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Soziale Kämpfe Weltweit

Frankreich: Sozialer Aufruhr auch am 14. Juli

Das hat es seit langem nicht gegeben: Seit 1989 hat keine linke Demonstration am oder um den 14. Juli in Paris stattgefunden. Denn am französischen Nationalfeiertag wird zwar des Sturms auf die Bastille gedacht – aber die Medien haben an diesem Tag gewöhnlich nur Augen und Ohren für die Militärparade auf den Champs Elysées. Und ohnehin ist die Hauptstadt um diese Jahreszeit oft schon den TouristInnen überlassen.
Nicht so in diesem Jahr: Auch bei Temperaturen von 35 Grad zog ein flotter Demozug, ohne Genehmigung, aber mit über 3.000 TeilnehmerInnen, drei Stunden lang durch das Pariser Zentrum. Eine bunte Mischung ballte sich hier zusammen, wie eine Zusammenfassung der sozialen Kämpfe in den letzten Monaten. Linke LehrerInnen hatten, obwohl die Schulen Ferien hatten, ihre Streiktransparanten aus dem Mai und Juni mitgebracht. Die ausständischen ArchäologInnen kamen, wie im Frühjahr, im Gallierkostüm und mit einem Pferd. Das Gros der TeilnehmerInnen (75 bis 80 Prozent) aber stellten die Kulturschaffenden, die ihrerseits in diesen Wochen mit einem spektakulären Streik von sich reden machten. Das wirkte sich auch auf die Demokultur aus – zwar ertönte (wie üblich) – der Ruf „en grève“ (im Streik). Aber die Kulturschaffenden, die den Sinn für’s Theatralische haben, rufen ihn nicht einfach; sie stöhnen und röcheln, oder singen und schmettern ihn. In dem Fall mit Unterstützung einer streikende
n Opernsängerin am Mikrophon.
Die Polizei kesselte am Ende den Zug kurzzeitig vor dem Panthéon (dem „laizistischen Tempel“, unter dem die republikanischen Größen ruhen) ein, ließ die Beteiligten aber – einzeln und ohne Transparente oder Aufkleber – in Ruhe abziehen. Eine Stunde später kam es nochmals zu Reibereien, als die abziehenden DemonstrantInnen einige hundert Meter weiter, vor der Kathedrale von Notre Dame, auf ihrerseits protestierende UnterstützerInnen von José Bové stießen. Diese hatten, unabhängig von der 14. Juli-Demo, ein Protest-Picknick für die Freilassung des linken Bauerngewerkschafters unter dem Eiffelturm durchgeführt. Nachdem die beiden Protestgruppen zusammen gefunden hatten, kesselte die Polizei sie kurzfristig ein, sah sich aber ihrerseits von weiterenden Demonstrierenden umringt. Am Ende löste sich, gegen 19 Uhr, die ganze Versammlung auf.
Auch sonst ist in diesem Monat vieles ungewöhnlich. Alle Kulturfestivals von nationaler Bedeutung, die in Frankreich normalerweise den Juli begleiten, sind seit Donnerstag letzter Woche annulliert – aufgrund des Ausstands, der in der französischen Kulturwelt weite Kreise zieht. Das hatte es nicht einmal im Zuge der Schockwelle des Mai 1968 gegeben; damals war etwa das Theaterfestival von Avignon gestört, aber nicht abgesagt worden. (Siehe Hintergrundtext vom 10. Juli)
Der Leiter des verhinderten Kulturereignisses von Avignon, Bernard Faivre d’Arcier, hat übrigens in einem Interview in „Le Monde“, das am Donnerstag abend – am selben Tag, an dem er die Brocken hingeworfen hatte – mit den Worten geendet: „In drei Wochen bin ich nicht mehr Direktor (Anm.: da er pensioniert wird), dann werde ich mich gern auf die Seite der Streikenden stellen und ihnen unter die Arme greifen.“
Dagegen entschieden sich die ausständischen Kulturschaffenden in den letzten Tagen dafür, dass das Opfernfestival Les Chorégies in Orange unbedingt stattfinden solle. Denn Orange wird seit 1995 vom rechtsextremen Bürgermeister Jacques Bompard, ein Parteifreund von Jean-Marie Le Pen, regiert – und da der Front National seit damals einen Kleinkrieg gegen die Kulturwelt führt, hätte er nur darauf gewartet, das Festival ausfallen zu sehen. Diesen Gefallen wollte ihm niemand tun.
Bei den Ausständischen handelt es sich um intermittents du spectacle (von intermittence, Diskontinuität). So heißen die meist diskontinuierlich beschäftigten Kulturschaffenden, etwa SchauspielerInnen im Theater, aber auch Bühnenbauer und Toningenieurinnen, die zwischen zwei Aufführungen keinen Broterwerb haben und deswegen (bisher jedenfalls) nach Sonderregeln aus der Arbeitslosenkasse alimentiert werden.
Das besondere Statut, das diese Unterstützung ermöglicht, ist eine jener sozialen Errungenschaften, die vom Front populaire (auf deutsch sehr grobschlächtig mit „Volksfront-Regierung“ übersetzt) von 1936 übrigbleiben. Sie ist in dieser Form europaweit einmalig. Doch vor allem in den 90er Jahren – in denen die Zahl der LeistungsempfängerInnen stark anwuchs – waren es die Arbeitgeber, die sich ihrerseits die Existenz dieser Unterstützungsmöglichkeit zunutze machten, um möglichst viele dauerhafte in kurzlebige Arbeitsplätze zu verwandeln ; die Zahl der Unterstützungsempfänger wuchs von 50.000 (1991) auf heute 100.000. Daher rührt ein Fehlbetrag in der Arbeitslosenkasse, der in den letzten Jahren gewachsen ist. Dieser beträgt derzeit circa 760 Millionen Euro, bei Gesamtausgaben in diesem Sektor von 1 Milliarde Euro.
Deswegen soll diese Unterstützung jetzt drastisch reduziert werden – nicht durch Eindämmen der, von allen Politikern und Beobachtern konstatierten, „Missbräuche“ durch Arbeitgeber, sondern allein auf Kosten der abhängig Beschäftigten. Die Unterstützung soll um ein Drittel gekürzt werden. Ferner sieht ein Abkommen zwischen Arbeitgebern und rechten Minderheitengewerkschaften, das durch die Regierung unterstützt wird, neue Aufnahmekonditionen vor, die gut 30 Prozent der heute Anspruchsberechtigten ganz aus der Unterstützung herausfallen lassen würden. Gerade die prekärsten Kulturschaffenden und die jungen KünstlerInnen am Anfang ihres Schaffens würden damit ihrer Existenzgrundlage beraubt.
Am 14. Juli in Paris führten die Demonstranten deswegen schwarzen Trauerflor – aufgrund der Temperaturen meist in Form schwarzer Regenschirmen, seltener in Form von Kostümen. Symbolisch führten sie kleine Guillotinen mit, und einige hatten sich symbolisch in schwere Ketten gelegt.
Bernhard Schmid, Paris

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Soziale Kämpfe

Interview mit Johannes Agnoli

Johannes Agnoli
über die Abschaffung des Staates, die Verteidigung sozialstaatlicher Errungenschaften und linke Emanzipationsstrategien
Eine Situation des Bruchs
Die Zukunft des Staates, der Ökonomie und der zivilen Gesellschaft werden heiß diskutiert. Eine prinzipielle Staatskritik wie die Ihre zielt auf das Zerstören, ist auf das Absterben staatlicher Strukturen aus.
Zerstören? Zwar sagt Marx in einer Inauguraladresse, man müsse, um der Emanzipation willen, den Staat zerstören. Ich schlage für die gleiche Sache aber eine andere Bestimmung vor: Es geht darum, daß man neue Organisationsformen der Gesellschaft findet. Der Staat ist auf Unter und Überordnung gegründet, ist Ausdruck einer Politik, die sich als Herrschaft versteht. Was also überwunden werden soll, nenne ich den objektiven Zwangscharakter unserer Gesellschaft. Die Tatsache also, daß unser gesellschaftliches Leben bestimmt wird durch Strukturen, die einen Zwangscharakter haben. Diese Strukturen konkretisieren sich dann auf der politischen Organisationsebene als heutiger Staat. Was ja nicht immer der Fall war, denn der, Staat ist eine relativ moderne Erscheinung.

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Sozialkahlschlag – Höchste Zeit für Gegenwehr!

Im Windschatten des Irak-Krieges forciert die sozialdemokratisch-grüne Koalition ihren Generalangriff auf erkämpfte Rechte von Beschäftigten und Erwerbslosen:
– Zum 1. Januar 2004 plant die Bundesregierung die Zerschlagung der Arbeitslosenhilfe. Danach soll es nur noch Arbeitslosengeld II in Höhe der heutigen Sozialhilfe geben. Rund 1,13 Millionen Haushalte, die derzeit Arbeitslosenhilfe beziehen, müssen durch die Absenkung der Arbeitslosenhilfe auf Sozialhilfeniveau zum Teil erhebliche Einkommensverluste hinnehmen. Bereits in diesem Jahr werden ein knappes Drittel bzw. 470.000 Haushalte, die derzeit Arbeitslosenhilfe beziehen, beim Neuantrag für die Weiterbewilligung aufgrund verschärfter Anrechnungen von Partnereinkommen und Vermögen ganz aus dem Leistungsbezug rausfallen. Und schon lässt Rot-Grün die nächste Katze aus dem Sack: Das erbärmliche Sozialhilfeniveau soll noch weiter gedrückt werden.

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Wuppertal: Arbeitsamt auf Durchzug gestellt

Besudelte Hartz-Pläne am Vorabend der Revolution
Um die Abteilung für Schwarzarbeit und überhaupt die Hartz-Planer nicht ungestört arbeiten zu lassen, wurden am Vorabend der Revolution Scheiben des Arbeitsamtes zersplittert und Farbe hinterhergeschickt.
Jene, die mithelfen, die einen zur Arbeit zu zwingen und anderen, die Arbeit zum Leben brauchen, ihnen den Arbeitsplatz zu nehmen, sollen sich nicht auf ihren bequemen Arbeitsstellen ausruhen. (Sollen sie doch kündigen!)
Im Kampf, doch noch einen Arbeitsplatz abzubekommen,
weil man sonst durchs immer dünner werdende soziale Netz fällt, werden rassistische und diskriminierende Feindbilder geschürt. Statt sich gemeinsam zu organisieren gegen seine eigene Verwertung, nimmt die Vereinzelung und Abschottung gegen andere zu. Die Verstrickung schnürt sich immer enger.
Höchste Zeit, sich dagegen zu wehren!
Höchste Zeit, statt die von oben vorgeschriebenen Regeln des Lebens zu erfüllen und das angebliche Glück eines Arbeitsplatzes, der Wohlstand bringen soll, zu ergattern, sich das Leben selbst zu gestalten!
Höchste Zeit, sich zusammen zu finden und für die Bedürfnisse, die Menschen wirklich befriedigen, zu kämpfen!
Gewitzte Bündnisse schmieden!
Kapiatlismus bekämpfen!
Quelle: Indymedia