zeit zu Handeln
Bisher konnten die Pegida Hetzer*innen fast ungestört durch Duisburg marschieren. Umso wichtiger ist es nach den Terroranschlägen von Paris und der rassistischen Stimmung in ganz Deutschland, dagegen zu halten. Wir wollen für entschlossene Solidarität mit den Geflüchteten, die nach Europa kommen auf der Suche nach einem sicheren, guten Leben, auf die Straße gehen. Gleichzeitig ist es notwendig, allen reaktionären Ideologien und deren Vertreter*innen, wie Pegida aber auch den Islamist*innen, die für die Terroranschläge von Paris und auch für die Flucht tausender Menschen aus Syrien und dem Irak verantwortlich sind, den Kampf anzusagen.
Runter von der Couch – auf zur Antifaschistischen Demonstration gegen Pegida in Duisburg!
Gegen jeden Rassismus und für Solidarität mit allen Geflüchteten! Gegen alle Angriffe auf das schöne Leben!
07.12.15 | 18.00 Uhr | Duisburg, Friedrich Wilhelm Platz (Haltestelle Steinsche Gasse)
Initiative von antifaschistischen Gruppen aus NRW
November 2015
Treffpunkt zur gemeinsamen Anreise aus Wuppertal:
21. November 2015 | 09.00 Uhr | City-Arkaden (Wuppertal-Elberfeld)
Info- & Mobilisierungsveranstaltung gegen den Naziaufmarsch in Remagen
Mittwoch, 18.11.2015 | 20:00 Uhr | AZ Wuppertal
Gegen den Naziaufmarsch am 21. November in Remagen
Am 21. November 2015 wollen zum mittlerweile siebten Mal in Folge Neonazis aus ganz Deutschland in Remagen aufmarschieren. Diese sind dem seit Jahrzehnten organisierten Rechtsterrorismus zuzuordnen. Vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen wollen wir unsere Solidarität mit allen Geflüchteten zum Ausdruck bringen und der widerwärtigen Hetze etwas entgegensetzen. Das antifaschistische Bündnis „NS-Verherrlichung Stoppen!“ ruft daher unter dem Motto „Solidarität mit allen Geflüchteten – Rechtsterrorismus bekämpfen„ für den 21.11 ab 11 Uhr zu einer überregionalen Demonstration auf.
Solidarität mit allen Geflüchteten
Es ist beeindruckend, wie Menschen, die in letzter Zeit wenig Solidarität erfahren haben, diese ausgerechnet in Deutschland bekommen und mit Blumen willkommen geheißen werden. Die große Bereitschaft, die ankommenden Menschen in klarer Ablehnung der europäischen Flüchtlingspolitik ernst zu nehmen, sind wichtig, setzen sie doch der Hetze von PEGIDA und Co etwas entgegen.
Während die Versorgung der Geflüchteten von vielen freiwilligen Helfer*innen – von der Politik weitgehend alleine gelassen – getragen wird., rüstet die Bundesregierung auf und verschärft mit Unterstützung der Grünen die Asylrechtsgebung. Seitens Politik und Medien wird die Spaltung der Geflüchteten in „Gute“ und „Böse“ oder in „Verwertbare“ und „Wirtschaftsflüchtlinge“ vorangetrieben. Zwar unterscheiden sich SPD/Grüne und PEGIDA darin, dass erstere die Einwanderung nicht grundsätzlich ablehnen, doch soll sie „der Wirtschaft dienen“. Kern deutscher Willkommenskultur ist daher nicht das Grundrecht für Schutzsuchende auf Asyl oder die gleichberechtigte gesellschaftliche Partizipation eingewanderter Menschen. Im Gegenteil, das Asylrecht soll endgültig zu einem Instrument einer an ökonomischen Kriterien orientierten Bevölkerungspolitik gemacht werden. Ansonsten sind die von Politiker*innen losgelassenen Ekelhaftigkeiten unerträglich – man kann gar nicht so viel essen wie man kotzen möchte. Sie bedienen dabei auf menschenverachtende Weise eine rassistische Klientel und stoßen auf breite Zustimmung, denn Seehover’s Beliebtheit nimmt zu, während die von Merkel tatsächlich abnimmt.
Auch kann die so noch nie da gewesene Solidarität nicht über den alltäglichen und institutionellen Rassismus hinwegtäuschen. Es ist verlogen, von Menschen irgendeine Integration zu verlangen, wenn sie noch nach Generationen diskriminiert werden und keine Gleichstellung erfahren. Ebenso werden die Festung Europa weiter ausgebaut und Flüchtende weiter in den Tod getrieben. Alles ist vorbereitet: die euphemistisch als Registrierungslager bezeichneten Internierungslager an den Grenzen Europas, in denen Flüchtende wie Kriminelle eingesperrt und so an der Einreise gehindert werden, oder die Zäune und Mauern, die laut bayrischem Heimatminister Söder bald auch um Deutschland gebaut werden sollen.
Die Fluchtgründe werden jedoch nicht beseitigt, auch wenn dies seitens der Politik gerne verkündet wird. Rüstungsexporte, bei denen Deutschland eine Spitzenposition einnimmt, bleiben ein Riesengeschäft und die Zerstörung der Souveränität von Staaten, die eigene Machtinteressen verfolgen, geht weiter. In einem allgemeinen Wirtschaftskrieg konkurrieren EU-subventionierte Unternehmen die anderen nieder und zerstören ihre Märkte und Existenzen. Gleichzeitig werden mit Repression und militärischer Unterdrückung jegliche Versuche von Basisdemokratie und Emanzipation bekämpft.
Es ist daher gefährlich, wenn Solidarität nicht weiter geht und den gemeinsamen Kampf um Emanzipation und Gleichberechtigung anstrebt. Solidarität muss den Konflikt mit dem Bestehenden im Kampf gegen Verwertungslogik, Krieg, Diskriminierung und Verfolgung suchen, denn sonst wird sie staatlicherseits dazu genutzt, sich aus der Verantwortung zu ziehen oder gar zur eigenen Imagepflege instrumentalisiert.
Rechtsterrorismus bekämpfen
Ebenso wird die Bedrohung der Geflüchteten durch gewalttätige Rassisten, welche nicht nur in Heidenau euphemistisch als „Asylkritiker“ bezeichnet werden, konsequent verharmlost. Hinter den systematischen Brandstiftungen auf Unterkünfte für Geflüchtete stehen meist keine Einzelpersonen sondern rechtsradikale, organisierte Gruppen, die sich als die Vollstrecker eines rassistischen „Volkswillens“ verstehen. Aber für beide Varianten gilt ganz klar: Flüchtlingsunterkünfte angreifen ist Rechtsterrorismus! Der NSU hat nicht zum ersten Mal gezeigt, dass es rechtsterroristische Strukturen in Deutschland gibt und dass wir das Wissen darum ernst nehmen müssen.
In Remagen marschiert alljährlich das gesamte Spektrum der seit Jahrzehnten organisierten Rechtsterroristen, vom hohlen Hooligan bis zum nationalsozialistischen Kader. Der letzte regelmäßig stattfindende Naziaufmarsch in Rheinland-Pfalz zieht die gewalttätige Naziszene an wie die Motten das Licht: 100 Jahre Knast auf 20 Metern.
Mit dabei ist Michael Brück, Neonazi-Funktionär aus Dortmund. Brück betreibt einen Internetversand für rechtes Propagandamaterial und dem Zubehör für das rassistische Pogrom: Präzisionsschleudern und Stahlkugeln, Pfefferspray und Sturmhauben sind fester Bestandteil des Sortiments und Inhalt eines „Heidenau-Rabatt“-Pakets. Seit dem Verbot des „Nationalen Widerstand Dortmund“, dessen Vorstand Brück angehörte, ist er mit seinen Dortmunder Kameraden in der Partei „Die Rechte“ organisiert, für die er auch im Stadtrat sitzt. Dort nutzt er sein Rederecht, um z.B. Anfragen nach Zahlen über Homosexuelle oder Juden in Dortmund zu stellen.
Einer der älteren aktiven Neonazis und mit federführend an der Organisation des „Trauermarsches“ in Remagen beteiligt ist Ralph Tegethoff. Er ist seit Jahrzehnten eine Führungsfigur der militanten Neonazis in Deutschland und Chef der Kameradschaft Sturm 08/12 aus dem Raum Bonn/Siegburg. Tegethoff, der in nahezu allen (inzwischen verbotenen) rechtsterroristischen Organisationen der 1990er Jahre zu finden war, verfügt über gute Kontakte zu Kameraden aus seiner Generation. Als Beispiel wäre hier Thorsten Heise zu nennen, der nachweisbar über Kontakte zur Kameradschaft „Thüringer Heimatschutz“ verfügte, dem Ursprung der inzwischen aufgedeckten Nazistruktur NSU. Tegethoff ist außerdem eine Schnittstelle zu den immer wieder nachwachsenden Generationen von Nazis. Fotos aus dem Jahr 2013 zeigen die Ausbildung des AB Mittelrhein auf seinem Grundstück in Bad Honnef Aegdienberg. Interessanterweise hatte diese Fotos beim Prozess gegen den AB Mittelrhein keine Konsequenz, denn er wurde nicht als Zeuge vorgeladen.
Tegethoff verkauft in seinem Online-Shop neben diversen Militaria Devotionalien und Erster Weltkrieg Erinnerungsnippes auch sog Dekowaffen. In der „Monitor“-Sendung vom 18.10.2012 wird gezeigt, wie leicht Waffen, die in Deutschland als „Dekoration“ verkauft werden, wieder schussfähig gemacht werden können. Während also inzwischen für jede Gaspistole ein Waffenschein benötigt wird, verkaufen gewalttätige Nazis wie Ralph Tegethoff und Meinolf Schönborn Maschinenpistolen, die sich mit etwas Fachwissen zu Killerwaffen umbauen lassen und dann unter das Kriegswaffenkontrolgesetz fallen. Solch umgebaute Waffen fanden sich z.B. bei Hausdurchsuchungen bei Peter Schulz in Bad Oeynhausen im Jahr 2010. Der Chef einer Wehrsportgruppe wurde nach eigenen Angaben 1990 als V-Mann vom Verfassungsschutz angeworben – und trotz des gefundenen Maschinengewehrs 2012 freigesprochen. Nazis können sich also legal Kriegswaffen beim braunen Kameraden kaufen. Ein Schmuggel aus dem Ausland ist nicht mehr notwendig, um ihrer menschenverachtenden Ideologie auch entsprechende Taten folgen zu lassen.
Ebenfalls in Remagen mit dabei ist die Neofaschistische Kleinstpartei „Der III. Weg“, welche vom ehemaligen Vorsitzenden der NPD Rheinland-Pfalz Klaus Armstroff angeführt wird. Anfang 2015 veröffentlichten die Nazis einen „Leitfaden: Kein Asylantenheim in meiner Stadt“ in dem beschrieben wird, wie aus rassistischer Sicht gegen Flüchtlinge vorgegangen werden soll. Zusammen mit der im Sommer 2015 veröffentlichten Karte mit Standorten und Adressen von Flüchtlingsheimen hat man damit eine indirekte Anleitung für Anschläge auf Flüchtlinge. Viele der dort aufgeführten Adressen wurden Ziel von Anschlägen.
In Bayern dient die Partei als Ersatzorganisation für das mittlerweile verbotene „Freie Netz Süd“. In der Region Ludwigshafen/Vorderpfalz tummeln sich die Neonazis des mittlerweile inaktiven „Aktionsbüros Rhein-Neckar“ in den „Stützpunkte“ genannten Ortsgruppen. Der Stützpunkt Westerwald wird maßgeblich von Neonazis der verbotenen Kameradschaft Westerwald getragen. Auch hier handelt es sich also um ein Sammelbecken rechtsterroristischer Kader.
Dass aus all diesen öffentlich zugänglichen Informationen von Politik und Justiz keine Konsequenzen gezogen werden, passt in den generellen skandalösen Umgang mit Rechtsterrorismus. Der Verlauf des NSU Prozesses führt uns dies tagtäglich vor Augen.
Mehr zu den Organisation und Personen findet Ihr auch auf remagen.blogsport.de.
Unser Widerstand
Sowohl in Remagen, als auch in der Region Bad Neuenahr/Ahrweiler wird das Problem Nazis gerne klein geredet und ignoriert. Erst wenn Antifaschist*innen aktiv werden, wie am 24. März 2012 mit einer Demonstration gegen den AB Mittelrhein und deren „Braunes Haus“, werden die bürgerlichen Institutionen vor Ort aktiv – meist in Konkurrenz und Abgrenzung zu antifaschistischen Aktivitäten. Nur durch die antifaschistische Intervention wurden Polizei und Staatsanwaltschaft gezwungen zu handeln, so dass bereits vor der Demonstration Hausdurchsuchungen und Festnahmen gegen die Nazis des AB Mittelrhein stattfanden.
Diese Abgrenzung bürgerlicher Institutionen zu unserem antifaschistischen Protest zeigte sich auch in den letzten Jahren in Remagen. Während den Nazis nie wirklich etwas entgegengesetzt wurde, wurden die Kundgebungen antifaschistischer Initiativen auf dem Marktplatz eingegittert und durch massive Repression seitens der Polizei und der Staatsanwaltschaft versucht, jegliche ernsthafte Aktivität in Remagen zu verhindern und zu bestrafen. Erst durch unsere Kampagne und die zwei Demonstration in den letzten beiden Jahren, wurden überhaupt mehr Antifaschist*innen als Nazis nach Remagen organisiert, die Aufmarschstrecke der Nazis stark aus der Stadt raus verschoben und ihre „Trauer“ massiv gestört – was sie verdammt anpisst. Ebenso wurden Geschichtsrevisionismus und Opferdenken von Nazis wie bürgerlichen Kreisen vor Ort durch unsere Veranstaltungen und inhaltlichen Beiträge thematisiert und kritisiert, wobei wir für unser Engagement mittlerweile auch vor Ort immer wieder großen Zuspruch erhalten. Das Kräfteverhältnis ist schon mal eindeutig verschoben, aber das reicht uns noch nicht:
In Remagen marschiert der Rechtsterrorismus. Es wird Zeit, dass wir dem ein Ende setzten!
Lasst uns unsere Solidarität mit den Kämpfen der Geflüchteten zeigen, und gemeinsam gegen die Ursachen von Flucht und Unterdrückung kämpfen.
Kommt zur antifaschistischen Demo am 21. November um 11 Uhr am Bahnhof Remagen
Infos: remagen.blogsport.de
Die rassistischen Mobilisierungen in Deutschland (und Europa) halten an. Auf den Straßen, in den Parlamenten, von grün über rot bis schwarz. Wir laden diesbezüglich ein zu einer NRW-weiten Vollversammlung für autonome Politik am Sonntag, den 15.11.2015 um 13:00 Uhr im AZ-Mülheim.
Liebe Genoss_innen,
seit der letzten NRW-AVV im September 2015 ist einiges passiert.
Die Mobilisierung der Rassist_innen und Neonazis ist nicht abgeflaut. Jeden Morgen können wir von den Unterkünften lesen, die nachts in Brand gesetzt wurden. Jeden Morgen lesen wir von Angriffen auf Geflüchtete, von rassistischen Aufmärschen, von Angriffen auf Hausprojekte. Jeder vierte (registrierte) Übergriff soll dabei in NRW stattfinden. Die bürgerliche Presse berichtet über all das nur noch selten und auch der Widerstand gegen diese Entwicklungen ist marginal angesichts der bundesweiten und europäischen Offensive der extremen Rechten.
Die Regierenden haben derweil das Asylrecht ein weiteres Mal eigeschränkt, Länder zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt, Internierungen beschlossen, Sachleistungen durchgesetzt und allerlei Scheußlichkeiten mehr umgesetzt. Weitere sind in Planung: Nach Afghanistan soll abgeschoben werden, Rücknahmeabkommen werden ausgehandelt, externe Lager geplant, Transitzonen (oder im SPD-Sprech: Reisezentren) diskutiert. Und auch Abschiebungen sollen massenweise vollzogen werden. Diese autoritär-repressive Politik wird flankiert mit humanistischer Rhetorik. Sowohl auf die bürgerliche „Refugees Welcome – Willkommenskultur“ wie auch auf Proteste gegen Neonazismus wird staatlicherseits gerne verwiesen, um auch international den Schein zu wahren. So wird allzuoft auch unsere Politik für staatliches Handeln vereinnahmt, gerade dann, wenn sie den Staat aus Gründen der Selbstanpassung als politischen Gegner nicht klar adressiert.
Auf der letzten AVV in NRW haben wir Möglichkeiten diskutiert, der rassistischen Mobilisierung auf der Straße und in den Parlamenten eine eigene Handlungsfähigkeit entgegenzusetzen. Wir sprachen über lokale und überregionale Vernetzung. Und wir trugen zusammen, wie die Lage in den einzelnen Städten ist. Daran würden wir gerne anknüpfen.
Wir schlagen vor, auf der kommenden AVV über drei Punkte zu sprechen:
- Feedback zu den auf der letzten AVV angestrebten Vernetzungsmöglichkeiten
- Überblick über und Umgang mit rassistischen und neonazistischen Mobilisierungen in NRW
- Umgang mit den Abschiebungen aus NRW
Wir hoffen, dass ihr Zeit findet, zur AVV zu kommen, um die Vernetzung zu verbessern, um miteinander zu sprechen und vielleicht den ein oder anderen konkreten Plan zu schmieden.
autonomepolitiknrw.blogsport.eu
Dieses Wochenende wollen erneut rechte Hools, Nazis und Rassist*innen in Köln durch die Straßen ziehen. Wir rufen euch alle auf mitzuhelfen, dass ihnen das diesmal nicht gelingen wird.
Kommt zur antirassistischen Demo am Samstag und den antifaschistischen Gegenprotesten gegen den HoGeSa“-Naziaufmarsch am Sonntag in Köln!
Gemeinsame Anreise aus Wuppertal zur antirassistischen Demo am Samstag (24.10.)
Treffpunkt: 14:45 Uhr (pünktlich!) vor den City Arkaden
Viele Gruppen und Bündnisse rufen am Vortag des „HoGeSa“-Naziaufmarsches zu einer großen antirassistischen Demo ab 16 Uhr zum Kölner Bahnhofsvorplatz, denn das Problem in diesem Land heisst Rassismus und der beginnt nicht erst bei den grölenden und prügelnden Nazi-Hools, sondern ist eng verknüpft mit dem Alltagsdenken der selbsernannten Mitte der Gesellschaft und der rassistischen staatlichen Flüchtlingsbekämpfungs- und Abschottungspolitik Deutschlands und der EU.
Und am Sonntag?!
…gehen wir dahin wo die Nazis sind!
Infos: http://antifakoeln.noblogs.org/start-und-anreisetreffpunkt…/
Neuigkeiten und aktuelle Infos zu den antifaschistischen Gegenprotesten:
http://antifakoeln.noblogs.org/
http://antifa-ak.org/
http://gegenrechts.koeln/
Antifa? ComeBack!
Von HoGeSa 2014 zu HoGeSa 2.0
Am 26. Oktober 2014 fand in Köln einer der größten bundesweiten Nazi-Aufmärsche seit langem statt. Rund 5.000 Nazi-Hools kamen an dem Tag nach Köln und randalierten durch die Innenstadt, während eine völlig überforderte Polizei lediglich dabei zuschaute, wie die Nazi-Hools ihre Gewaltexzesse auslebten. Die Mobilisierung fand vor allem mithilfe sozialer Medien statt. Besonders Facebook ermöglichte es Rassist*innen im vergangenen Jahr, sich zu vernetzen und in ihrem Hass gegenseitig zu bestärken – und ermöglicht dies auch weiterhin. HoGeSa konnte durch digitale Präsenz enormen Einfluss gewinnen, um sich schließlich auch offline zum “Vollstrecker des Volkswillens” zu gerieren. Von dieser Entwicklung waren auch viele Antifaschist*innen überrascht und so fiel der Gegenprotest gegen die angereisten Nazi-Hools äußerst gering aus.
Genau ein Jahr danach rufen mehrere extrem rechte Hooligan-Gruppen erneut zu einer Großdemonstration in Köln auf. Es muss für das gesamte Wochenende (23.-25. Oktober) mit einer großen Anzahl an Nazis und rechten Hooligans in Köln gerechnet werden. Das Motto „Dergleiche Ort, Diegleiche Demoroute, Diegleiche Uhrzeit, Dergleiche Anmelder“ (Rechtschreibfehler im Original) macht unmissverständlich klar, was das Ziel der Veranstaltung ist: Eine Neuauflage der Geschehnisse vom letzten Jahr.
Mit dem Motto “gegen Salafismus” hatte sich HoGeSa 2014 ein gesellschaftlich anschlussfähiges Thema gesucht. Dass es den Nazi-Hools nicht um Salafismus ging (und bis heute nicht geht), sondern darum, ihre rassistische Hetze – wahlweise gegen Migrant*innen, Flüchtlinge oder Andersdenkende – auf die Straße zu tragen, ist bereits im letzten Jahr mehr als deutlich geworden. Mittlerweile wird aus denselben Kreisen hauptsächlich gegen Geflüchtete gehetzt, was vermutlich auch das prägende Thema für HoGeSa 2.0 in Köln sein wird.
Bestärkt durch den erlebten Machtrausch und die aufkommende Pegida-Bewegung hinterließ der Aufmarsch im letzten Jahr auch regional Spuren. So pöbelten Nazis im vergangenen Jahr eine Zeit lang jedes Wochenende in der Kölner Innenstadt, es kam zu Angriffen und Schmierereien auf linke Projekte und zu einem versuchten bewaffneten Überfall auf eine Gedenkveranstaltung anlässlich des NSU-Anschlages in der Kölner Probsteigasse.
HoGeSa markierte mit der sich zeitgleich formierenden Pegida-Bewegung außerdem den Anfang neuer rassistischer Mobilisierungen und Angriffe in ganz Deutschland, die im Laufe des vergangenen Jahres an Stärke gewannen – und an Intensität bis heute zunehmen. Während sich die Mobilisierungen hauptsächlich gegen Geflüchtete richten, geht damit auch eine deutliche Zunahme rassistischer Alltagserfahrungen von Menschen einher, die bereits lange oder in x-ter Generation in Deutschland leben.
Doch die neuen rassistischen Mobilisierungen bleiben keineswegs unwidersprochen, sondern treffen auf eine breite Gegenbewegung: Immer mehr Menschen positionieren sich gegen rassistische Hetze und wir erleben eine Welle von Solidarität und Hilfsbereitschaft gegenüber Geflüchteten, die nicht nur uns in ihrer gesellschaftlichen Breite und Intensität überrascht hat. Beides ist aus unserer Sicht Ausdruck einer immer stärkeren Polarisierung und Spaltung innerhalb der Gesellschaft.
Bestärkung per Gesetz
Innerhalb des vergangenen Jahres gab es überall in der BRD massive rassistische Mobilisierungen gegen Geflüchtete und deren Unterkünfte. Die Zahl der Angriffe ist mittlerweile dreimal so hoch wie noch in 2012. Den traurigen vorläufigen Höhepunkt bildete zuletzt Heidenau. Organisierte Neonazis versuchen dabei verstärkt, wie auch in Heidenau, vorhandene Rassismen und Ressentiments in der Bevölkerung aufzugreifen und weiter zu schüren – beispielsweise bei Informationsveranstaltungen über Asylbewerber*innenunterkünfte innerhalb der Nachbarschaft oder durch Kampagnen wie “Nein zum Heim”. Nicht überall haben diese Strategien den gleichen Erfolg, doch an vielen Orten gelingt es Neonazis und Rassist*innen damit, ihre Hetze zu verbreiten. Durch die verharmlosende Benennung als “besorgte Bürger*innen” wird ihnen noch Legitimität zugesprochen.
Gleichzeitig tun einige Politiker*innen ihr Bestes, die rassistischen Mobilisierungen zu verharmlosen oder die Hetze sogar anzutreiben. Wer rassistische Argumentationen durchgehen lässt oder gar als “berechtigte Ängste” betitelt, wer Rassist*innen lieber “zuhört” statt sie in die Schranken zu weisen, der ist mitverantwortlich dafür, dass Bewegungen wie Pegida groß werden und damit eine Form der politischen Legitimation erfahren, die sie in ihrem Rassismus bestärkt und unterstützt. Auch durch die aktuellen Verschärfungen des Asylrechts können sich Rassist*innen bestätigt fühlen, liest sich einiges doch als direkte Umsetzung ihrer Forderungen.
Ja, der Anstieg der Geflüchtetenzahlen ist eine gesellschaftlich herausfordernde Situation – es kommen viele Menschen nach Deutschland und an vielen Orten stellt ihre Versorgung ein organisatorisches Problem dar. Aber die aktuelle „Flüchtlingskrise“ ist nicht einfach unvorhergesehen „hereingebrochen“. Schon seit Jahren ist die Entwicklung zu erkennen, dass wieder mehr Menschen flüchten müssen. Seit Jahren hätte sich die Bundesregierung auf die Situation vorbereiten können. Finanzielle und materielle Mittel sind in ausreichendem Umfang vorhanden – sie müssten nur bereitgestellt werden.
Von bundespolitischer Ebene wird stattdessen suggeriert, materielle und logistische “Engpässe” seien der Grund für mangelhafte Unterbringung, unzureichende sozialpsychologische Betreuung und fehlende Verpflegung von Geflüchteten. Die vermeintliche „Ressourcenknappheit“ wird allzu gerne als Argument benutzt, um Verschärfungen im Asylrecht und einfachere Abschiebungen von Geflüchteten aus bestimmten Regionen, zum Beispiel aus den Balkanstaaten, zu fordern. Momentan erleben wir, wie mit der angeblichen Überforderung die Errichtung von Lagern in Grenzregionen und die Wiedereinführung von Grenzkontrollen legitimiert wird. Dass Geflüchtete, die über Ungarn geflohen sind, nun doch trotz Dublin III ihren Asylantrag in Deutschland stellen “dürfen”, ist einer Ausnahmesituation geschuldet und wird jetzt von Merkel und Co. als Druckmittel gegen andere EU-Staaten eingesetzt. Diese unsolidarische und spalterische Politik produziert soziale Konflikte und spielt Menschen wissentlich gegeneinander aus.
Fluchtgründe und Wohlstandschauvinismus
Die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen werden auch auf europäischer Ebene in einem politischen Klima der Abschottung vorangetrieben. Die EU hat in den letzten Jahrzehnten nicht nur einen massiven neoliberalen Umbau der Gesellschaft betrieben, sondern auch die Grenzen militärisch abgesichert. Über die eigenen Grenzen hinweg trägt die EU international zu einer Durchsetzung neoliberaler Politik bei. In vielen Ländern hat dies mit zu Verhältnissen geführt, die Menschen dazu veranlassen, ihrer Heimat den Rücken zu kehren. Fluchtgründe sind vielfältig: seien es Kriege, Umweltkatastrophen, rassistische Diskriminierung oder einfach “nur” die Verschlechterung der Lebens- und Arbeitsbedingungen. Das sind die zwei Seiten derselben Medaille: Wohlstand und Aufstiegsversprechen hier funktionieren nicht ohne Ausbeutung und Armut dort.
Trotzdem scheint die Mehrheit der Deutschen zu glauben, ihr Wohlstand sei irgendwie verdient und selbstverständlich. Diese Ansicht tritt besonders in der Griechenland-Debatte zu Tage. Öffentliche Hetz-Kampagnen gegen “die Griech*innen” verschleiern, dass es nicht um einen zu erhaltenden Wohlstand der eigenen Bevölkerung geht, sondern darum, wirtschaftliche Interessen in einem neoliberalen System gnadenlos durchzusetzen. Deutschland ist und bleibt der größte Profiteur der Krise. Die deutsche Exportwirtschaft hat Griechenlands Verschuldung erst maßgeblich vorangetrieben.
Nun zeigt sich langsam, dass diese chauvinistische Politik ihren Preis hat: Ausbeutung bleibt nicht ohne Folgen. Mobilität und Migration sind ein Ergebnis dieser Außen- und Wirtschaftspolitik. Sie stehen aber nur jenen wenigen Menschen auf legalem Wege offen, die im Sinne der herrschenden Politik als “nützlich” erachtet werden. Allen vermeintlich “Unnützen” bleibt nur der schwierige Weg über die oftmals tödlichen Außengrenzen.
Anstatt diese Zusammenhänge zu erkennen und zu kritisieren, richtet sich die Wut über Sozialabbau in den europäischen Ländern gegen die ohnehin schon am meisten von Verelendung und Diskriminierung betroffenen Menschen. Überall in Europa sind in den vergangenen Jahren rechtspopulistische Parteien in die Parlamente eingezogen oder sind sogar an Regierungen beteiligt. Nach unten zu treten ist leichter als politische Zusammenhänge zu erkennen und zu benennen.
Die Einteilung von Menschen in Kategorien von “nützlich” und “unnütz” führt auch hierzulande in den Debatten um Geflüchtete dazu, dass vor allem von Fakten, Zahlen und technischen Daten gesprochen wird. Diese Technisierung der Debatte ermöglicht es, dass Menschen wie Waren behandelt werden. Und sie verschleiert Rassismen. Die entsprechenden Statistiken wiederum sind den Rassist*innen wohlfeiles Mittel, sich in Diskurse einzuklinken und sie in ihrem Sinne zu verschärfen.
„Gute und schlechte“ Flüchtlinge? – every refugee is a political refugee!
Gerne wird immer wieder zwischen “guten” und “schlechten” Flüchtlingen unterschieden. Es wird behauptet, es gäbe zwei Kategorien von Flucht: eine “echte” und eine “unechte”, nämlich die aufgrund ökonomischer Bedingungen.
Wenn Menschen nicht gerade aus Syrien geflüchtet sind, werden sie in der gesellschaftlichen Debatte gerne als „Wirtschaftsflüchtlinge“ oder „Armutsflüchtlinge“ tituliert. Somit wird ihnen indirekt unterstellt, sie seien kriminell, denn sie würden „ja nur in unsere Sozialsysteme einwandern“ wollen. Dass es viele Motive gibt, die Menschen dazu veranlassen, in ein anderes Land zu ziehen, wird einfach ausgeklammert. Ob Menschen migrieren oder um Asyl bitten, ist oft einfach davon abhängig, welche legalen oder auch illegalisierten Möglichkeiten ihnen zur Verfügung stehen. Diese fatale Unterteilung von Menschen hat zur Folge, dass realpolitisch Fakten geschaffen werden, um bestimmten Gruppen ein Aufenthaltsrecht zu verwehren. So werden Staaten willkürlich zu “sicheren Herkunftsstaaten” deklariert und damit Menschen der Zugang zu Asyl und Schutz in Deutschland verweigert. Das trifft vor allem Rom*nja, denen in ihren Heimatländern systematisch der Zugang zu Arbeit, Gesundheitsversorgung und Bildung verwehrt bleibt.
Die Unterteilung in „gute“ und „schlechte“ Flüchtlinge führt im Ergebnis dazu, dass Menschen gegeneinander ausgespielt werden mit der Folge, dass Bomben und Kriege als legitimer Asylgrund gelten, aber systematisch verursachte Armut und Diskriminierung nicht. Diesen Rassismus durch die Hintertür können und dürfen wir nicht gelten lassen. Es ist egal, warum Menschen fliehen und sich woanders eine Lebensgrundlage aufbauen wollen: Jeder und jedem steht das Recht auf ein Leben in Würde zu.
Die Etablierung einer „Willkommenskultur“?!
An vielen Orten haben sich Willkommensinitiativen gegründet, die direkt Hilfe leisten und so die Stimmung vor Ort entscheidend prägen. Tausende Menschen organisieren zusammen mit Geflüchteten Willkommensfeste, empfangen und versorgen Menschen an Bahnhöfen, sammeln Kleiderspenden, organisieren Sprachkurse und Begleitung bei Behördengängen. Das ist nicht nur für die Geflüchteten wichtig, sondern nimmt auch Rassist*innen und Neonazis den Raum, ihre Hetze zu entfalten. Diese Entwicklung darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es nach wie vor einen weit verbreiteten Rassismus in der deutschen Gesellschaft gibt.
Deshalb ist es für die radikale Linke wichtig zu betonen, dass Antirassismus nicht bei einer rein humanitären Hilfe stehenbleiben darf und die Kategorisierung in die “guten” Kriegsflüchtlinge und die “bösen” Wirtschaftsflüchtlinge beispielsweise auch innerhalb der Willkommensinitiativen anzutreffen ist. Eine daraus resultierende pauschale Abgrenzung von Willkommensinitiativen und Helfer*innen als vermeintlich entpolitisierte Hippies, wie es manche Teile der Linken tun, ist dabei aus unserer Sicht jedoch nicht der richtige Weg. Stattdessen müssen wir die Diskurse innerhalb der Willkommensinitiativen politisieren und radikalisieren. Nur so kann sich eine “Willkommenskultur” entwickeln, die gegen die Abschottung an den EU-Außengrenzen und gegen rassistische Stimmungsmache Stellung bezieht, statt bei einem bloßen individualisierten “Helfen” stehen zu bleiben.
Wir brauchen mehr Menschen, die sich lautstark gegen institutionellen und gesellschaftlichen Rassismus positionieren und aktiv werden, um diese Zustände zu ändern. Initiativen, die Flüchtlinge bei der Flucht unterstützen, oder die Besetzung von Gebäuden, um sich für und mit Geflüchteten menschenwürdigen Wohnraum anzueignen, sind gute Bespiele dafür, wie eine solche Praxis aussehen kann.
Ausblick
Das “Zeitfenster der Menschlichkeit” – als sich die Bundesregierung nicht zuletzt unter dem Druck der Bilder verzweifelter Flüchtlinge genötigt sah, für einen kurzen Zeitraum die Grenzen zu öffnen – wird eine kurze historische Episode bleiben. Die Zeichen stehen längst wieder auf Abschottung und Abschreckung. Die jetzt angekündigten drastischen Verschärfungen des kaum noch existenten Asylrechts zeigen, was die Zukunft bringen wird: Lebensbedingungen für Geflüchtete werden dramatisch verschlechtert und Abschiebungen erleichtert, um Menschen abzuschrecken, weiterhin nach Deutschland zu kommen. Die “nützlichen” Flüchtlinge sollen dafür schneller und effizienter als “Humankapital” dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt werden. Der weitere Ausbau der EU-Außengrenzen steht als nächster Punkt auf der Agenda der deutschen Regierung. Ob es mit diesen Maßnahmen gelingt, die Migrationsbewegungen zu stoppen, darf bezweifelt werden – der Druck, vor Bürgerkrieg und sozialer Verelendung zu fliehen, ist zu groß, als dass er sich von Grenzzäunen aufhalten ließe.
Gleichzeitig haben wir es mit einer zunehmend aggressiver auftretenden Neonaziszene zu tun. Täglich hören wir von Anschlägen und Angriffen irgendwo in Deutschland. Die Erfahrungen, die in der rechten Szene gerade mit Brandanschlägen und ähnlichem gesammelt werden, sind der Nährboden für neue rechtsterroristische Gruppen. Es ist davon auszugehen, dass in den nächsten Monaten und Jahren nicht nur die Quantität, sondern auch die Qualität rechtsterroristischer Anschläge weiter zunehmen werden.
Auch die rassistische Stimmung in Teilen der Bevölkerung kann weiter anwachsen und sich durch die Dynamik sozialer Netzwerke verstärken und formieren. In welcher Form sich diese manifestieren wird, bleibt abzuwarten – ob auf der Straße als Pegida oder “Bürgerwehr xy” und/oder in Parlamenten durch rechte Parteien.
Bleibt also die Frage, wie wir als radikale Linke damit umgehen. Beispiele wie Heidenau zeigen nicht nur, wozu die organisierte Naziszene in Zusammenarbeit mit Rassist*innen vor Ort in der Lage ist, sondern auch, auf welchen Ebenen eine Intervention unsererseits stattfinden muss. Den Nazis muss die Straße genommen werden, damit der Riot gegen Geflüchtete als Mitmachspektakel für alle ein schnelles Ende hat. Denn Antifaschismus kann nur erfolgreich sein, wenn es ihm gelingt, einerseits Neonazis und Rassist*innen auf der Straße wie auch diskursiv zurückzudrängen und andererseits Formen der Partizipation und Kommunikation anzubieten, um Menschen einzubinden und zu politisieren.
Antifaschistische Intervention und antirassistische Basisarbeit zu verknüpfen und zu vernetzen ist heute aus unserer Sicht wichtiger denn je. Dafür müssen wir vermehrt mit denjenigen Menschen zusammenarbeiten (und sie bestärken), die Unterstützung für Geflüchtete leisten. Das Zugehen auf und die Politisierung von Willkommensinitiativen oder anderen solidarischen Strukturen ist notwendig, um den Rassist*innen vor Ort das Wasser abzugraben und eine nachhaltige antirassistische Gegenbewegung aufzubauen. Eine Gegenbewegung, die nicht in einer wohltätigen Perspektive verharrt. Aber auch Solidarität und verstärkte Zusammenarbeit mit Selbstorganisierungen von Geflüchteten ist unbedingt notwendig – hier haben wir als radikale Linke immer noch Nachhol- und Lernbedarf. Die Vernetzung von Betroffenen, lokalen Unterstützer*innen und Aktivist*innen wird uns nachhaltig stärken. Dies kann und sollte lokal passieren.
Für uns alle gilt: Raus aus der persönlichen Comfortzone, die Zeit des passiven Kritisierens ist vorbei. Wer Veränderung schaffen will, muss handeln!
Eine erste Möglichkeit dazu bietet sich am Wochenende des 24. und 25. Oktober in Form der zahlreichen Aktivitäten gegen den geplanten Aufmarsch von HoGeSa. Lasst uns zusammen an dem Samstag mit einer kraftvollen Demonstration unsere Inhalte auf die Straße tragen und am nächsten Tag HoGeSa aus der Stadt jagen.
Rassistische Verhältnisse angreifen – Solidarität mit allen Geflüchteten und allen von Rassismus Betroffenen!
AKKU im Oktober 2015