Aufruf zum überregionalen Aktionscamp gegen HartzIV und ArGe-Schikane
vom 1.- 2. Oktober an der ArGe in Köln
Auf den Fluren der ArGen brodelt es immer heftiger: Immer wieder sind lautstarke Auseinandersetzungen zwischen Angestellten der ArGe und Erwerbslosen zu hören. Schon wieder fehlt das Arbeitslosengeld auf dem Konto, schon wieder fühlt sich niemand dafür verantwortlich und schon wieder sind Folgeanträge angeblich nicht bei der ArGe angekommen.
Stattdessen lange Wartezeiten, keine telefonische Erreichbarkeit und überfallartige Besuche von Sozialschnüfflern bei Hartz-IV-EmpfängerInnen zu Hause.
Während Erwerbslose laut schimpfend durch die ArGe laufen, guckt der Sicherheitsdienst etwas verunsichert um die Ecke. „Wenn das hier mal hochkocht, dann ist der Schuppen hier in 10 Minuten Kleinholz“, sagt ein älterer Arbeitsloser. Anfang Februar randalierten 100 Hartz-IV-EmpfängerInnen in der Arbeitsagentur Herne so lange, bis ihnen das fehlende Geld schließlich ausgezahlt wurde. Angesichts der Menge der aufgebrachten Leute sprach die Polizei von einem „Massenüberfall in noch nicht da gewesener Dimension“. Der Öffentlichkeit gegenüber wurde der Vorfall jedoch verschwiegen.
ArGe – es reicht!
Vom 1. Oktober, 10 Uhr, bis 02. Oktober, 18 Uhr, findet an der ArGe Köln, Luxemburger Str., ein überregionales AktionsCamp statt:
– mit Informationsveranstaltungen und Aktionen zu den Machenschaften und illegalen „hausrechtlichen“ Praktiken der ARGE – von Leistungsentzug über Zwangsdienste bis zu den Schnüffeleinsätzen
– mit einer Vollversammlung, auf der wir Tipps und Tricks gegen die ArGe sammeln und untereinander weitergeben werden
– mit eigener Beschwerdestelle, in der alle Beschwerden nicht nur gesammelt und protokolliert werden, sondern in der wir bei Bedarf auch dafür sorgen, dass Erwerbslose in die ArGe begleitet werden – zum Beispiel, um gemeinsam überfälliges Arbeitslosengeld einzufordern!
– mit einer offenen Hartz IV-Beratung und einem ALG II-Seminar durch Tacheles e.V., Wuppertal, an beiden Tagen
– mit Vorstellung verschiedener bisheriger Aktionen gegen die Hartz’schen Zumutungen hier und anderswo mit lecker Essen, Musik- und Kulturprogramm
– zur Vernetzung der direkt, aber auch mittelbar von ALG II, von den Praktiken der ArGe und von der aktuellen „Sozial“politik Betroffenen
– zur perspektivischen Einrichtung eines regelmäßigen „ZAHLTAGs“, bei dem die Vielen solidarisch die Auszahlung von verweigerten Leistungen an Einzelne zu Monatsanfang erzwingen
– zur Organisierung und Wiederbelebung von praktischem Widerstand gegen HartzIV – gegen ArGe-Schikanen wie Leistungskürzung, Zwangsdienste und Schnüffelbesuche!
– um gemeinsam hier wie überall unsere Rechte durchzusetzen!
Wir freuen uns auf Euer zahlreiches Erscheinen und Eure Ideen!
Bringt Schlafsäcke und Isomatten mit! Für Wärme und Verpflegung ist gesorgt.
Agentur-Schluss!
Kontakt: aktionscamp@yahoo.de
„Zahltag!“ so lautet das Motto des am 1.+2. Oktober in Köln stattfindenden Aktionscamp gegen ARGE-Schikane.
Überregional mobilisieren Gruppen für diese beiden Aktionstage an der Kölner ARGE in der Luxemburger Str.
Wir interviewen Bettina C. von agenturschluss zu den Motiven und Perspektiven der geplanten Aktionen an der ARGE.
Ihr stellt Euer Aktionscamp Anfang Oktober an der Kölner ARGE unter das Motto „Zahltag“. Wer rechnet da mit wem ab?
In gewisser Weise wir mit der ARGE. Allerdings wohl kaum in Form einer finalen Abrechnung – die sähe ganz anders aus. Nein, des Motto „Zahltag!“ ist Programm im engeren Sinne:
Wir haben das Aktionscamp bewusst auf den Monatsanfang gelegt. Da gibt es nämlich eine Menge Leute an der ARGE, die zu wenig oder gar kein Geld überwiesen bekommen haben und nun ihrer Kohle hinterher rennen müssen. Kein Einzelfall, sondern Schikane mit System! Wir wollen gemeinsam die Auszahlung des Arbeitslosengeld II derer durchsetzen, die eine willkürliche Kürzung oder Sperre reingedrückt bekommen haben. Wir stehen gemeinsam auf der Matte, wenn der Folgeantrag schon wieder „verloren gegangen“ ist, wenn der Widerspruch einfach nicht bearbeitet wird und der Folgebescheid genauso falsch ist wie der alte …
Anfang Februar randalierten 100 Hartz-IV-EmpfängerInnen in der Arbeitsagentur Herne so lange, bis ihnen das fehlende Geld schließlich ausgezahlt wurde. Angesichts der Menge der aufgebrachten Leute sprach die Polizei von einem „Massenüberfall in noch nicht da gewesener Dimension“. „Wenn das hier mal hochkocht, dann ist der Schuppen hier in 10 Minuten Kleinholz“, sagte ein älterer Arbeitsloser. Der Öffentlichkeit gegenüber wurde der Vorfall jedoch verschwiegen. Uns hat er erneut verdeutlicht, dass es auf den Fluren der ARGEn immer heftiger brodelt. Ganz ehrlich: Mir macht so ein gemeinsames Aufbegehren Mut.
Was soll denn vor Ort konkret laufen – wie kann kollektive Gegenwehr deiner Meinung nach aussehen?
Ganz einfach. Wir werden für den 1. und 2. Oktober so eine Art Begleitservice einrichten und zwar mit allen, die an diesem Tag auf dem Amt sind und andere solidarisch unterstützen wollen. Die werden dann in größeren Gruppen dem Anliegen derjenigen, die solche Hilfe in Anspruch nehmen wollen, Nachdruck verleihen. Wir machen eine „Vollversammlung“, wo wir Tipps und Tricks zusammentragen. Wir stellen Methoden vor, mit denen mensch sich gegen SozialschnüfflerInnen bei Hausbesuchen wehren kann. Wir diskutieren, wie es um Bedarfsgemeinschaften steht, wie die Praxis des Profiling aussieht, wie junge Erwachsene aus der „Stallpflicht“ ausbrechen können, was speziell für MigrantInnen gilt und so weiter. Ich glaube wir haben insgesamt 12 Veranstaltungen. Darüber hinaus macht die Wuppertaler Gruppe Tacheles e.V. vor Ort permanente Einzelfall-Beratung und einführende ALG II-Seminare.
Im Vordergrund stehen jedoch die Aktionen – hier wollen wir allerdings noch nichts verraten. Nur soviel vielleicht: Wir werden an diesen Tagen nicht wie üblich an Verantwortliche in der Politik appellieren – uns genügt es nicht „Weg mit HartzIV“ zu fordern und wir werden kein Gespräch mit dem Leiter der ARGE einfordern. Wir scheißen auf seine Position zur Praxis des „Fordern statt Fördern“. Nein, die ARGE-Leitung interessiert uns nicht, sie kann zu Hause bleiben. Wir wollen an diesen Tagen konkret eingreifen in die Alltagsschikane in dieser ARGE und zwar nicht vereinzelt, sondern gemeinsam! Wir wollen uns und der ARGE klarmachen, dass kollektiver Widerstand angesagt ist!
Wenn ihr nicht mit Forderungen an die Führungsetage der ARGE heran tretet, was ist denn die Perspektive der Aktion Zahltag über die beiden Tage hinaus?
Die Botschaft lautet: „ARGE, es reicht! Wir organisieren unsere Gegenwehr.“
Jede(r) weiß, dass die Willkür der SachbearbeiterInnen seit Hartz-IV enorm gestiegen ist. Unverschämte Forderungen und Nötigungen seitens der ARGE-MitarbeiterInnen gegen Erwerbslose sind an der Tagesordnung: „Sie müssen Ihren Widerspruch zurücknehmen, dann erhalten Sie von uns wieder Geld“. Seit die Unternehmensberatung Roland Berger die ARGE Köln umgestaltet hat, haben sich die Wartezeiten auf den Fluren, die Unzuverlässigkeit bei den Geldüberweisungen und der Druck auf Erwerbslose verdoppelt.
Viele Erwerbslose haben mittlerweile erkannt, dass die willkürlichen und illegalen Praktiken und Drangsalierungen der ARGE nicht zufällig sind, sondern System haben. Es hat in den letzten Monaten hier in Köln eine Reihe Aktivitäten von verschiedenen Gruppen gegeben. Der Hausbesuch beim Leiter der rechtsrheinischen SozialschnüfflerInnen zum Beispiel hat für große Besorgnis bei der Arbeitsagentur und der Stadt gesorgt. Die Blockade der Fahrzeuge eben dieses Schnüffeldienstes vor kurzem zeigt zumindest, dass das Thema nicht mit einem Aktiönchen gegessen ist. Offenbar gibt es in Köln eine ganze Menge Leute, die nicht nur die Tasche leer, sondern auch die Schnauze voll haben und sich diese systematische Gängelei nicht länger gefallen lassen wollen.
Ich wäre zufrieden, wenn die Aktionen am 1. und 2. Oktober uns in unserem weiteren Widerstand selbstbewusster machen. Konkret schwebt mir ein selbstorganisierter „Begleitservice“, vielleicht sogar in Form eines regelmäßigen „Zahltags“ zum Monatsanfang vor. Der ganze Apparat und die Schikanen rund um HartzIV sind ja nur ein Besispiel dafür, wie zur Zeit Leute systematsich entrechtet und mehr und mehr unter Druck gesetzt werden – auch am Arbeitsplatz. Ich stelle mir vor, mit unserem Camp auch ein Zeichen für eine in Deutschland unterentwickelte Praxis zu setzen, soziale Rechte zu erkämpfen statt zu erbitten! Was ein gutes Leben ausmacht, darüber haben wir selbst zu befinden und nicht irgend eine ARGE oder sonstige „RepräsentantInnen“.
Ihr wollt tatsächlich an der ARGE campieren? Das klingt für Anfang Oktober nicht besonders attraktiv.
Ja, wir rücken der ARGE für ganze zwei Tage auf die Pelle. Montag um 10 Uhr geht es los – pünktlich! Das Wetter muss uns dabei nicht stören. Wir haben große Zelte und Gasheizungen. Wir werden bekocht und haben jede Menge Heißgetränke. Außerdem heizen uns Microfon Mafia und andere Bands vor. Wie wir uns dort einnisten werden ist eine Frage der Gegebenheiten an diesem Tag und unserer Ideen. Wir haben für verschiedene Möglichkeiten vorgesorgt. Im Moment sieht es schon sehr gut aus. Es gibt nicht nur Spenden, sondern auch viele Zusagen für die Aktion auch außerhalb von Köln.
Viel Erfolg!
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